03.09.2016, 22:26
Da die Nachfrage nach einer etwas detaillierteren Aufschlüsselung der beiden Testverfahren bestand, kann ich hier eine kurze Zusammenfassung der jeweiligen Verfahren anbieten. Die Methode des Kölner Labors – im Prinzip eine abgeänderte SDS-Gelelektrophorese (Erklärung folgt ), - kenne ich ganz gut und führe ich selbst regelmäßig in ähnlicher Form durch. Die Massenspektroskopie, wie sie in Japan zum Nachweis von EPO verwendet wird, kenne ich nur vom Sehen, aus Vorlesungen und aus einem kurzen Praktikum vor einigen Jahren.
Einen guten Überblick zu diesen und weiteren, nicht so üblichen Testverfahren bietet übrigens eine Publikation von Christian Reichel von der österreichischen Dopingkontroll-Behörde:
Reichel C. Detection of peptidic erythropoiesis-stimulating agents in sport. Br J Sports Med. 2014 May;48(10):842-7.
Link: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24677025
Volltext: http://bjsm.bmj.com/content/48/10/842.long
Achtung: Da ich mich weder mit den Anti-Doping-Regularien noch mit dem Ablauf und Umfang der EPO-Kontrollen auskenne, kann ich hier ausschließlich mutmaßen und spekulieren. Ich kann lediglich versuchen, die Möglichkeiten und Limitierungen der Verfahren aus wissenschaftlicher Sicht zu beurteilen.
Zunächst muss man sich klar machen, dass es nicht DAS EPO gibt. Erythropoeitin, kurz Epo, wird in jedem Menschen ständig produziert und sorgt dafür, dass sich Blutstammzellen zu Erythrozyten, also roten Blutkörperchen, entwickeln. Diese sorgen dann für den Sauerstofftransport. Viel Epo = viel Sauerstoff = bessere Leistung, soweit die Theorie, die den meisten wohl noch bekannt sein dürfte. Es gibt diverse Krankheitsbilder (abseits von ungenügender Leistung eines Sportlers...), die eine Therapie mit Epo nach sich ziehen, größtenteils Tumorerkrankungen und damit verbundene Anämien. Weil es sehr viel leichter und ethisch verträglicher ist, Epo industriell herzustellen als aus echten Menschen zu gewinnen, und weil alle Pharmafirmen ein Stück vom Kuchen abhaben möchten, gibt es mittlerweile diverse verschiedene Epo-Präparate auf dem Markt. Eines haben sie allerdings alle gemeinsam: Ganz genau gleich mit dem körpereigenen Epo sind sie nicht. Und genau darin besteht die Möglichkeit, von außen zugefügtes Epo, also Doping, nachzuweisen.
Zuerst zur SAR-PAGE, der Kölner Methode:
Begriffserklärung: SAR ist kurz für Sarcosyl, ein Salz und entscheidender Bestandteil des Test-Gels. PAGE steht für (Achtung, Zungenbrecher...) Polyacrylamidgelelektrophorese, die eigentliche Methodik. Hier wird vereinfacht gesagt ein dünnes Gel (weniger als 1 mm dick), von der Konsistenz ähnlich wie Wackelpudding, mit der zu testenden Probe beladen. Das Gel ist zwischen zwei Plastik- oder Glasplatten eingespannt und steht hochkant, die Probe wird oben in eine Aussparung pipettiert. Nun wird eine Spannung angelegt. Durch den Strom wandern alle in der Probe enthaltenen Proteine, auch Epo, vom Minus- zum Pluspol. Je kleiner das Protein ist, desto schneller finden sie ihren Weg durch das Gel. Es erfolgt hier also eine Auftrennung der Proteine nach der Größe. Anschließend werden die Proteine auf eine Membran, eine Art Papier, wenn man so will, übertragen. Jetzt beginnt der eigentliche Nachweis: Ein sehr spezifischer Antikörper gegen den Epo-Bestandteil, der für die Wirkung verantwortlich ist, wird auf die Probe gegeben. Der Antikörper sollte nun sowohl am natürlich vorkommenden Epo als auch an zugeführten Präparaten binden. Als nächstes folgt die Inkubation mit einem weiteren Antikörper, der an den ersten (Anti-Epo)-Antikörper bindet. Dieser sekundäre Antikörper ist an ein Enzym gekoppelt, das, sobald sein Substrat hinzugefügt wird, für die Freisetzung von Lumineszenz sorgt. Ist also Epo in der Probe, bindet der Anti-Epo-Antikörper, an diesen der sekundäre Antikörper und nach Zugabe eines Substrats wird messbares Licht ausgestrahlt. Dieses kann über spezielle Kameras aufgezeichnet werden. Viel Protein geht dabei mit viel Licht einher. Nun muss noch zwischen eigenem und fremdem Epo unterschieden werden: Durch die synthetische Herstellung von Epo-Präparaten sind diese nicht exakt identisch mit der natürlichen Variante – das Protein ist kürzer oder länger, besitzt chemische Seitenketten, die für eine bessere Verträglichkeit oder Aufnahme in den Körper sorgen. Dadurch wandern die Proteine in der Elektrophorese unterschiedlich schnell und befinden sich auf der Membran damit an unterschiedlichen Positionen. Das Licht strahlt also an unterschiedlichen Stellen auf der Membran.
