18.10.2024, 10:40
(17.10.2024, 18:34)mariusfast schrieb: Man kann das natürlich nicht verbieten so etwas zu fragen. (...)
Es gab ja jetzt sehr viele Stimmen, die meinten, die kenianische Athletin habe arrogant geantwortet. Das kann man halt sehr schnell denken, wenn man ihre Aussage "Peoople talk" liest. So hat dies dazu geführt, dass sihc der Dopingverdacht in der Öffentlichkeit verstärkte. Aber, wenn man die Aussage gesehen hat, komme ich nicht auf das Fazit, dass dies arrogant gemeint war. (...)
Ich persönlich (das ist meine Meinung) finde es nicht gut, dass sich ein Sportler aufgrund einer Leistung rechtfertigen muss. Denn unseren Sport macht es m.E. aus, dass eine Unschuldsvermutung gilt (Die Beweislastumkehr gilt ja erst nach einer positiven Dopingprobe). Wenn die Unschuldsvermutung nichtmehr gegeben ist, weil zu viele kenianische Dopingfälle passierten oder weil es so wenige Dopingproben in Kenia gibt und der keniaanischen Dopingagentur aufgrund der vielen Vorkommnisse noch weniger Geld zur Verfügung gestellt wurde, dann muss man sich wirklich fragen, ob es noch so weitergehen kann, oder ob man alle kenianischen Athleten sperren muss. (...)
Nur als Anmerkung: Die Athletin musste sich nicht rechtfertigen. Die Frage, was man zu kritischen Stimmen sagt, ist eine Frage, wie man auf die Realität kritischer Wahrnehmungen reagiert. Diese Wahrnehmungen sind nunmal - und nicht ohne Grund - in der Welt.
Im Übrigen ist die Sachlage eher umgekehrt: Für den Satz: ‘Ich halte diese Leistung (aus diesen und jenen Gründen) für fragwürdig’, muss sich niemand rechtfertigen. Es sei denn, man behauptet, dass erst ein hinreichend konkreter Dopingverdacht einen Vorbehalt gestattet. Wer das behauptet, bewegt sich sehr nahe an der irrwitzigen Sichtweise der kenianischen Parlamentarier.
Wenig hilfreich ist es, juristische Standards auf nicht-juristische Betrachtungen zu übertragen. Die Unschuldsvermutung ist das Korrektiv einer Anklage. (Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig) Die Athletin zeigt mit ihrer Reaktion, dass sie die geäußerten Vorbehalte nicht als Anklage, ja nicht einmal als konkreten Dopingvorwurf versteht. Insofern reagiert sie nicht unangemessen, ganz im Unterschied zu den Politikern. Und wer behauptet, dass sie arrogant reagiert, behauptet nicht notwendig, dass sie sich einer Rechtfertigung entzieht.
PS: Bleibt die Frage, wann der Rekordgedanke in die Jahre kommt. Eine mögliche Antwort ist: Wenn das Staunen - verflucht noch eins - einfach nicht mehr vorbehaltlos sein kann.
Alle Beteiligten, die Zuschauer nicht weniger als die Aktiven, nehmen Teil an der Zelebration des Ungewissen ...
(Martin Seel)