[RalfM]

Die Besorgnis verstehe ich sehr gut. Das sind dann politische Entscheidungen. Ich selbst unterrichte an der Universität und habe als erster wieder an unsrem Standort einen Kurs in Anwesenheit genehmigt bekommen. Im September Geländekurs. Das sog. Hygienekonzept hat etwa 20 Seiten. Allen Beteiligten ist klar, dass dies nur Papier ist. Wir haben in der Geländegruppe zwei Impfverweigerer, die ein gemeinsamer Hausstand sind. Werden wir verkraften.

Ich denke, wir müssen uns einfach normal verhalten, so wie vorher.

[Atanvarno]

Wurde eigentlich schon mal irgendwo was gesagt, was passiert wenn trotz aller Impfungen wieder eine Krankenhausüberlastung droht? Dem Intensivregister ist zu entnehmen, dass es täglich zu einem Anstieg von 20-30 ITS Betten mit Corona Patienten kommt. Wenn dieser Trend anhält, sind die ITS im Oktober voll.

Schaut man sich die Deltaverläufe in anderen Ländern (Indien, GB, NL beispielsweise) an, ist es nicht unvernünftig anzunehmen, dass es einen relativ scharfen Spike und dann einen ebenso scharfen Abfall gibt. Die Kurvenläufe sind immer Gompertz-Kurven, nie exponentiell. D.h. die Annahme, dass es immer so weiterginge, ist Panikmache.
Das Infektionsgeschehen in den Schulen könnte man meiner bescheidenen Meinung nach vollkommen vernachlässigen. Kinder stecken sich selten an, erkranken seltenst schwer, die Erwachsenen, die sie angeblich gefährden, können sich impfen lassen.


Florida (ich hätte ja erwartet, dass mir das hier im Thread schon lange einer um die Ohren haut), sieht aktuell sehr schlimm aus. Aber nach Extrapolation kann man davon ausgehen, dass die Kurve Ende August beginnt wieder zu fallen. Bis dahin wird die Lage auf den Intensivstationen angespannt sein, aber es wird zu keinem Zusammenbruch des Gesundheitssystems kommen. Wir in Deutschland können die angespannte Lage eventuell durch die Weiterführung der bestehenden NPI ganz verhindern (obwohl ich mir da nicht sicher bin, im US-Bundesstaat Oregon explodieren die Zahlen aktuell trotz Maskenpflicht mit hoher Compliance).

Generell sollte man vieles, was über Impfdurchbrüche und nachlassende Impfwirkung geschrieben wird, nicht überbewerten. Die angeblich massiv fallende Wirksamkeit des Impfstoffs in Israel ist ein schönes Beispiel für Simpsons Paradoxon. Schlüsselt man das Ganze nach Altersgruppe auf, ist die Wirksamkeit weiter hoch.


Booster für nicht immunsupprimierte Personen sehe ich daher eher als Egoismus der 1. Welt, wenn immer noch große Teile der 3. Welt ungeimpft sind.

[Atanvarno]

Studie zur Wirksamkeit der Impfstoffe gegen Delta in Dänemark (dort werden nur Moderna und Biontech verimpft)
https://www.ssi.dk/aktuelt/nyheder/2021/...vaccinerne

Wirksamkeit gegen Hospitalsierung
Biontech 94%, Moderna 97%

Wirksamkeit gegen Infektion
Biontech 79%, Moderna 88%

Auch Astra-Zeneca (und damit vermutlich auch J&J, zu dem ich keine Studie gefunden habe) wirkt weiter sehr gut gegen Delta

Covid vaccines still effective against Delta variant
Dort zitierte Studie: https://www.ndm.ox.ac.uk/covid-19/covid-...ew-studies

Guter Thread zum Thema Israel/Simpson's Paradox
https://twitter.com/CT_Bergstrom/status/...6600688646

[Diak]

 

Das Infektionsgeschehen in den Schulen könnte man meiner bescheidenen Meinung nach vollkommen vernachlässigen. Kinder stecken sich selten an, erkranken seltenst schwer, die Erwachsenen, die sie angeblich gefährden, können sich impfen lassen.


Könnte man, wenn es keine Quarantäne mehr gäbe, mit Quarantäne ist die aktuelle Perspektive ständiger Ausfall für einzelne und Klein-/ Großgruppen und beständige Unsicherheit. Gift für Kinderseelen. Unser Gesundheitsamt hat gerade gesagt, dass nur sehr nahe oder keine Kontakte in Quarantäne müssen, dann geht's...

2. werden Schulen nicht nur von Kindern, sondern auch von Jugendlichen besucht, die haben kein nennenswert geringeres Long-Covid- Risiko als junge Erwachsene. 

Und: Schulen sind ungefähr der einzige Ort, an dem Menschen zum engen Nebeneinander gesetzlich verpflichtet sind. Bei unklarem Risiko gezielt durchseuchen ist da schon eine ethisch interessante Strategie

[RalfM]

Und: Schulen sind ungefähr der einzige Ort, an dem Menschen zum engen Nebeneinander gesetzlich verpflichtet sind. Bei unklarem Risiko gezielt durchseuchen ist da schon eine ethisch interessante Strategie


Du klingst mehr problem- als lösungsorientiert.
Ich wäre für klares Risiko.