Ok, jetzt zur Massenspektroskopie (wie gesagt, da bin ich kein Profi...)
Hierbei wird die Probe zunächst ionisiert, dazu gibt es verschiedene Verfahren. Jedes Molekül zerfällt dabei in sehr spezifische Bruchstücke, die eine ganz bestimmte Masse aufweisen. Diese Bruchstücke werden dann beschleunigt und durch ein Vakuum geschossen. Je größer die Stücke, desto langsamer sind sie und desto später treffen sie auf den Detektor. Zerfällt ein Protein, zum Beispiel Epo nun also in zehn verschiedene Bruchstücke, so wird nach zehn verschiedenen Zeitpunkten ein Signal am Detektor aufgezeichnet. Dabei entsteht ein je nach Molekül sehr spezifisches Bild, das dann genau einer Ausgangssubstanz zugeordnet werden kann. Oder so ähnlich.
Abschließend kann ich noch ein wenig spekulieren, wie es zu unterschiedlichen Testergebnissen mit beiden Methoden kommen kann. Ich möchte aber wirklich noch einmal betonen, dass das hier ein reines Gedankenexperiment ist – ob es sich im Fall Karus so abgespielt hat, weiß (von uns) wohl niemand.
Falsch-positive Ergebnisse im Western Blot bzw. SAR-PAGE kenne ich aus meiner persönlichen Arbeit eigentlich nicht. Eher das Gegenteil. Es gibt 100.000 Gründe, warum ein Antikörper nicht bindet, warum ein Gel nicht richtig läuft, warum kein Signal detektiert werden kann. Aber um ein Signal zu sehen, obwohl das Protein nicht vorhanden ist, das ist schon schwer nachzuvollziehen. Die einzige Lösung, die mir so spontan einfällt, ist, dass das Epo-Gen von Karus irgendwo mutiert ist und deshalb ein modifiziertes Epo natürlich in seinem Körper vorkommt. Dieses könnte zufällig die Größe eines Epo-Präparates haben – allerdings hätte man das auch mittels Massenspektrometrie sehen müssen und natürlich auch in früheren Tests (wird er ja gehabt haben). Sonst können halt noch die gängigen Handling-Fehler passiert sein – Probe vertauscht, Chemie kontaminiert, Manipulation, ... Der negative Befund aus der Massenspektroskopie lässt sich eventuell damit erklären, dass mit dieser Methode schlicht nicht alle Präparate detektiert werden können, bzw. manche wohl nicht so sensitiv (vgl. Publikation von Reichel). Da ich nicht weiß, was genau bei Karus nachgewiesen wurde, wäre das zumindest eine plausible Erklärung.
