(01.12.2014, 10:30)lor-olli schrieb: Forschung ist essentiell, aber auch Forscher müssen Überlegungen auf ein Individuum übertragen, da hakt es oft (z.B. ist bei der Entwicklung neuer Medikamente der Ausschuss - also die theoretisch wirksamen aber praktisch nicht nutzbaren Wirkstoffe - mittlerweile um einen dreistelligen Faktor größer als die der Nutzbaren). Technik- (und Wissenschafts-?)gläubigkeit ersetzen mittlerweile nicht nur bei vielen jugendlichen "Google- und Wiki-Usern" das Denken, oft ist die Macht der Zahlen zu verlockend, weil ein Mathematiker ja nie irrt
Individuelles Training braucht Orientierungspunkte, die über die Trainingswissenschaft hinaus gehen - und Trainer die trauen sich darauf einzulassen (dem Athleten bleibt oft nur der passive Part). Im unteren Leistungsbereich klappt das derzeit wohl leichter als in der Spitze in D… (reichen zählbare Medaillen in der Summe der Diziplinen als Argument, bei einer Stagnation und gegen Veränderungen in bestimmten Diziplinen?)
Neue Ansätze? Eher ein Plädoyer dafür, bekannte aber alte Ansätze nicht prinzipiell zu verdammen...
Servus Lor-Olli,
ich verstehe wie du - und eigentlich wie immer- dieses Diskussionsforum als Diskussionsforum. (das scheint mir nach wie vor irgendwie logisch) D.h. nicht als Gesetz-Bekenntnisforum oder als verkapptes Kompetenzzentrum ( für die Lösung aller praktischer Fragen, die Abwendung der LA-Misere, die Rückkehr zur alten ...-Herrlichkeit, , die Überbietung aller DLV-Ansprüche und was weiß ich noch alles), wo man mit Sätzen mit Ausrufezeichen schließt. Oder wenigstens mit einer praktischen Anwendung. Oder glaubt, Zeichen setzen zu müssen. Da kann und will ich nicht mithalten!
Aber zur Sache: Ich möchte deiner Auffassung von der Essenzialität der Forschung doch einen kleinen Einwand entgegensetzen. Auch der Auffassung, dass das grundlegende Problem nur ein Problem der Anwendung von Wissenschaft ist. Frag mal einen Ilg, einen Fleschen, einen Wülbeck, einen Hudak, einen Zimmermann, einen Baumann (nur so eine kleine Auswahl ganz lahmer Flaschen), wie wichtig das Messen gewesen ist. (Denn es waren einige, zu deren Zeit schon sehr viel mehr als bloß die Runden-Zeit gemessen wurde) Daher auch, für wie essentiell sie das Forschungs-gestützte Messen halten würden. Aber eben auch, für wie schädlich u.U. das Messen von allem sein kann. Ich bin sicher: du würdest deine Auffassung von der Essentialität der Forschung revidieren.
Aber das war natürlich eine überflüssige Bemerkung. Denn es gehört zur Überbietungslogik des LEISTUNGS-Sports, dass immer mehr und alles erforscht werden wird. (Messend, meine ich dabei, also nicht geistes-wissenschaftlich) Außerdem kann man ja auch auf die Idee kommen, die Schädlichkeit des Messens messen zu wollen. Die Überbietungslogik jedenfalls macht es notwendig, immer noch irgendwo Ressourcen des Optimierbaren aufzuspüren. Wer das verneint, begeht die Sünde einer unverantwortlichen Unterlassung. Um das Fortschreiten des Prozesses muss man sich also keine Sorgen machen.
Außerdem ist jeder Coach ebenfalls damit irgendwie beschäftigt. Da brauch er nicht mal in die Bibliothek gehen. Aber jeder Coach wird, sofern er selber mal die Hufe geschwungen hat, die ‚essentiellen’ Forschungsergebnisse – und ihre Anwendung- auf seine individuelle Erfahrung beziehen. Und somit auf einen ‚lebensweltlichen’ Kontext (und der Weite dieses Erfahrungsraumes, von dem auch die retortenähnlichste Forschung noch abhängig ist) Damit löst er aber nicht nur ein Anwendungsproblem, sondern prüft auch die Plausibilität. (Wenn du jetzt sagst: messend, schlag ich dich glatt mit der Messlatte nieder! ) Diese Prüfung geschieht und geschah (wenn ich die Reaktion auf das wissenschaftliche Intervalltraining betrachte) nicht unbedingt ‚methodisch’ im wissenschaftlichen Sinn, sondern mit der schlagenden Erkenntnis: Für dieses Training brauchst du die Seele eines Lastesels! Jetzt kann man natürlich wieder sagen: Ist doch nur ein Anwendungsproblem. Meinten übrigens auch die „Erfinder“ des Intervallprinzips und erklärten: Wir lassen ja gar nicht mehr bloß auf der Bahn rennen. Bezeichnenderweise nannte ein Buchautor die Renaissance des Dauerlaufes (und seiner Variationen) eine Besinnung auf „natürliche“ Methoden. Dabei argumentierte er wohl nicht natur-wissenschaftlich. Sondern unterstellte einen nicht-wissenschaftlichen Erfahrungsbegriff. Das war kein Irrtum. Sondern korrekt!
Mit betickter Beleuchtungsromantik
P.
:ticktackticktackticktackschlappticktackticktackticktack: