PHILOSOPHISCHES ZUM ERFOLGSSTREBEN
Ich tu mich schwer mir vorzustellen, dass sportlich aktive Menschen über 50 im Laufe ihres Lebens nicht darauf gekommen sind, wie absurd ihr Erfolgsstreben eigentlich ist. Die eigenen Leistung verbessern wollen ist das Eine. Das ist ein Anreiz den man gutheißen kann, weil er als erfreulichen Sekundäreffekt die eigene Fitness und Gesundheit fördert. Dazu die reine Lebensfreude und – schon fragwürdiger – die Selbstwertschätzung. Was bin ich doch für ein toller Hecht, mit siebzig noch allen davonzurennen.
Aber hier schon kommt das Andere ins Spiel: Der Wettbewerb. Muss ich denn besser sein als andere, um mich besser zu fühlen? Reicht es nicht, gut zu sein, um sich gut zu fühlen? Doch, doch. Aber das Gutfühlen braucht offenbar immer wieder was Besseres. Zuerst will ich heute besser sein als gestern und morgen besser als heute. Dann will ich besser sein als andre, will die Kreismeisterschaft und den Landesrekord. Und dann, in die Weltklasse vorgestoßen, will ich den Weltrekord und die Weltmeisterschaft.
Was nützt es meinem Wohlbefinden, immer wieder Kreismeister zu werden? Immer wieder meinen Landesrekord einzustellen? Verbessern will ich mich! Dann fühl ich mich gut. Dann bin ich zufrieden – darf es sein. Und immer wieder nur: Vorübergehend.
So kommt es, dass die Selbstansprüche immer weiter steigen, bis man unweigerlich da ankommt, wo es nicht mehr weitergeht und plötzlich eine andere Fähigkeit erforderlich wird: Sich gut zu fühlen, obwohl man schlecht abgeschnitten hat.
Irgendwo erwischt es jeden – jedenfalls fast. Mancher findet seinen Meister tatsächlich nur in sich selbst. Und muss damit zufrieden sein, allein auf weiter Flur zu weiden. Alle anderen treffen in der absoluten Spitze auf Ebenbürtige (also gleich stark geborene). Und dann wird eine Weltmeisterschaft spannend, weil man ebenso gewinnen wie verlieren könnte. Und das beflügelt den Ehrgeiz und die Hormone.
Am Ende ist man glücklicher Sieger oder enttäuschter Zweiter oder zerknirschter Gratulant. Und dann wird man bewundert oder getröstet. Und alles ist wie bei der Kreismeisterschaft. Nur weiter weg und teurer.
Als mir zum ersten Male Meisterehren widerfuhren, fragte ich beschämt: Was kann ich dafür, dass keiner höher gesprungen ist? Das ist nicht mein Verdienst. Wäre ich also in Budapest 1m64 gesprungen und Dusan nicht, so hätte ich wieder gesagt: Es war nur mein Glück, dass die Anderen weniger können, weniger trainiert haben, härter als ich im Leben arbeiten mussten oder eben, wie im Falle Dusan, gerade erst eine Verletzung oder Krankheit überstanden haben und noch gar nicht in Form sind. So wie es Dusans Glück war, dass ich 67 und nicht 65 bin und ich das Training nach 5 Jahren Pause nicht ein Jahr früher wieder aufgenommen habe.
Und so hätte mich der Sieg mit 1m64 grad so wenig gefreut wie mich die Niederlage mit 1m61 betrübt hat. Denn eigentlich war ich nach Budapest gefahren, um 1m67 zu springen. Damit hätte ich mich verbessert und einen Anlass zu besonderer Freude gehabt. Am Ende waren wir beide unzufrieden, denn wir hatten beide nicht erreicht, was wir uns zutrauen durften. Und hätten wir, so wären die Platzierungen dieselben gewesen, denn er hätte dann 1m70 geschafft und ich nur 1m67.
Wo sich nun das tatsächliche Geschehen an den latenten Möglichkeiten gemessen so geringwertig darstellt, und wo doch das zahlreiche Publikum dank meiner vielen Fehlversuche und Dusans verblüffender Sicherheit doch einen spannenden Wettkampf erlebt hat, erscheinen kritische Betrachtungen zu der Frage, ob man solche Veranstaltungen Meisterschaften nennen dürfe, eher drittrangig. Auch bei den „Großen“ gibt es Ausfälle aus gesundheitlichen oder finanziellen oder politischen Gründen. Und was darf sich der 100-m-Sieger einbilden, wenn Usain einen Fehlstart macht? Ist eine solche Herabwürdigung eines Sieges nicht genau so unfair und Fehl am Platze wie die Unterstellung, der Sieger könnte ja auch gedopt sein? Und so komme ich mit meiner Betrachtung auf den Punkt:
Wenn ich in Budapest gar nicht aufgetaucht wäre – hätte man Dusan dann die Siegesfreude vergiften dürfen, indem man auf meine zwei Wochen vorher aufgestellten Weltrekorde verweist? Nein! Und also: ist das ganze negative Tamtam um diese Frage ein einziges respektloses, unsportliches Genörgel, von welchem ich mich hiermit endgültig distanziere. Das bezieht sich auch darauf, dass dieser Thread scheinbar von mir initiiert wurde, was aber nur ein Nebeneffekt ansonsten sinnvoller Moderation war.
