(11.11.2015, 18:20)Knueppler schrieb: … Alles schon selber erlebt.
Da ich in den späten 70ern und Anfangs der 80er Zehnkampf gemacht habe, begleitet mich das Thema seit dieser Zeit. Soll ich schreiben, dass ich "zum Glück" nur ein 7000-Punkte Mann war, in einer Zeit wo es viele 8000er in D gab? Ich habe miterlebt, wie leistungsgleiche Konkurrenten plötzlich "Muskeln machten", aber im Gegensatz zu anderen gab ich mich nicht der Illusion hin, dass ich auf diese Weise "Spitze" würde. Es dauerte auch nicht lange und man sah die ersten Folgen - Muskelrisse, Leberversagen, sogar Akne, die in einem Fall einen langen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte (Sepsis…) und mehr.
Wozu der Exkurs? Es zeigt, dass wir es hier mit einem Jahrzehnte altem Problem zu tun haben. Ganz ehrlich glaube ich, dass im Grunde der Wille fehlt dieses Problem RICHTIG auszumerzen - dazu reicht es wenn nur 20% (Athleten, Trainer, Funktionäre, Politiker) diesen Willen nicht aufbringen wollen, um den ganzen Versuch zu torpedieren. Es bildeten sich Seilschaften, die noch heute funktionieren (andere Protagonisten, logisch), die immer noch viel Rückhalt genießen (bei Verbänden, Politikern, Zuschauern) weil sie "Medaillen bringen" - nur erwischen lassen darf man sich nicht . (Ganz Unbelehrbare jubeln auch heute noch Lance Armstrong zu, geht's noch?)
Eines der Hauptprobleme ist das viele Geld, denn bei der Frage "Gewissen oder Kohle" gibt es zu häufig einen ewigen Verlierer. Verschärft wird die Situation, wenn Sportler aus der Not (finanziell, existenziell) heraus handeln und es gibt sicher welche, die mit schlechten Gewissen dopen, aber sich im Zweifel für das "Überleben" entscheiden (überspitzt formuliert, gemeint ist das finanziell bessere Überleben).
Warum also jetzt Russland "rausschmeißen" und wer fordert das? Zufall ist es sicher nicht, denn auch andere Länder haben Skandale, aber politisch ist es derzeit opportun… Zugegebener Maßen hat Russlands Leichtathletik ein Dopingproblem, sie stehen jedoch nicht allein da und von anderen "Rausschmissen" habe ich bisher nichts gehört. Unterschlagen sollte man auch nicht, dass Russlands Athleten überdurchschnittlich häufig erwischt wurden! Warum? Da kann man nur spekulieren, dass die besseren Analyseverfahren mit den älteren Dopingpraktiken besser "zurecht kommen". Glaubt jemand, dass es andernorts völlig sauber zugeht, oder "vermuten" wir nicht in der Mehrheit, dass z.B. neue Dopingtechniken (Designerdrogen, Mikrodoping, gentechnische Erzeugnisse) überwiegend in den pharmazeutisch hoch entwickelten Staaten (Europa, USA und andere) anzutreffen sind / wären - die russische Pharmaindustrie ist immer noch im Umbruch, staatliche Labors zur gezielten Dopingforschung kosten richtig Geld (Balco z.B. hat einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet und die Finanzierung ist nie völlig aufgeklärt worden, die privaten Beteiligungen deckten diese Summe nicht).
Nichts desto trotz bin ich dafür, dass gehandelt wird, auch mit lebenslangen Sperren und der Rückforderung aller Siegprämien. Aber dann bitte für alle "Erwischten", auch Trainer und Funktionäre. Im Fußball will man sich sogar an die "Lichtgestalt" heran wagen