(07.12.2024, 17:31)aj_runner schrieb: Harald Hudak war für mich immer ein wenig ein Phantom und viel mehr als das Rennen in Koblenz. Als ich Mitte der 1980-iger Jahre als Schüler die ewige Kreisbestenliste auf einer Kopie gesehen habe, da konnte ich nicht glauben, wie schnell man als Schüler / in der Jugend laufen konnte. Er hatte die Kreisrekorde auf unantastbare Ebenen gehoben:
Mit 14 - 2:38 über 1.000 m, mit 16 - 1:52 über 800 m und mit 17 bzw. 19 3:45 und 3:40 über 1.500 m. Den dt. B-Jugend-Rekord über 1.000 m hält er immer noch.
Es wurde gesagt, dass er bereits mit 16 zwei Mal am Tag trainiert hatte. Den Weg zu den Wettkämpfen in die Nachbarorte hatte er zum Ein- und Auslaufen genutzt.
Viele Jahre später als sein Sohn aktiv war, hatte ein Freund von mir mit Harald Kontakt, begleitete ihn zu DMs. Meine Mutter hat ihn dann vor zwei Jahren bei einem Ehemaligen-Treffen des TV Mühlacker getroffen.
Persönlich hatte ich leider nie die Gelegenheit, ihn kennenzulernen. Das Training von damals ist sicherlich nicht mit dem von heute zu vergleichen. Er hatte auch viele Verletzungen. Das Was-Wäre-Wenn geht mir dabei immer durch den Kopf.
67 ist kein Alter – R.i.P. Harald!
Erst einmal finde ich Menschen wie dich, die mehr als üblich reflektieren, sehr gut. Man kommt auch nur so weiter und dringt in die vielleicht noch verborgenen Geheimnisse ein. Es kommt auf Individualität und Reaktionen des Körpers auf Belastungen vor allem in jungen Jahren an. Was verträgt sich gesund???
Ich arbeite immer noch in einer LA-AG im Gymnasium und biete immer wieder neue Programme an. Kinder sind enorm belastbar. Sie können fast unbegrenzt "herumtoben". Entscheidend beim Kinder- und Jugendtraining sind die Inhalte. Diese "Knallerprogramme" sollte man in der Zeit nicht übertreiben. Ansonsten können sie z. B. zwei Stunden mit Turnen... verbringen. Entscheidend ist auch, dass das Training sehr abwechslungsreich ist. Das heißt, dass der Übungsleiter/ Trainer über eine enorme Übungsvielfalt verfügen sollte und die Strukturen rundum fördern und fordern sollte. Ich schiebe immer mal wieder strukturelle Programme für Füße, Schultern, Atmungsorgane... ein, die Schwachstellen meistens zur Peripherie hin schulen. Die Körpergebiete zur Peripherie hin unterliegen mehr den Schnelligkeitsbereichen und sind somit enorm anfällig. Dagegen sollte man Programme installieren. Wenn man mit den Füßen im Sand krabbelt, erzeugt man Hammer- oder Krallenzehen, aber keine "Werkzeuge" für absolute Bodenkontaktgeschwindigkeiten. Das würde einer oberen Belastung mit einem Luftballon entsprechen. Solche Dinge gehören absolut in die Trainerausbildung und autodidaktische Arbeit. Die Frage in jungen Jahren ist immer wieder: "Was ist adäquate Belastung???"
Wenn die Post bei Internationalen abgeht, sollten die AuA geschmeidig und strukturell vorbereitet sein. Dann vertragen sie auch die harten Disziplinprogramme. Das ist unser Dilemma bei den sehr guten Jugendleistungen, wobei viele AuA im Erwachsenenalter von der Bildfläche verschwunden sind. Wir sollten und müssen in dem Bereich ganz andere Programme fahren und nicht nach dem kurzfristigen Erfolg schielen.
Eine andere Sache: Ich befasse mich sehr viel mit gesunder Lebensverlängerung, die meistens kontraproduktiv zum Leistungssport ist. Da geht es um Schlaf, kaum Stress, Langsamkeit, Ernährung, Atmung, Autophagie, seneszente Zellanhäufungen... Sportler müssen unbedingt gewisse Auszeiten in Ruhe beachten. Leistungssport zu betreiben, heißt, ein Stück Leben nicht in dem Sinn von Lebensverlängerung zu verbringen. Auch da sollte man gegensteuern. Man muss sich nur die blue zones anschauen. Da gibt es allerdings eine südamerikanische Gruppe, die sogar sehr viel trinkt und raucht, ansonsten aber sehr naturverbunden und gesund lebt. Wir sind ohne Erbschäden schon heute auf 120 Jahre programmiert. Man sollte sich überlegen, wie man den Leistungssport ohne Schäden betreiben kann. Man sollte Stille zu ertragen nicht nur lernen, sondern auch zu suchen lernen, um den Kopf zu regenerieren und das auch bei AuA von Kindes Beinen an einfließen lassen. Der Ehrgeiz steht dann mal an zweiter Stelle hinter dem Spaß am Sport.
Gertrud