05.09.2023, 14:05
(05.09.2023, 13:26)Diak schrieb: Kommen wir doch zurück zum Grundsätzlichen, ich fand den Beitrag schon interessant, als ich ihn auch noch falsch verstanden hatte =) Man muss das nicht pathologisieren, aber es lohnt festzustellen, dass wir Leute fördern müssen, die das haben, was Du primäre Energie nennst. Den Begriff kannte ich nicht, glaube aber zu verstehen, was Du meinst und sehe durchaus, dass ein sehr hohes Maß dieser Energie ins neurotische kippen kann und das durchaus auch leistungsförderlich ist.Das was du "richtig Bock" nennst, ist oft von der Primärenergie geprägt. Und damit intrinsisch wahr. Mit solchen Athleten zu arbeiten, macht natürlich Spaß. Nur gelegentlich kommt es vor, dass es sich dabei schon um ein Kompensationsmuster ("sekundäre Prozesse") handelt. Starke, erstmal begeisternde Außenwirkung kann durchaus auch schon Ursprung in neurotisch verursachter, psychopathisch er Charakterstruktur haben. Dann jedoch wird es schwierig mit der optimalen Leistungsentwicklung, da dann z.B. die Selbstreflexion und Kritikfähigkeit und überhaupt der Zugang zum eigenen Kern leidet.
Ich versuche es mal mit einem anderen Bild. Wenn ich mit talentsuchendem Blick jugendliche angucke, dann gucke ich auf schnelle Füße, gute anthropometrische Voraussetzungen, und ich gucke in die Augen. Das mag pathetisch sein, aber viele derer, aus denen was wird, die haben dieses Leuchten, diese Begeisterung, unbedingte (?) Bereitschaft, sehr kurz: die haben richtig Bock. Ich bin zu den körperlich talentierten und anders motiviert eifrigen auch nett und sie dürfen mitmachen. Aber mein Fokus als Trainer gilt denen, die richtig Bock haben. Die werden häufig besser, als ihr körperliches Talent annehmen ließ. Mit denen zu arbeiten, macht unheimlich Freude, sie fordern mich heraus, an ihnen wachse ich und werde ein besserer Trainer. Die fragen sich eben nicht, ob sie damit Kohle verdienen können und trotzdem genug Sex, Drugs and Rock'n Roll bekommen. Die finden Lösungen für komplexe Studiensituationen. Die sind nicht satt, weil sie mal ne Medaille gewonnen haben oder international gestartet sind. Die wollen die beste Version ihrer selbst werden und erkennen, dass ich ihnen dabei helfen kann.
Auf die Gefahr hin, ständig mein Nischenthema zu setzen: Dieses Leuchten testet sich schlecht im 3er-Hop. Aber wenn ich mit 3 erfahrenen Kolleg:innen in der Halle bin, dann sehen wir es empirisch sehr sicher bei den gleichen Leuten und oft haben wir recht. Und falls wir unrecht haben, haben wir trotzdem coole Leute gefördert. Im Hockey läuft das so: 3 Trainer gucken ein Sichtungstraining, jeder hat (ich glaube einen) Joker. Wenn der sagt, ich will diese Spielerin im Kader, ist egal, wie viele Tore die geschossen hat und was die 30fliegend läuft, sie ist dabei. Es ist auch egal, was die anderen beiden sagen. Diesem Trainer wird vertraut, dass er das Auge hat. Hockey unterliegt dem gleichen schwachsinnigen DOSB-BMI-Förderunsinn. Die arbeiten mit lauter Richkids, die satt ohne Ende sein müssten. Und sie sind im Sommer Weltmeister geworden.
In diesem gesamten Themenkomplex ist es mE noch schwieriger prophylaktisch zu arbeiten als im Bereich der direkten körperlichen Ebene (Verletzungsvermeidung). in der Regel fällt das Kind hier erstmal in den Brunnen, insbesondere in unseren materialistisch geprägten Gesellschaftststrukturen. Und dort wird es dann auch noch für längere Zeit mit einem massiven Deckel verschlossen. So lange bis das (innere) Kind so laut schreit, dass es nicht mehr überhört werden kann. .
Ein Versuch könnte es aber mal wert sein....