15.10.2024, 11:05
(15.10.2024, 08:51)mariusfast schrieb:(14.10.2024, 20:15)Kyascaily95 schrieb:(13.10.2024, 13:22)mariusfast schrieb:(13.10.2024, 10:32)Notalp schrieb: Jeder, der 6 oder 7mal die Woche (leistungssportlich) trainiert hat, weiß, wie sehr das an der Konzentrationsfähigkeit nagen kann. Und wer es bisweilen mit 2 TE am Tag versucht hat, weiß den Satz eines bekannten Leichtathleten nachzuvollziehen, der erklärte: ‘Du stehst morgens müde auf und gehst abends noch müder ins Bett’.
Ich habe größten Respekt vor Leuten, die es überhaupt schaffen, echten Hochleistungssport mit einem Studium zu verbinden. (Egal, um welches Studium es sich handelt). Dass sich die Studienzeit verlängert, ist nahezu unumgänglich! Wenn es Leute gibt, die es ohne Zeitverzug schaffen, dann sind diese mit einem doppelten Supertalent gesegnet. Daher sollte man sich jede pädagogische ‘Hyperventilation’ sparen. Und wenn sich ein Verband um Kooperationen bemüht, geht um die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen.
Und ein Richard Ringer arbeitet ja auch nur in seiner Offseason 1 Monat lang. Und selbst das, meinte sein Kumpel Christopher Linke, sei für ihn persönlihc nicht umsetzbar
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob man Ausdauersportler untereinander vergleichen kann und sollte, auch wenn sie miteinander befreundet sind. Ein Christopher Linke hat nach seinem Hauptschulabschluss eine kaufmännische Ausbildung gemacht und ist nahtlos daran Sportsoldat geworden. Der Werdegang eines Richard Ringers mit Abitur, Studium und einer TZ-Stelle als Controller ist schon eine andere Hausnummer und vielleicht auch deshalb für Linke schwer vorstellbar.
Die beiden besten deutschen Geherinnen machen‘s anders: Saskia Feige studiert in Leipzig Medizin und hat es auch zweimal zu Olympia geschafft. Bianca Dittrich arbeitet in Vollzeit als Informatikerin und laut Ralf Scholt, der den 35km-Bewerb in Budapest kommentiert hat, hat sie sogar an den Tagen vor ihrem Wettkampf im Hotelzimmer remote gearbeitet.
Es ist abhängig davon, wie viel Unterstützung die Athleten an ihren Standorten bekommen, wie kooperativ Hochschule und/oder Arbeitgeber sind, aber auch die individuelle Belastbarkeit ist entscheidend. Das Trainingssystem und die Physis des Athleten sind maßgeblich zur Bestimmung der notwendigen Regenerationszeit bzw.-phasen, und diese müssen zwingend eingehalten werden. Andernfalls geht das ganze Konstrukt früher oder später in die Brüche. Das muss man einfach rausfinden, vielleicht auch mit der Hilfe von regelmäßigen Leistungsdiagnostiken, und dann seinen Alltag entsprechend danach ausrichten.
Soweit ich weiß, kooperieren einige staatliche Hochschulen und auch Unternehmen der freien Wirtschaft mit Olympiastützpunkten, um eben den Athleten, die sich bewusst für eine duale Karriere entscheiden, entgegenzukommen. Nicht in allen Berufsgruppen und in allen Studiengängen ist das so ohne Weiteres möglich. Das ist leider ein sehr großes Manko. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit des Fernstudiums, bei dem man größtenteils etwas flexibel in der Zeiteinteilung sein darf. Außerdem kann man auch ortsunabhängig lernen. Für Sportler finde ich das Modell ideal, aber sehr schade, dass sie (sofern sie keine namhaften Sponsoren und nicht genügend monatliche Einnahmen durch den Sport haben) sich um die Finanzierung weitestgehend selbst kümmern müssen. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass (abgesehen von den Bundeswehr-HS) es Fernunis gibt, die mit den OSP eine Kooperation haben und die Athleten dann auch proaktiv dorthin verwiesen werden können, ohne sich über den Kostenfaktor Gedanken machen zu müssen. Die Sportfördergruppen auf Landes- oder Bundesebene sind da noch immer viel lukrativer. Trotzdem ist nicht jeder als Soldat oder Polizist geeignet und auch Diejenigen sollten eine realistische Chance bekommen, im Leistungssport Fuß zu fassen.
