(05.11.2014, 18:16) Gertrud schrieb: Ja natürlich ist die Weite ein enorm wichtiges Kriterium. Die Weite korreliert mit der Abwurfgeschwindigkeit, die man ja erhöhen will. Das ist das Ziel.
Ich gehe davon aus, das das Richtige gemeint ist. So wie es hier steht, ist es aber etwas missverständlich formuliert. Es klingt so, als ob eine hohe Wurfweite ursächlich für eine hohe Abfluggeschwindigkeit ist. Man also die Wurfweite erhöht um eine größere Abfluggeschwindigkeit zu erhalten.
Ursache und Wirkung verhalten sich aber exakt umgekehrt. Will ich weiter werfen, muss ich eine höhere Abfluggeschwindigkeit erzielen. Darauf ist im Prinzip der größte Teil des Trainings im Wurf ausgerichtet (Technikoptimierung+konditionelles Training). Da die Wurfweite auch noch von anderen Parametern beeinflusst wird (Abflugwinkel, Lagewinkel, Aerodynamik, Luftwiderstand), ist die reine Wurfweite zwar ein guter Indikator für die Höhe der Abfluggeschwindigkeit, aber nicht immer der exakteste.
Die Höhe der Abfluggeschwindigkeit wird ausschließlich durch den auf das Gerät übertragenen Kraftstoß (Anlauf+Abwurf) festgelegt. Sobald das Gerät die Hand verlässt endet der Einfluss des Athleten. Für eine reine Entwicklung der Abfluggeschwindigkeit ist es daher tatsächlich unerheblich, welche Flugeigenschaften der Speer besitzt.
Allerdings ist zumindest in spezielleren Trainingsphasen die Form des Speers eine Einflussgröße. Es macht einen Unterschied, ob ich eine Kugel oder einen langen Gegenstand wie einen Speer beschleunigen muss. Die motorische Kontrolle und die Beanspruchung aktiver/passiver Strukturen ist hier eine andere.
Hinzu kommt, dass im Speerwurf (Diskus auch; Hammer/Kugel nicht) aerodynamische Eigenschaften eine recht hohe Rolle spielen. Diese kann ich (in Abhängigkeit der Windbedingungen) nutzen, in dem ich dem Gerät entsprechende Lagewinkel erteile (Abflugwinkel, Anstellwinkel, Verkantungswinkel). Stelle ich das geschickt an und "treffe" den Speer gut, kann ich eine höhere Weite erzielen, als eigentlich mit den dem Speer erteilten Abflugparametern (Geschwindigkeit, Winkel, Höhe) möglich ist. So kommt es mitunter zustande, dass Werfer mit geringerer Abfluggeschwindigkeit weiter werfen als Werfer mit höherer. Andersherum kann es auch zu einer geringeren als möglichen Weite kommen. Nämlich dann, wenn ich den Speer schlecht "treffe". In Zusammenhang mit den Weitenzuwächsen/-verlusten durch Aerodynamik spricht man auch von der aerodynamischen Güte eines Wurfs, die in der Regel prozentual angegeben und je nach Richtung mit einem positiven oder negativen Vorzeichen versehen wird. Gute Werfer liegen im positiven Bereich.
Was bedeutet das fürs Training?
Steht die Erhöhung der Abfluggeschwindigkeit im Fokus, egal ob durch den Einsatz leichter/schwerer Geräte oder dem Wettkampfgewicht, sind die Flugeigenschaften des Wurfgeräts vernachlässigbar bis egal. Wie der Speer sich in der Luft verhält besitzt keinen Einfluss auf die Bewegungen des Athleten, den realisierten Kraftstoß und damit die Abfluggeschwindigkeit. Allerdings ist die Form des Geräts ein wichtiger Faktor, der je weiter es in Richtung Saison geht, Beachtung finden sollte.
Geht es im Training darum den Speer richtig zu treffen, sprich (bei möglichst maximaler Abfluggeschwindigkeit) auch entsprechende Lagewinkel anzusteuern um die Aerodynamik positiv zu nutzen, dann sind die Flugeigenschaften entscheidend und sollten denen des Wettkampfgeräts möglichst nahe kommen. Schließlich bekommt man über die Betrachtung des Flugverhaltens eine Rückmeldung darüber, wie der Speer getroffen wurde. Stürzt er bereits nach wenigen Metern ab, entfällt diese wichtige Information.