(16.09.2014, 16:04)lor-olli schrieb: Eines ist sicher definitv besser als in der "guten alten Zeit" - heute kann man ziemlich offen auch über eigene psychische Problem reden… früher bekam man diese oft erst mit, wenn eine Person Selbstmord beging. Das S.Braun ihre Geschichte nicht öffentlich gemacht hat passt ins Bild, heute gehen die meisten viel offener damit um und eine solche Phase bedeutet auch nicht automatisch das Karriereende!
Hoffentlich auch für Schirrmeister nicht, denn sein ganzes Potential ist doch nicht auf einmal "verflogen". Sollte es für seine Gesundheit besser sein keinen Sport mehr zu machen, sei's drum, aber ein paar Fälle die ich kenne, sind erst durch Sport (wenn auch nicht auf diesem Niveau) wieder auf die Füße gekommen.
Bei den sehr Introvertierten ist leider immer auch die Gefahr, dass die Außenwelt die Probleme nicht mal im Ansatz mitbekommt - bis es zu spät ist und nix mehr geht. Da kann man übrigens auch als Trainer drauf achten, wenn sich ein Athlet / eine Athletin plötzlich stark verändert…
Es ist manchmal auch besser, einfach eine Einheit wegzulassen, wenn man sich schlecht fühlt. Beate Peters hatte in der Hinsicht wahnsinnig gute Antennen. Sie hat mir sofort signalisiert, wenn die Schulter z. B. zu fest war und im Speerwurfbereich nichts ging. Wir sind dann auch schon mal in die Eisdiele gegangen. Es wurde keine Einheit absolviert, nur weil sie auf dem Trainingsplan stand.
In den USA wird der Umgang mit psychischen Problemen genauso wie mit jeder anderen Krankheit gehandhabt. Hier hatte das eine lange Zeit einen Makel. Es gibt eben Ausnahmesituationen, wo nur Hilfe von außen angebracht ist. Ein Athlet muss lernen, Grenzen zu ziehen, damit er nicht ins Abseits rutscht.
Das geht uns als Trainer/innen genauso. Ich habe damals auch keine Grenzen für mich gezogen. Ich habe 30 Jahre am Stück mit zweimal eine Woche Urlaub durchgearbeitet. Ich kannte kein Wochenende. An unserem Gymnasium war es ein geflügeltes Wort: "Lass Gertrud gewähren, sie ist ein Workaholic!" Ich habe damals manchmal in der Halle gestanden und habe gedacht: "Es kann doch nicht alles gewesen sein, nur in Hallen oder auf dem Platz zu stehen." Ich war aber nicht in der Lage, diesen Zustand zu ändern. Da hat mir ein DLV-Psychologe in einem einzigen Gespräch unheimlich geholfen. Ich erkannte auf einmal meine Schwächen ganz deutlich und habe mich von jetzt auf gleich umgestellt. Ich trenne mich heute sofort von Athleten, wenn sie mir nicht gut tun. Ich stecke heute nicht mehr mittendrin. Ich bin Betrachter von außen. Ich bin die Wegbereiterin meines Lebens, nicht die Athleten. Ich kann heute Menschen unglaublich gut einschätzen. Ich weiß, wenn bestimmte Leute anrufen und vorgeben, dass sie sich nach meiner Gesundheit erkundigen wollen, dass sie in Wirklichkeit etwas von mir wollen.
S. Schirrmeister braucht im Grunde einen Psychologen, der ihm Strategien für sein Leben aufzeigt. Es gibt natürlich auch Athleten, die der Doppelbelastung nicht gewachsen sind. Er muss genau analysieren, ob ihn die Zeitenge in diese Position getrieben hat oder vielleicht die Aneinanderreihung harter Trainingsprogramme. Sein Kopf sollte zunächst einmal gesunden und frei werden.
Gertrud