08.10.2014, 17:50
Zum Tod von Siegfried Lenz ein Auszug aus seinem Roman „Brot und Spiele“:
„Wieder der alte Doppeldecker, tief kreist er über dem Stadion, mit stoßartigem Brummen, mit dem langflatternden Reklameband: ‚Warum haben Pfeifenraucher Erfolg?’ Der Wind schüttelt das Flugzeug, sein Schatten flitzt über den Rasen, über die Läufer hinweg. Bert geht drüben schon in die zweite Kurve. Der Italiener lächelt, ich sehe es genau, Mussos kühnes Gesicht lächelt während des Laufs, als ob der Sieger ihm längst bekannt ist... Oder grinst er nur? Vielleicht ist es nur das starre Grinsen der Anstrengung – später werde ich es erkennen, viel später. Dies ist die erste Runde, fünfundzwanzig Runden sind zu laufen, doch war das nicht schon Beifall? Ja, sie lehnen sich weit über die Barriere nach vorn, wie Fontänen springt der Beifall ihrer Hände auf, das wilde Prasseln, die Zurufe erfolgen dort, wo Bert hämmernd und mit schräg auf die Schulter gelegtem Kopf vorbeizieht; oh, sie haben ihn noch nicht vergessen, seine Siege nicht, die rauschhaften Genugtuungen nicht, die er ihnen verschaffte: Immer noch sind sie gewohnt, bei seinem Anblick an Sieg zu denken. Sie sind nicht bereit, das aufzugeben, woran sie sich gewöhnt haben. (...) Und jetzt jagen sie ihn mit ihrem Beifall, weil er auch diesmal für sie siegen soll, damit sie keinen Abschied zu nehmen brauchen von ihren Gewohnheiten...“
„Wieder der alte Doppeldecker, tief kreist er über dem Stadion, mit stoßartigem Brummen, mit dem langflatternden Reklameband: ‚Warum haben Pfeifenraucher Erfolg?’ Der Wind schüttelt das Flugzeug, sein Schatten flitzt über den Rasen, über die Läufer hinweg. Bert geht drüben schon in die zweite Kurve. Der Italiener lächelt, ich sehe es genau, Mussos kühnes Gesicht lächelt während des Laufs, als ob der Sieger ihm längst bekannt ist... Oder grinst er nur? Vielleicht ist es nur das starre Grinsen der Anstrengung – später werde ich es erkennen, viel später. Dies ist die erste Runde, fünfundzwanzig Runden sind zu laufen, doch war das nicht schon Beifall? Ja, sie lehnen sich weit über die Barriere nach vorn, wie Fontänen springt der Beifall ihrer Hände auf, das wilde Prasseln, die Zurufe erfolgen dort, wo Bert hämmernd und mit schräg auf die Schulter gelegtem Kopf vorbeizieht; oh, sie haben ihn noch nicht vergessen, seine Siege nicht, die rauschhaften Genugtuungen nicht, die er ihnen verschaffte: Immer noch sind sie gewohnt, bei seinem Anblick an Sieg zu denken. Sie sind nicht bereit, das aufzugeben, woran sie sich gewöhnt haben. (...) Und jetzt jagen sie ihn mit ihrem Beifall, weil er auch diesmal für sie siegen soll, damit sie keinen Abschied zu nehmen brauchen von ihren Gewohnheiten...“