Was bewegt mich also, Meisterschaften in Frage zu stellen, wenn nicht der Neid? Zumindest die Neigung, anderen ihre Erfolge und Verdienste zu schmälern. Einfach so. Weil man sich weigert Anerkennung zu spenden. Weil man innerlich eben doch gerne diskriminiert. Der hat ja nur gewonnen, weil sonst keiner angetreten ist. Was soll man jemandem mit so einer Leistung einen Meistertitel verleihen?! Warum will man Rumpelstilzchen und Zwergnase nicht ihre kindliche Freude lassen? Weil man immer alles an einem einzigen, ewiggültigen Maßstab messen muss? Damit man als Vergleich zum Guten und Besten das Mittelmaß und das Schlechte zur Hand hat? Genau. Aber doch nicht mit Verachtung!
Das Gute wird durch das weniger Gute hervorgehoben. Der Sieg wird durch die Zahl und Güte der Verlierer aufgewertet. Das Schlechte erinnert daran, wie jämmerlich dasselbe Bemühen daherkommt, wenn es auffällig erfolglos ist. All das gehört zusammen in diese Welt. Und jeder, der an sich was Gutes findet, danke Gott, anstatt die Anderen zu schmähen. So lange wir den Wert des Menschen an seiner Leistung messen, sind wir sowieso nicht mehr wert als der Geringste von allen. Wenn es überhaupt einen Wert gibt, der den einzelnen Menschen erhöht, dann ist es vielleicht die unbedingte Wertschätzung, die er für andere pflegt. Nicht Respekt oder Toleranz sondern Solidarität. Fehlt uns nicht all das und handeln wir nicht zum Gegenteil, urteilen und strafen wir nicht, weil wir uns selbst für besser halten?
Ich sage: Man kann sich noch so anstrengen – man wird nie besser als der Schlechteste den man zu kennen glaubt.
Ich tu mich schwer mir vorzustellen, dass sportlich aktive Menschen über 50 im Laufe ihres Lebens nicht darauf gekommen sind, wie absurd ihr Erfolgsstreben eigentlich ist. Die eigenen Leistung verbessern wollen ist das Eine. Das ist ein Anreiz den man gutheißen kann, weil er als erfreulichen Sekundäreffekt die eigene Fitness und Gesundheit fördert. Dazu die reine Lebensfreude und – schon fragwürdiger – die Selbstwertschätzung. Was bin ich doch für ein toller Hecht, mit siebzig noch allen davonzurennen.
Aber hier schon kommt das Andere ins Spiel: Der Wettbewerb. Muss ich denn besser sein als andere, um mich besser zu fühlen? Reicht es nicht, gut zu sein, um sich gut zu fühlen? Doch, doch. Aber das Gutfühlen braucht offenbar immer wieder was Besseres. Zuerst will ich heute besser sein als gestern und morgen besser als heute. Dann will ich besser sein als andre, will die Kreismeisterschaft und den Landesrekord. Und dann, in die Weltklasse vorgestoßen, will ich den Weltrekord und die Weltmeisterschaft.
Was nützt es meinem Wohlbefinden, immer wieder Kreismeister zu werden? Immer wieder meinen Landesrekord einzustellen? Verbessern will ich mich! Dann fühl ich mich gut. Dann bin ich zufrieden – darf es sein. Und immer wieder nur: Vorübergehend.
So kommt es, dass die Selbstansprüche immer weiter steigen, bis man unweigerlich da ankommt, wo es nicht mehr weitergeht und plötzlich eine andere Fähigkeit erforderlich wird: Sich gut zu fühlen, obwohl man schlecht abgeschnitten hat.
Irgendwo erwischt es jeden – jedenfalls fast. Mancher findet seinen Meister tatsächlich nur in sich selbst. Und muss damit zufrieden sein, allein auf weiter Flur zu weiden. Alle anderen treffen in der absoluten Spitze auf Ebenbürtige (also gleich stark geborene). Und dann wird eine Weltmeisterschaft spannend, weil man ebenso gewinnen wie verlieren könnte. Und das beflügelt den Ehrgeiz und die Hormone.
Am Ende ist man glücklicher Sieger oder enttäuschter Zweiter oder zerknirschter Gratulant. Und dann wird man bewundert oder getröstet. Und alles ist wie bei der Kreismeisterschaft. Nur weiter weg und teurer.
