(29.03.2024, 07:30)Diak schrieb:(29.03.2024, 03:49)Zehnkampf-Fan schrieb: Frage: Warum ist das die “Schlüsseldisziplin”? Petros Kyprianou nennt 110H und PV, auch Diskus, als zentrale Disziplinen, um die herum man das Training aufbauen kann. Bei 110H & PV ist mir klar, dass man dabei viel für die anderen Disziplinen lernen kann, aber beim Diskus?Hürden und Diskus sind aus unterschiedlichen Gründen Schlüsseldisziplinen. Die hohe Schwankungsbreite im Diskus hat Gertrud schon erklärt. Eine wesentliche Herausforderung im Mehrkampf ist die Disziplinkopplung. Niklas z.B. springt häufig im Zehnkampf deutlich unter seinen Möglichkeiten weit, weil er den im 100m-Sprint erworbenen verkrampft-festen Schritt (den er im freien Sprint ohne Wettkampf so nicht hat) vlt. nicht ganz los wird, Weitanlauf funktioniert aber nicht mit festem Schritt, sondern mit freiem, rhythmischem Druck. Die Kopplung Hürde-Diskus ist sehr schwer, weil die Disziplinansprüche so unterschiedlich sind. Nach hochfrequenter linearer Bewegung folgt eine ruhig beginnende Rotatsionsbewegung mit völlig anderen neuromuskulären Voraussetzungen. Deswegen trainiert man diese Disziplinen gern nacheinander und braucht viel Wettkampferfahrung, bis das sitzt.
Hürden sind Schlüsseldiziplin aus den von Dir angedeuteten Gründen (hoher Anteil wesentlicher koordinativer Fähigkeiten mit großem Transferwert) Für Leo speziell war in Budapest sehr gut zu sehen, warum sie Schlüsseldisziplin sind: Die Vorermüdung des ersten Tages steckt einem Kerl wie Leo anders in den Knochen als z.B. Niklas, im übrigen nicht nur körperlich, sondern auch mental, weswegen wir uns hier den Wolf rechnen und freuen können, es kann sehr gut sein, dass er in Paris ähnliche Erfahrungen wie in Budapest macht und auch das wäre völlig entwicklungsgemäß und sehr in Ordnung. Insofern klug von ihm, dass er auf Medaille hofft und nicht von 9.000 bei Olympia schwadroniert, die kann er dann in LA machen, falls alles passt =)
Es ist sehr gut, dass du auf die individuellen Schlüsselpositionen hinweist. Es sind individuelle Körper mit ganz individuellen Voraussetzungen und Trainingsinhalten. Ich kann mich gut bei Sabine daran erinnern, dass ich zunächst als Neuling im Siebenkampf in der Siebenkampfreihenfolge trainieren ließ, dann aber gemerkt habe, dass es zu einigen Irritationen kam. Nach dem zweiten Mal derselben Vorkommnisse habe ich die Reihenfolge verändert und es kam nie wieder dieses Unbehagen vor.
Es ist doch klar, dass Niklas Kaul den ersten Tag besser als Leo wegsteckt. Insofern hat Leo einmal auch aus psychischer Sicht wegen des Fehlstarts den sehr vorsichtigen zweiten Start gemacht und zweitens wird er nicht so frisch gewesen sein, wie Niklas das üblicherweise ist und hat dann mehrere Hürden gerissen. Es ist ganz klar, woran Leo hart zu arbeiten hat, welche Programme er auch verstärkt trainieren sollte. Er muss an der Ermüdungswiderstandsfähigkeit mit den richtigen Inhalten arbeiten. Seine üblichen 400m-Programme bringen es da nicht!!! (Podcast)
Er kann trotzdem noch von Platz 3 aufwärts konkurrieren, wenn er die richtigen Schalter anknipst. Damit sollte er sich psychisch aber nicht befassen. Alles ab Platz 3 aufwärts ist Zugabe. Er sollte zudem einige Inhalte umgehend aus verletzungsträchtiger Sicht verändern, wenn er die OS nach Paris auch noch aktiv erleben will. Die Schwierigkeit im Mehrkampf besteht immer in der Gewichtung der Trainingsinhalte. Man muss aus Zeitgründen einige Inhalte kombinieren. Wo spart man an Zeit und wo investiert man mehr Zeit? Das ist eben individuell auch ganz unterschiedlich.
Ich sage das jetzt mal wirklich neutral und bitte, das nicht als Überheblichkeit aufzufassen: Bei solchen Teams fehlt manchmal eine Person wie ich, die ganz neutral Hinweise gibt und Vorschläge macht. Man ist als verantwortliche Person oft im Tunnel. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich strebe ein solches Amt nicht an!

Gertrud