Was mir vorher nicht bewusst war, ist, dass A- und B-Probe offenbar durch das gleiche Labor mit der gleichen Methode analysiert werden dürfen. Das halte ich für keine gute Idee – auch Menschen und Maschinen können systematische Fehler machen und so zu falsch-positiven Ergebnissen führen. An dieser Stelle sehe ich akuten Handlungsbedarf. Man stelle sich mal vor, ein Gerichtsverfahren würde von einem Richter entschieden werden, der Verlierer geht in Berufung und der Fall wird vor dem gleichen Gericht und dem gleichen Richter noch einmal verhandelt.
Einen guten Überblick zu diesen und weiteren, nicht so üblichen Testverfahren bietet übrigens eine Publikation von Christian Reichel von der österreichischen Dopingkontroll-Behörde:
Reichel C. Detection of peptidic erythropoiesis-stimulating agents in sport. Br J Sports Med. 2014 May;48(10):842-7.
Link: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24677025
Volltext: http://bjsm.bmj.com/content/48/10/842.long
Achtung: Da ich mich weder mit den Anti-Doping-Regularien noch mit dem Ablauf und Umfang der EPO-Kontrollen auskenne, kann ich hier ausschließlich mutmaßen und spekulieren. Ich kann lediglich versuchen, die Möglichkeiten und Limitierungen der Verfahren aus wissenschaftlicher Sicht zu beurteilen.
Zunächst muss man sich klar machen, dass es nicht DAS EPO gibt. Erythropoeitin, kurz Epo, wird in jedem Menschen ständig produziert und sorgt dafür, dass sich Blutstammzellen zu Erythrozyten, also roten Blutkörperchen, entwickeln. Diese sorgen dann für den Sauerstofftransport. Viel Epo = viel Sauerstoff = bessere Leistung, soweit die Theorie, die den meisten wohl noch bekannt sein dürfte. Es gibt diverse Krankheitsbilder (abseits von ungenügender Leistung eines Sportlers...), die eine Therapie mit Epo nach sich ziehen, größtenteils Tumorerkrankungen und damit verbundene Anämien. Weil es sehr viel leichter und ethisch verträglicher ist, Epo industriell herzustellen als aus echten Menschen zu gewinnen, und weil alle Pharmafirmen ein Stück vom Kuchen abhaben möchten, gibt es mittlerweile diverse verschiedene Epo-Präparate auf dem Markt. Eines haben sie allerdings alle gemeinsam: Ganz genau gleich mit dem körpereigenen Epo sind sie nicht. Und genau darin besteht die Möglichkeit, von außen zugefügtes Epo, also Doping, nachzuweisen.
Zuerst zur SAR-PAGE, der Kölner Methode:
Begriffserklärung: SAR ist kurz für Sarcosyl, ein Salz und entscheidender Bestandteil des Test-Gels. PAGE steht für (Achtung, Zungenbrecher...) Polyacrylamidgelelektrophorese, die eigentliche Methodik. Hier wird vereinfacht gesagt ein dünnes Gel (weniger als 1 mm dick), von der Konsistenz ähnlich wie Wackelpudding, mit der zu testenden Probe beladen. Das Gel ist zwischen zwei Plastik- oder Glasplatten eingespannt und steht hochkant, die Probe wird oben in eine Aussparung pipettiert. Nun wird eine Spannung angelegt. Durch den Strom wandern alle in der Probe enthaltenen Proteine, auch Epo, vom Minus- zum Pluspol. Je kleiner das Protein ist, desto schneller finden sie ihren Weg durch das Gel. Es erfolgt hier also eine Auftrennung der Proteine nach der Größe. Anschließend werden die Proteine auf eine Membran, eine Art Papier, wenn man so will, übertragen. Jetzt beginnt der eigentliche Nachweis: Ein sehr spezifischer Antikörper gegen den Epo-Bestandteil, der für die Wirkung verantwortlich ist, wird auf die Probe gegeben. Der Antikörper sollte nun sowohl am natürlich vorkommenden Epo als auch an zugeführten Präparaten binden. Als nächstes folgt die Inkubation mit einem weiteren Antikörper, der an den ersten (Anti-Epo)-Antikörper bindet. Dieser sekundäre Antikörper ist an ein Enzym gekoppelt, das, sobald sein Substrat hinzugefügt wird, für die Freisetzung von Lumineszenz sorgt. Ist also Epo in der Probe, bindet der Anti-Epo-Antikörper, an diesen der sekundäre Antikörper und nach Zugabe eines Substrats wird messbares Licht ausgestrahlt. Dieses kann über spezielle Kameras aufgezeichnet werden. Viel Protein geht dabei mit viel Licht einher. Nun muss noch zwischen eigenem und fremdem Epo unterschieden werden: Durch die synthetische Herstellung von Epo-Präparaten sind diese nicht exakt identisch mit der natürlichen Variante – das Protein ist kürzer oder länger, besitzt chemische Seitenketten, die für eine bessere Verträglichkeit oder Aufnahme in den Körper sorgen. Dadurch wandern die Proteine in der Elektrophorese unterschiedlich schnell und befinden sich auf der Membran damit an unterschiedlichen Positionen. Das Licht strahlt also an unterschiedlichen Stellen auf der Membran.
