(20.02.2023, 10:31)annasophiee schrieb:Zitat:Liebe Gertrud,
Ich bin zufälligerweise eine junge Dreispringerin mit Tape am Rücken und am Hamstring.
Wir haben uns so weit ich weiß noch nie kennengelernt oder miteinander gesprochen. Zu deinem Kommentar würde ich gerne mal meine Seite erklären.
Zum Tape am Hamstring kann ich sagen, dass das reine Kopfsache ist auf die man nicht näher eingehen muss. Da hat ja jeder Athlet so seine Ticks.
Das Tape am Rücken hat ebenfalls nichts mit einer Verletzung zutun und ist rein präventiv, da wir wissen das ich dort Schwächen habe, an welchen wir bereits arbeiten, die jedoch nicht von heute auf morgen verschwinden. Zudem sollte mittlerweile bekannt sein, das gerade der untere Rücken bei Frauen zyklusbedingt anfälliger ist.
Ich find deine Einstellung, dass gerade bei junge Athleten auf Verletzungsfreiheit geachtet werden sollte, sehr gut und bin froh, das meine Trainer das gleiche Ziel verfolgen. Ein Tape bedeutet nicht unbedingt, dass man mit einer Verletzung springt.
Erst einmal muss ich dich loben, dass du so ruhig mit deiner realen Situation und meiner Sicht umgehst. So kann man sehr gut miteinander kommunizieren.
Ich verfolge deine Karriere mit sehr viel Freude und habe deinen Dreisprung auch für eine Fortbildung, die leider durch Corona und auch meine Gesundheitslage ins Wasser gefallen ist, aus der orthopädischen Korrektur analysiert.
Hier spreche ich nur mal einen Punkt aus einem Video mit dir vor einem Jahr in der Landung beim Step (Dreisprung: r, r, l - Landung) an:
- Beckenrotation nach rechts, Fußpronation mit medialer Belastung,
- völliges Einbrechen in der Frontalebene: Kniegelenk geht in die Valgusstellung,
- Menisken und ACL gefährdet
Ich habe aber schon erfahren, dass die Tapes prophylaktisch sind. Es scheinen Schwachstellen zu sein. Allerdings scheint ein Hamstring mehr als der andere betroffen zu sein. Ich meine, dass du nur einseitig ein Tape getragen hast. Meine Meinung ist allerdings, dass nur entsprechendes Übungspotential auf Dauer Abhilfe schafft. Gerade über Hamstringverletzungen habe ich dicke Ordner angelegt. Statt der Tapes helfen entsprechende Prophylaxeübungen für gefährdete Körperbereiche. Bei den Hamstrings hilft auch ein vorrangiges technisches Sprinttraining, dass die Hamstrings in ihrer Gesamtheit richtig einsetzt.
Wenn es zwickt, würde ich als Trainerin fast immer zur Pause und Behandlung raten und Wettkämpfe streichen. In deinem Fall gehören alle technischen Bereiche hinsichtlich Hamstrings auf den Prüfstand. Mich würden die ganz gezielten Tests in deinem Fall und das Prophylaxeprogramm sehr interessieren.
Es ist mir bekannt, dass man zyklusaffin trainiert. Das habe ich übrigens schon damals mit Sabine Braun in bestimmten Situationen praktiziert. Damals gab es schon Fortbildungen in dem Bereich bei einem Professor und ein sehr gutes Buch über Krafttraining und Zyklus.
Ich bin ein Mensch, der immer im Sport zu hundertprozentigen Lösungen neigt. Daher würde ich in jungen Jahren z.B. im Dreisprung nie die Leistung auf Kosten der Gesundheit forcieren. Ich würde Übungen, die Schwachstellen belastet, zu hundert Prozent auslassen. Die Hamstrings würden bei mir an den Schwachstellen durch ganz gezieltes Training präpariert und möglichst nicht mit Tapes versehen, zumal die Hamstrings eine sehr wichtige Rolle bei jugendlichen Mädchen hinsichtlich ACL (vorderes Kreuzband) spielen. Wer gibt die Garantie, dass die Tapes alles abpuffern??? Tapes straffen dann auch die myotendinösen Übergänge, also zwei Gewebebereiche mit derselben Intensität. Die Hamstrings sind niemals komplett vulnerabel. Man sollte sich schon sehr exakt auskennen und auch die "Stufenrakete" der Beinbelastung kennen. Oft liegt die Verletzungsschwäche zwar in Teilen der Hamstrings. Die Ursache liegt aber ganz woanders. Also sollte man die anderen Stellen vornehmlich betrachten. Zudem sollte man die Gesamtsituation LWS, Becken und Hamstrings sehen. Die proximalen Hamstringausrisse am tuber ischiadicum (Stelle je nach Beteiligung) haben auch mit diesem Zusammenspiel zu tun.
Ich habe Sabine Braun damals mit einem Problem in der LWS übernommen. Wir haben sie in kurzer Zeit durch ganz gezieltes Training belastbar gemacht und sind dann erst in die Disziplinspezifik gegangen. Übungen aus dem Gewichthebelager wurden sofort für immer verbannt. Ich bin vom Wissen her in der Lage, ganz gezielte Stellen des Körpers zu belasten.
Sollten wir (du, deine Trainer und ich) uns mal sehen, können wir uns gerne unterhalten.
Viel Glück für eine verletzungsfreie Zukunft!
Gertrud