Meine Meinung ist vor allem, dass ein Training als Marathonläufer von der Regeneration einfach nicht vergleichbar mit anderen Disziplinen ist. Das sage ich auch nicht nur von Berichten von aktuellen Marathonläufer, sondern auch aufgrund meiner subjektiven Erfahrungen nach einem LongrunUnd Training in der Höhe ist ja nochmal eine ganz andere Dimension was Belastbarkeit angeht. Gibt es Athleten, die zwischen zwei Traiingseinheiten in Kenia wahnsinnig produktiv ihr Studiumkrams machen?
Studiert Feige in Regelzeit?
Ja die STelle von Ringer wird offiziell als TZ Stelle bezeichnet. Aber entspricht das auch der Realität? Wie viele Stunden arbeitet er tatstächlich im Jahr? Soweit ich weiß war er letztes Jahr 11 MOnate lang Vollprofi und es ging wegen Kooperation der Sporthilfe mit seinem Arbeitgeber und wie du schon geschrieben hast, aufgrund von sehr großem Entgegenkommen auf Seiten des AG. Wie hoch ist der Anteil der Athleten in der deutschen Leichtathletik, die kein Abitur haben? Ich denke die meisten haben Abitur und ziehen dann ihr Studium in die Länge? Georg Schmidt sieht ja in der Zielgruppe in Brennpunktvierteln sehr viel Potential. Wie realisitisch ist dieses Vorhaben? Nach einer Ausbildung wird i.d.R. einer körperlichen Tätigkeit nachgegangen. Eine Teilzeitstelle auf dem Bau ist ja immer noch eine erhebliche Belastung für den Athleten. Was kann man konkret unter Kooperationen von Betrieb und Stützpunkten verstehen? Was ist der Benefit, den Unternehmen davon haben?
Bianca Dittrich, okay Olympiateilnahme und respekt, dass sie das alles schafft. Natürlich gibt es auch immer Ausnahmen. Zudem habe ich auch die erweiterte Weltspitze, zumindestens die europäische Spitze im Ausdauersport als Maßstab genommen, wozu eine Dittrich nicht gehört?
Gibt es hierfür wirklich so viele Beispiele auf der Langstrecke von Athleten, die ein Fernstudium in Regelzeit absolvieren konnten? Und warum gibt es so viele Athleten, die kein Fernstudium machen, wenn es doch so toll ist? Sind die meisten Fernstudiengänge nicht an privaten Unis und kosten dementsprechend sehr viel Geld?
Lieber Marius:
1. Ich habe gesagt, es ist nicht sinnvoll, Ausdauersportler verschiedener Disziplinen miteinander zu vergleichen. Jeder Athlet ist anders gestrickt, hat einen ganz anderen sportlichen und beruflichen Werdegang. Dein Vergleich Linke/Ringer hinkt und immer zu pauschalisieren "Ausdauer und eine echte Duale Karriere gehen nicht", ist schlichtweg Blödsinn. Es hängt von vielen Faktoren ab, weshalb generalisierte Aussagen nicht zu treffen sind. Wenn man viel im Trainingslager ist oder auch in einem ausländischen Team trainiert, ist ein Vollzeit-Job natürlich nicht umsetzbar bzw. begünstigt es nicht die sportliche Entwicklung. Trotzdem hat Richard Ringer vor seinem sportlichen Durchbruch etwas für sein zweites Standbein getan, war parallel dazu auch ein erfolgreicher Mittelstreckler, was vielleicht aufgrund des EM-Golds im Marathon in Vergessenheit geraten ist. Jetzt hat er den "Luxus", nur sehr wenige Monate im Jahr arbeiten zu müssen, aber den Weg dorthin musste er auch gehen und der war auch weitestgehend dual-geprägt.
