(10.11.2015, 22:21)icheinfachma schrieb: Ein ganz anderer Schuh wird es jedoch, wenn man das Training mal unter dem verletzungspräventiven Aspekt sieht. Da kann der Unterschied zwischen Mainstream und sportorthopädisch wohlüberlegtem Training mitunter die Zukunft einer Karriere zerstören / retten oder wenigstens über eine ganze verpatze Saison entscheiden. Mir fallen da einige Beispiele für die Prävention ganz typischer leichtathletischer Verletzungen ein, die aber in meinem näheren Umfeld nicht angewandt werden. Wäre ich kein begeisterter Hobby-Pianist, würde ich meine Hand ins Feuer legen, dass die mir bekannten Trainer und Leichtathleten erst dann bestimmte Änderungen im Training vornehmen würden, wenn sie eine Verletzung erleiden, also immer erst, wenn was passiert. Und viele Sachen zur Prävention sind auch nicht weithin bekannt, schade eigentlich. Aber auch ein bisschen selbstverschuldet.
In der Denkweise sind wir beide ganz nah beieinander. Bei der letzten Fortbildung vor kurzer Zeit in Mainz stand das Thema Sehne und Stiffness auf dem Programm, was sicherlich eine große Berechtigung hat, genau hinterfragt und analysiert zu werden. Es ist aber nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus dem Katalog von Gründen für Sehnenverletzungen. Die so genannten spontanen Sehnenrisse sind bei näherer Betrachtung gar nicht so spontan, nur eben nach außen nicht sichtbar, aber "intrinsisch" meistens lange vorhersehbar. Durch diesen Tatbestand begehen wir die meisten Fehler, weil sie zum Schluss wie ein Hammer kommen. (Ich vergleiche das immer mit den Examina im Jurastudium, wo man ohne Zwischenexamina erst zum Schluss das Nichtkönnen präsentiert bekommt.) Das Thema ist so vielschichtig und wenig präsent bei Trainern in der Anwendung. Mich interessiert stark der Bereich akkurater Technik unter funktionellen und damit präventiven Gesichtspunkten. Viele Aussagen, die so kursieren, dürfen einfach nicht ungeprüft übernommen werden.
Immer wieder hört man z. B. von einem bestimmten gesunden Kraftverhältnis vorderer zu hinterer Oberschenkelmuskulatur und übersieht dabei ganz, dass man in diesem Fall nicht genau Agonisten zu Antagonisten vergleicht, weil die eine Muskulatur vornehmlich die Hüfte und die andere vornehmlich das Knie betrifft. Was uns oft zur Prophylaxe fehlt, ist Präzision in der Aussage und damit folgend die präzise Anwendung. Genauso muss ich immer lächeln, wenn man die Ganzkörperübung Reißen für adäquat hält. Sie ist gewichtheberisch adäquat, aber keineswegs leichtathletisch. Es gelingen uns auch viele Dinge noch nicht, weil uns einfach die gezielten Forschungen fehlen. Letztens habe ich einen Artikel irgendwo über Muskulatur gelesen, in dem davon die Rede war, dass sich Hypertrophie innerhalb eines Muskels ganz unterschiedlich und meistens marginal ausbreite. Da schließen sich aus meiner Sicht Fragen an, wo die Hypertrophie prophylaktisch am meisten gebraucht wird und durch welche gezielten Übungen ich den gewünschten Effekt erzielen kann. Das sind natürlich Fragen, die weit über das normale Ziel hinausschießen, aber doch sehr ans "Eingemachte" gehen. Das präzisiert dann natürlich auch eine gezielte Intervention der Übungsauswahl und -durchführung.
Gertrud