(30.06.2014, 19:59)Flitzer schrieb: BEI GEBEUGTEM KNIE GEHT DIE DEHNUNG MEHR AUF DIE SEHNE SELBST STATT AUF DIE WADE UND DAS IST JA AUCH DER SINN DER ÜBUNG.Das ist nicht ganz richtig!!! Es stimmt, dass die Dehnung bei gebeugtem Kniegelenk mehr in Richtung Fersenbein und bei gestreckten Bein mehr in Richtung Kniegelenk geht. Es ist aber nicht einmal die Sehne und einmal die Muskulatur hinsichtlich Dehnung betroffen, sondern dehnungsmäßig bei beiden Arten die Achillessehne in den verschiedenen Sehnenanteilen, die unterschiedlich lang sind. Es gibt dazu noch ein Paradoxon im Stand anterior-posterior z. B. in der Oszillation nach vorne im oberen Sprunggelenk in der Dorsalflexion bei Dehnung der Achillessehne, aber Kontraktion der Muskulatur (!) und bei Plantarflexion umgekehrt.
Ich habe insgesamt den Eindruck, dass absolute Ratlosigkeit bei vielen Trainern in der Problematik besteht, weil die Anzahl der Geschädigten schon große Ausmaße betrifft. Ich habe mehrfach versucht, bei Fortbildungen den Fokus auf die wesentlichen Dinge zu legen - vergebene Liebesmühe!
Verletzungen der Achillessehne treten meistens in einem bestimmten Teil auf, weil die Dehnungen oft in den Anteilen unterschiedlich stark und somit asymmetrisch erfolgen und weitgehend von gewissen Strukturstellungen dominiert werden. Zudem sind normalerweise die einzelnen Anteile kräftemäßig bei Normalmaß schon sehr unterschiedlich aufgrund der Volumina. Schmerzen bei Zugbelastungen entstehen meistens durch Neovaskularisierung. Zudem ist die „Kordelung“ der Anteile wichtig, wobei sie nicht parallel und gleichmäßig verteilt sind. Die Frage der Achillessehnen-Verletzungen ist total individuell zu sehen und verzeiht keine Verallgemeinerung und auf Dauer keine Fehler über einen langen Zeitraum. Bei einem Zuviel und/ oder einer falschen Ausrichtung verändert sich die Konsistenz der Mukopolysaccharide, worunter die Gleitfähigkeit leidet. Achillessehnenreizungen bis hin zur Haglundferse sind meistens Trainingsfehler. Die Achillessehne „knallt“ oft ohne Vorboten, weil sich der Kollagentyp klammheimlich ohne Sicht von außen ins Innere in den schwachen Typ III verwandelt hat. Wer dieses Detailwissen nicht hat, sollte heutzutage die Finger im Topbereich von Sprint-, Sprung- und vor allem auch Kraftübungen für diesen Bereich lassen, weil mehr geschädigt wird, als man gut macht. - Natürlich kann eine Achillessehne auch reißen, wenn bei Sprüngen die anteriore tibiale Struktur nicht ausreichend innerviert und beim Fußaufsatz der lasch hängende Fuß plötzlich an der Achillessehne überdimensional gedehnt wird. Das ist eine ähnliche Situation, als wenn man mit dem Vorfuß auf den Rand eines tiefen Loches tritt oder springt. Diese Längenausreizung hält meistens keine Achillessehne aus. Wenn dann aber schon ein Achillessehnen-Kollagenumbau stattgefunden hat, knallt es natürlich viel eher.
Hochspringer/innen sind durch die jahrelange teilweise sehr starke Überpronation im letzten Teil des Anlaufes stark gefährdet. Hier findet dann oft eine Überpronation in Millisekunden statt, wobei vor allem die bereits schwache Achillessehne nicht standhält. (Schaut euch bitte bei J. Williams den Absprungfuß - WM in Daegu - youtube an – Überpronation hoch x gegen unendlich!!!) Man kann nur von Anfang an auf technische Elemente wie den Fußaufsatz z. B. achten, der bei Heike Henkel (Kompliment an Gerd Osenberg!!!) vorbildlich verlief. Know How bei den Trainern und Akribie bei den Athleten sind absolute Voraussetzungen für ein verletzungsfreies „Überleben“. Ich habe selbst ein konzeptionelles Paket nach eingehender Analyse für meine Arbeit als Trainingsgrundlage in sehr zeit- und denkintensiver Arbeit entwickelt und kann somit auf sehr individuelle Besonderheiten prophylaktisch reagieren.
Die hohe Rate beim Marathonlauf hat noch ganz andere Gründe (natürlich u.a. auch Beeinträchtigungen durch Schräglage auf Straßen) im orthopädischen Bereich, auf den ich hier nicht näher eingehen möchte, weil es den Verständnisrahmen und den Platz durch Spezialtermini, die zur Erklärung notwendig wären, sprengt.
Ich habe insgesamt den Eindruck, dass wir orthopädisch früher robuster waren, wenn ich uns mit heutigen SuS vergleiche. Bei den damaligen Athletinnen haben sich zur Aktivenzeit relativ wenige Sportverletzungen rekrutiert. Mir ist aus meiner Zeit kein Morbus Schlatter bekannt, der heute im SuS-Bereich sehr häufig vorkommt. Es gibt fast keine/n SuS ohne Befund in jungen Jahren. Schlechte Ernährung und PC-Einfluss sind sicherlich keine Garanten für gutes Bindegewebe. Zudem fehlen flächendeckende, frühzeitige Kontrollmechanismen junger SuS im orthopädischen Bereich, wie es sie früher mal auf zahnmedizinischem Gebiet gab. Ich bringe mich bei meiner LA-AG ganz stark zunächst in die „Reparatur von Strukturen“ ein. Aufgesetzter Leistungssport kann, muss aber nicht verletzungsträchtig sein, wenn man frühzeitig Gegenmaßnahmen entwickelt. Es ist menschlich, dass einem als Trainer/in Fehler unterlaufen können. Unfehlbar ist keine/r!!! Es gibt auch verdeckte Formen von potentiellen Verletzungen, die unserer Außenansicht zunächst verborgen bleiben. Man kann Anomalien z. B. im Beckenbereich von außen oft nicht erkennen und nur durch Spezialübungen und -griffe orten. Dieses Know How haben Trainer aber ganz selten. Entscheidend sind der Wille und das Wissen zur Reduzierung offensichtlicher Schwächen im System bei den ersten Anzeichen. Man kann aber gerade bei der Achillessehnenprophylaxe eine Menge tun.