17.08.2025, 12:42
(17.08.2025, 11:50)mariusfast schrieb: Du sugerrierst halt mit deinem oberen Fazit, es sei belegt, dass der Unterricht an EdS schlechter sei.
überhaupt nicht. Das wäre ja auch völlig absurd. Ich hab überhaupt nichts gegen EdS und die Kollegen dort, Atanvarno vermutlich auch nicht, zumindest habe ich nie derartiges von ihm gelesen. Es geht um strukturelle Fragen. In Deutschland wird das Narrativ genährt, frühe Zentralisierung an Eliteschulen und Stützpunkten wäre der einzige Weg. Dieses System kostet den Steuerzahler jährlich hunderte Millionen Euro und die vielfachen empirischen Belege für sein weitgehendes Scheitern werden ignoriert, polemisiert oder durch anekdotische Pseudoevidenz vermeintlich widerlegt.
Du nennst richtige Aspekte, die für die Aufrechterhaltung von Teilen des Systems sprechen:
- es Bedarf Schulen, die auf die besonderen Bedarfe von Leistungssportler:innen Rücksicht nehmen und diese unterstützen. (das darf rechtlich übrigens nicht in Form von Vergünstigungen erfolgen, sondern nur von Nachteilsausgleichen. Es heißt deswegen nicht Nachhilfe, sondern Nachführunterricht. Wenn dann bei den Sportschülern die nötigen Punktzahlen im mündlichen Abitur schon mit Bleistift in den Protokollen stehen, dann entspricht das nicht ganz der Idee der Gleichberechtigung)
- es Bedarf schulischer Angebote für schulisch schwächere Leistungssportler
- es Bedarf Internate für Talente aus strukturschwachen Räumen, die regional kein adäquates Angebot bekommen.
- es Bedarf der Zentralisierung im Wintersport dorthin, wo Schanzen, Eiskanäle und Kunstschnee sind. Ein kompetenter Trainer kann Leichtathletiktalente in fast allen Disziplinen mit rudimentärsten Bedingungen entwickeln. Häufig sind schlechte strukturelle Voraussetzungen sogar gute Prädikatoren für langfristigen Erfolg (das könnte ich jetzt auch nur anekdotisch bzw. logisch begründen, von Empirie weiß ich hier nichts)
All das ginge auch sehr viel schlanker und billiger. Unterhalte Dich mit Sportschülern und frag sie, wie vielen Mitgliedern ihrer Sportklassen sie echtes sportliches Potential zuschreiben (die schätzen verdammt gut)
Du fragst zurecht nach Gründen, warum das System scheitert. Hier eine kurze Auswahl:
1) es beschäftigt zu viele Trainer, die sehr gut darin sind, kurz- und mittelfristig erfolgreich zu sein und belohnt sie dafür. Wir brauchen aber eine langfristige Leistungsentwicklung
2) es fördert große und in der Tendenz unpersönliche Strukturen. Leichtathletik ist Indivdualsportart, das Individuum kann in so großen Systemen nur in Ausnahmefällen angemessen gesehen und berücksichtig werden. (Wenn Du ernsthaft interessiert an dem Thema bist, beschäftige Dich mit den Arbeiten von Prof. Timo Stiller. Er hat für seine Habil Weltklasseathleten aus dem System befragt, alle sagen das gleiche: "das System hat alles für meinen sportlichen Erfolg getan [und war gut darin!], aber es hat mich nie jemand gefragt, was ich eigentlich brauche")
3) es scheitert meist an der Kooperation mit den Verbänden und Trainern (und benennt widerum jene als verantwortlich dafür, ich vermute oft zurecht)
4) es setzt Familien durch die mit ihm verbundenen narrativen Strukturen (nur so wird es was) unter Druck, bestehende und gelingende Systeme zu verlassen, sehr oft mit hohen Kosten (Einsamkeit, Ernährung) verbunden.
5) es fußt selten auf einer fundierten Talentsichtung
6) es investiert insofern ohne Ende Ressourcen in Athlet:innen ohne Perspektive
Vergleichst Du unser Schulsystem mit dem Collegesystem oder dem Highschoolsystem? Letzteres ist doch völlig anders aufgestellt als bei uns???
Ständiges Wiegen macht die Sau nicht fetter.