Ok, jetzt zur Massenspektroskopie (wie gesagt, da bin ich kein Profi...)
Hierbei wird die Probe zunächst ionisiert, dazu gibt es verschiedene Verfahren. Jedes Molekül zerfällt dabei in sehr spezifische Bruchstücke, die eine ganz bestimmte Masse aufweisen. Diese Bruchstücke werden dann beschleunigt und durch ein Vakuum geschossen. Je größer die Stücke, desto langsamer sind sie und desto später treffen sie auf den Detektor. Zerfällt ein Protein, zum Beispiel Epo nun also in zehn verschiedene Bruchstücke, so wird nach zehn verschiedenen Zeitpunkten ein Signal am Detektor aufgezeichnet. Dabei entsteht ein je nach Molekül sehr spezifisches Bild, das dann genau einer Ausgangssubstanz zugeordnet werden kann. Oder so ähnlich.
Abschließend kann ich noch ein wenig spekulieren, wie es zu unterschiedlichen Testergebnissen mit beiden Methoden kommen kann. Ich möchte aber wirklich noch einmal betonen, dass das hier ein reines Gedankenexperiment ist – ob es sich im Fall Karus so abgespielt hat, weiß (von uns) wohl niemand.
Falsch-positive Ergebnisse im Western Blot bzw. SAR-PAGE kenne ich aus meiner persönlichen Arbeit eigentlich nicht. Eher das Gegenteil. Es gibt 100.000 Gründe, warum ein Antikörper nicht bindet, warum ein Gel nicht richtig läuft, warum kein Signal detektiert werden kann. Aber um ein Signal zu sehen, obwohl das Protein nicht vorhanden ist, das ist schon schwer nachzuvollziehen. Die einzige Lösung, die mir so spontan einfällt, ist, dass das Epo-Gen von Karus irgendwo mutiert ist und deshalb ein modifiziertes Epo natürlich in seinem Körper vorkommt. Dieses könnte zufällig die Größe eines Epo-Präparates haben – allerdings hätte man das auch mittels Massenspektrometrie sehen müssen und natürlich auch in früheren Tests (wird er ja gehabt haben). Sonst können halt noch die gängigen Handling-Fehler passiert sein – Probe vertauscht, Chemie kontaminiert, Manipulation, ... Der negative Befund aus der Massenspektroskopie lässt sich eventuell damit erklären, dass mit dieser Methode schlicht nicht alle Präparate detektiert werden können, bzw. manche wohl nicht so sensitiv (vgl. Publikation von Reichel). Da ich nicht weiß, was genau bei Karus nachgewiesen wurde, wäre das zumindest eine plausible Erklärung.
Was mir vorher nicht bewusst war, ist, dass A- und B-Probe offenbar durch das gleiche Labor mit der gleichen Methode analysiert werden dürfen. Das halte ich für keine gute Idee – auch Menschen und Maschinen können systematische Fehler machen und so zu falsch-positiven Ergebnissen führen. An dieser Stelle sehe ich akuten Handlungsbedarf. Man stelle sich mal vor, ein Gerichtsverfahren würde von einem Richter entschieden werden, der Verlierer geht in Berufung und der Fall wird vor dem gleichen Gericht und dem gleichen Richter noch einmal verhandelt.