Als mir zum ersten Male Meisterehren widerfuhren, fragte ich beschämt: Was kann ich dafür, dass keiner höher gesprungen ist? Das ist nicht mein Verdienst. Wäre ich also in Budapest 1m64 gesprungen und Dusan nicht, so hätte ich wieder gesagt: Es war nur mein Glück, dass die Anderen weniger können, weniger trainiert haben, härter als ich im Leben arbeiten mussten oder eben, wie im Falle Dusan, gerade erst eine Verletzung oder Krankheit überstanden haben und noch gar nicht in Form sind. So wie es Dusans Glück war, dass ich 67 und nicht 65 bin und ich das Training nach 5 Jahren Pause nicht ein Jahr früher wieder aufgenommen habe.
Und so hätte mich der Sieg mit 1m64 grad so wenig gefreut wie mich die Niederlage mit 1m61 betrübt hat. Denn eigentlich war ich nach Budapest gefahren, um 1m67 zu springen. Damit hätte ich mich verbessert und einen Anlass zu besonderer Freude gehabt. Am Ende waren wir beide unzufrieden, denn wir hatten beide nicht erreicht, was wir uns zutrauen durften. Und hätten wir, so wären die Platzierungen dieselben gewesen, denn er hätte dann 1m70 geschafft und ich nur 1m67.
Wo sich nun das tatsächliche Geschehen an den latenten Möglichkeiten gemessen so geringwertig darstellt, und wo doch das zahlreiche Publikum dank meiner vielen Fehlversuche und Dusans verblüffender Sicherheit doch einen spannenden Wettkampf erlebt hat, erscheinen kritische Betrachtungen zu der Frage, ob man solche Veranstaltungen Meisterschaften nennen dürfe, eher drittrangig. Auch bei den „Großen“ gibt es Ausfälle aus gesundheitlichen oder finanziellen oder politischen Gründen. Und was darf sich der 100-m-Sieger einbilden, wenn Usain einen Fehlstart macht? Ist eine solche Herabwürdigung eines Sieges nicht genau so unfair und Fehl am Platze wie die Unterstellung, der Sieger könnte ja auch gedopt sein? Und so komme ich mit meiner Betrachtung auf den Punkt:
Wenn ich in Budapest gar nicht aufgetaucht wäre – hätte man Dusan dann die Siegesfreude vergiften dürfen, indem man auf meine zwei Wochen vorher aufgestellten Weltrekorde verweist? Nein! Und also: ist das ganze negative Tamtam um diese Frage ein einziges respektloses, unsportliches Genörgel, von welchem ich mich hiermit endgültig distanziere. Das bezieht sich auch darauf, dass dieser Thread scheinbar von mir initiiert wurde, was aber nur ein Nebeneffekt ansonsten sinnvoller Moderation war.
Was bewegt mich also, Meisterschaften in Frage zu stellen, wenn nicht der Neid? Zumindest die Neigung, anderen ihre Erfolge und Verdienste zu schmälern. Einfach so. Weil man sich weigert Anerkennung zu spenden. Weil man innerlich eben doch gerne diskriminiert. Der hat ja nur gewonnen, weil sonst keiner angetreten ist. Was soll man jemandem mit so einer Leistung einen Meistertitel verleihen?! Warum will man Rumpelstilzchen und Zwergnase nicht ihre kindliche Freude lassen? Weil man immer alles an einem einzigen, ewiggültigen Maßstab messen muss? Damit man als Vergleich zum Guten und Besten das Mittelmaß und das Schlechte zur Hand hat? Genau. Aber doch nicht mit Verachtung!
Das Gute wird durch das weniger Gute hervorgehoben. Der Sieg wird durch die Zahl und Güte der Verlierer aufgewertet. Das Schlechte erinnert daran, wie jämmerlich dasselbe Bemühen daherkommt, wenn es auffällig erfolglos ist. All das gehört zusammen in diese Welt. Und jeder, der an sich was Gutes findet, danke Gott, anstatt die Anderen zu schmähen. So lange wir den Wert des Menschen an seiner Leistung messen, sind wir sowieso nicht mehr wert als der Geringste von allen. Wenn es überhaupt einen Wert gibt, der den einzelnen Menschen erhöht, dann ist es vielleicht die unbedingte Wertschätzung, die er für andere pflegt. Nicht Respekt oder Toleranz sondern Solidarität. Fehlt uns nicht all das und handeln wir nicht zum Gegenteil, urteilen und strafen wir nicht, weil wir uns selbst für besser halten?
Ich sage: Man kann sich noch so anstrengen – man wird nie besser als der Schlechteste den man zu kennen glaubt.
Dem nach höherem Strebenden ist nichts zu hoch sondern alles zu nieder. (vonmia)