[Atanvarno]

Interessante Studie zu Long Covid bei Kindern/Teenagern

Mental health of Adolescents in the Pandemic: Long-COVID19 or Long-Pandemic Syndrome?

there was no statistical difference comparing the reported symptoms between seropositive students and seronegative students. Whether the infection was known or unknown to the participant did not influence the prevalence of symptoms.

Generell hatte ich mich weiter oben ja schon zu Long Covid geäußert. Auch da gilt, je jünger, desto weniger schlimm und das umfasst auch junge Erwachsene.

[Atanvarno]

Bei unklarem Risiko gezielt durchseuchen ist da schon eine ethisch interessante Strategie

Es scheint einigen immer noch nicht ganz klar zu sein: Wir werden fast alle im Laufe unseres Lebens Covid-19 bekommen, die meisten vermutlich sogar mehrfach und das völlig unabhängig vom Impfstatus. Durchseuchung ist keine Strategie, sondern faktische Realität.

[Diak]

Es scheint einigen immer noch nicht ganz klar zu sein: Wir werden fast alle im Laufe unseres Lebens Covid-19 bekommen, die meisten vermutlich sogar mehrfach und das völlig unabhängig vom Impfstatus. Durchseuchung ist keine Strategie, sondern faktische Realität.

richtig, das habe ich nicht berücksichtigt. Ob "völlig unabhängig" vom Impfstatus scheint mir noch nicht ganz so klar, und für die (bei jungen Menschen meist milde) Krankheitsschwere ist der Impfstatus natürlich relevant, ob für das Long-Covid-Risiko auch, ist aus meiner Sicht auch noch nicht klar.


Du klingst mehr problem- als lösungsorientiert.
 

stimmt auch, sry, aber versprochen: nur hier und jetzt. Darüberhinaus werde ich weiterhin sehr gern jeden Tag positiv und ermutigend auf diese jungen Menschen zugehen und sie begleiten. Es geht mir wirklich sehr nah zu erleben, dass viele Jugendlichen die Klimalast der Welt auf ihren Schultern fühlen, die wissen, dass sie massive Probleme lösen und ertragen müssen, die wir ihnen hinterlassen und die dabei täglich vorgeführt bekommen, wie vielen Entscheidungsträgern das scheißegal ist.
Diese jungen Menschen haben zusätzlich eineinhalb Jahre Rücksicht auf genau die Alten genommen, die im Schnitt in der Klimafrage keine nennenswerte Rücksicht auf die Lebensbedürfnisse und Menschenrechte der kommenden Generation(en) nehmen. Sie haben auf elementare Bedürfnisse (Sex, Drugs, Rock 'n Roll, Klassenfaht, die älteren werden sich erinnern) verzichtet und erleben jetzt erneut, dass die Frage, wie wir unter den Bedingungen verlässlich Schule gestalten können kaum eine Rolle spielt. Sie haben verdient, dass wir Rücksicht auf sie nehmen und mit weiteren Öffnungsschritten darauf warten, dass in 6-10 Wochen nach der jetzt erfolgen StiKo-Empfehlung alle die Impfgelegenheit hatten.

"Meine" Schüler:innen und Athlet:innen schaffen das meist gut, aber die Kinder- und Jugendpsychiatrien laufen noch viel schneller über als ohnehin schon, führte man da ein Bettenregister wäre nie eines frei.

Das klingt jetzt vorwurfsvoll, ist dabei nicht persönlich gemeint, schon gar nicht an Euch, ich verstehe Eure Position, es wäre nur schön wenn wir alten Säcke ein bisschen besser hinschauen würden, was die Menschen brauchen, die alle die Probleme lösen sollen, die wir so produzieren...

[Atanvarno]

Das macht mir manchmal ein wenig Sorgen, dass diese junge Generation so verdammt verantwortungsvoll ist und das alles so hinnimmt. "Wir" hätten uns das damals nicht bieten lassen (andererseits sehe ich bei meinen Dauerläufen aber auch, was in abgelegene Waldhütten, einsamen Parks und auf schwer einsehbaren Parkplätzen abgeht, das gibt mir wieder etwas Hoffnung).

Sie haben verdient, dass wir Rücksicht auf sie nehmen und mit weiteren Öffnungsschritten darauf warten, dass in 6-10 Wochen nach der jetzt erfolgen StiKo-Empfehlung alle die Impfgelegenheit hatten.

An mir soll's nicht scheitern

[RalfM]

Das macht mir manchmal ein wenig Sorgen, dass diese junge Generation so verdammt verantwortungsvoll ist und das alles so hinnimmt.


Mir geht das oft ähnlich. In Vorlesungen, die ja eigentlich fachwissenschaftlich sind, schweife ich an geeigneten Stellen auch mal ins allgemeine ab und mache auch provozierende Bemerkungen. Ich merke dann, dass sich einige darüber freuen. Früher ("unsere Zeit") wäre es umgekehrt gewesen. Da hatten die Jungen provoziert.
Andererseits gefällt es mir, wenn manchmal nach so einer Veranstaltung sich bei mir bedankt. Mir wäre es als Student nie in den Sinn gekommen, mich beim Professor nach der Vorlesung zu bedanken.
Natürlich müssen wir altersübergreifend solidarisch sein. Impfgelegenheit hat doch jeder. Wir müssen endlich mal weg von dem Thema. Die Folgen der Krankheit sind real, die Folgen der Pandemieängste und der ganzen Nebeneffekte in Familien sind es aber auch. Die letzteren sind inzwischen gravierender.