04.02.2020, 20:56
(04.02.2020, 05:40)Gertrud schrieb: Ich suche nach Abgrenzung von Termini, wie sie in der LA gebraucht werden:Die Mechanik liefert hier eigentlich erstmal eine klare Abgrenzung.Spannung ist definiert als Kraft pro Querschnittsfläche (Einheit N/mm^2). D.h. die Spannung in einem Muskel hängt nur von der äußeren Last und der Geometrie (Muskelquerschnitt) ab. Spannung ist daher auch immer eine lokale Größe und beschreibt nichts anderes als die Beanspruchung von Strukturen. Hohe Spannungen sind nicht gleichbedeutend mit hoher Leistungsfähigkeit.
DIfferenzierung zwischen Muskelspannung und Muskelstiffness. Die Stiffness wird in der allgemeinen Definition als in der Spastik vorkommend definiert. Das ist aber nicht der Gebrauch in der Leichtathletik von stiffness. Ich bin darauf durch ein besonderes neueres proxybasiertes Verfahren gekommen.
Gertrud
Stiffness, oder Steifigkeit, hingegen ist definiert als Kraft pro Verformungsweg (Einheit N/mm). Sie ist damit im Gegensatz zur Spannung eine material- und eine geometrieabhängige Größe. Lange dünne Strukturen sind weniger steif als dicke kurze Körper. Steifigkeit kann im Unterschied zur Spannung auch für ganze Systeme wie dem menschl. Körper angegeben werden.
Soviel zur Theorie. In der Praxis werden die Begriffe häufig vermischt. Zum Beispiel spricht man vom Muskeltonus, bzw. -spannung und meint eigentlich viskoelastische Eigenschaften eines Muskels, also eher eine Steifigkeit. Noch viel schwerer die Begriffe zu definieren, macht es die Tatsache, dass der menschliche Körper kein passives System ist, sondern, solange man nicht tot ist, auf jede äußere Kraft mit der Erzeugung einer aktiven Kraftkomponente reagiert, bewusst oder reflektorisch gesteuert. Diese aktive Kraft muss immer der rein passiven Reaktionskraft überlagert werden. Daher sind hier mE die Grenzen der Definition des Begriffes Steifigkeit erreicht. Hier spielen weitere Faktoren wie Qualität der neuronale Sensorik und Ansteuerung, Energiebereitstellung, Muskelerwärmung, inter- und intramuskuläre Koordination etc. etc. eine Rolle.
Wie wenig bedeutend die Steifigkeit im ursprünglichen Sinne, sozusagen als reine Materialeigenschaft der Muskeln, für die LA ist, kann man sich schnell verdeutlichen, wenn man mal von einem Stuhl runterspringt und (sofern das überhaupt geht) ohne aktive Kontraktion nur passiv wieder abheben will…. Das geht schmerzhaft in die Hose und der reaktive Höhengewinn ist sehr gering. Es geht also vielmehr um die Beschreibung der o.g. aktiven Einflussfaktoren auf die Muskelleistung. Der Begriff Stiffness ist hier aber mE ziemlich irreführend. Man kann mit einer hohen Steifigkeit der Muskulatur furchtbar unreaktiv springen oder laufen, während es auch Typen mit physiologisch weicher Muskulatur gibt, die sehr reaktiv sind.
Solange wir diese Diskussion führen, sind wir flächendeckend leider weit davon entfernt, diese Zusammenhänge zu durchdringen, auch wenn Gertrud schon auf einem sehr guten Weg zu sein scheint
Klärt mich gerne auf, aber gibt es denn eine vernünftige Beschreibung menschlicher Bewegungen unter Berücksichtigung der passiven Eigenschaften und der neuronaler Ansteuerungen?
Gruß, Rainer