2. Ob Saskia Feige in Regelstudienzeit studiert, weiß ich nicht, aber sie war zweimal bei Olympia und hat EM-Bronze gewonnen. Da ist es mir, mit Verlaub, egal, wie lange sie für ihr Studium benötigt. Sie hat sich bewusst für diesen Weg entschieden und ihr Umfeld scheint sie dabei zu unterstützen. Sie arbeitet sehr eng mit dem IAT zusammen, die ihre notwendige Regenerationszeit und auch ihre Belastbarkeit per Phase ermitteln können (z.B. differenzierter Blick auf Prüfungsphase, Periode, Trainingslager usw.). Daran wird sie sich gemeinsam mit ihrer Trainerin orientieren und schafft sich damit die Möglichkeit, ein Studium in ihren Alltag zu integrieren.
3. Bianca Dittrich war bei keiner Olympiade, sondern bei 1x WM (2023) und 2x Team-EM (2019 und 2023). Berufstätig ist sie seit 2018, das Masterstudium nach eigenen Angaben in Regelstudienzeit absolviert. Sie habe ich erwähnt, weil Du Esther Pfeiffer und Johannes Motschmann als Beispiele genannt hast, die keine erheblich bessere Platzierung im Welt-/Europäischen Vergleich innehaben. Nur, weil man "respekt" in einen Satz packt, heißt das noch lange nicht, dass man ihn einer Person wirklich entgegenbringt. Ich wiederhole mich, aber ein Vergleich von Athleten verschiedener Disziplinen ist in meinen Augen kompletter Schwachsinn, aber auch innerhalb einer Disziplin nicht sinnvoll. Jeder hat eine andere Physis, ein anderes Umfeld und womöglich auch andere Ziele. Da kann man von Außen alles nur schwer beurteilen, was möglich ist und was nicht.
4. Es gab auch eine Anja Scherl, die als Marathonläuferin bei Olympia war und neben ihrem hohen Trainingspensum einem Vollzeit-Job nachgegangen ist. Aber, Entschuldigung, das sind ja diejenigen Athleten, denen man einen Schein-Respekt entgegenbringt, aber die Leistungen trotzdem schmälern muss, weil "keine Welt-/Europäische Spitze". Wenn wir da aber ganz streng sind in der Auslegung, dürften wir im Ausdauer-Bereich gar keine deutschen Namen mehr nennen, denn die allermeisten rennen und gehen allen Spitzen, die es so gibt, einfach nur noch hinterher... aber das passt hier nur bedingt in diesen Thread.
5. Es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass nur Ausdauersportler das Problem haben, ein Studium/einen Beruf und das Training unter einen Hut zu bringen. Langsprinter haben z.T. vom zeitlichen Umfang ähnlich lange Einheiten, wenn sie beispielsweise ihre I3-Läufe mit einer Krafteinheit kombinieren. Es ist nicht unüblich, dass dann eine Einheit mal 5 Stunden geht und durch die unterschiedlichen Reize am Tagesende auch der Akku leer für weitere Beschäftigungen ist, abgesehen von regenerativen Maßnahmen.
6. Mein Kritikpunkt generell ist, dass nicht jeder Athlet die Unterstützung bekommt, herauszufinden, wie belastbar er wirklich ist. In den allermeisten Fällen geht es nach dem "Trial and Error"-Prinzip, durch das dann wichtige Trainingsjahre verschenkt werden, weil der Athlet mit seiner Überbelastung erstmal auf gut Deutsch "auf die Schn...e fallen musste" (wie Gesa Krause mit ihrer Verletzung während ihres Studienbeginns) und es ein eigenständiges Learning ist, einen anderen Weg einzuschlagen. Bei all den Möglichkeiten, die Deutschland hat, sollte es doch ein Leichtes sein, die Athleten dahingehend zu unterstützen und zu beraten. Es gibt an den OSP doch Laufbahnberater - die können doch nicht einfach nur vor den Gesichtern sitzen und jedem Polizei, Bundeswehr oder Studium vorschlagen. Da muss man doch ganz individuell vorgehen, um eine potentielle Überforderung zu vermeiden. Da bedarf es auch Einsicht in den Alltag des Athleten vor der potentiellen dualen Laufbahn und Gespräche (mit einem Psychologen o.ä.), wie ausgelastet die Person bisher ist. Aktuell sieht es aber eher so aus, dass sie ein paar Infobroschüren in die Hand gedrückt bekommen mit der Bitte, sich doch selbst Gedanken darüber zu machen.
„Der Zufall ist Gottes Art, anonym zu bleiben.“ — A. Einstein