28.08.2021, 11:21
(28.08.2021, 09:22)smiling_star schrieb: Ich denke beim Prothesensport hat Deutschland natürlich einen technischen Vorteil, das ist nicht überall möglich. Aber ansonsten werden wir abgehängt.Die Förderung ist extrem selektiv und auf Medaillen-"Bänke" zentriert. Regina Vollbrecht, deren Trainer ich war, wurde z.B. für die Paralympics als Inhaberin der Weltbestzeit der Blinden (3:15) nicht für den ersten Frauen-Marathon der paralympischen Geschichte in Rio 2016 nominiert. Im Vorfeld der Spiele hatte man beschlossen, die blinden Läuferinnen (Klasse T11) gemeinsam mit den Sehbehinderten (Klasse T12 ) zu werten. Dies sind Läuferinnen, die auch ungeführt laufen können. Da eine Medaille nicht drin war, gab es auch keine Nominierung. Die Quali wäre zweieinhalb Minuten unter der Weltrekordzeit gewesen, und dann auch nur "eventuelle Berücksichtigung". Der Frauen-Marathon in Rio hatte dann eine einstellige Teilnehmerzahl.
Im Laufsport der Blinden ist Japan die Nummer eins, hat auch mit Natsumi Inouchi (3:12:55) seit 2020 den Weltrekord. Der Stellenwert des Laufsports wird dort anscheinend auch auf den Behindertenbereich übertragen. In Deutschland ist man als behinderter Sportler eher ein Fremdkörper. In Berlin hatten wir bei Großveranstaltungen mit dem SCC am Ende einen guten Draht, sehr gut auch zum Marathon in Frankfurt. Das hat aber viele Jahre des Aufbaus benötigt und bleibt immer inselhaft.
Nachwuchsförderung im Behindertensport ist äußerst zufällig. Ein/e Sportler/in muss auf irgendeinem Weg im Leistungsbereich angekommen sein. Dann wird der Verband (DBS) aufmerksam.
Irgendeinen Weg zu finden ist sehr schwierig. Als wir unsere Zusammenarbeit begonnen haben war Regina schon eine herausragende Sportlerin (zunächst im Triathlon). Aber erst in unserem Verein gelang es ihr, nicht nur einzelne persönliche Kontakte zu haben, sondern Teil einer Trainingsgruppe zu sein. Es gibt so viele Berührungsängste. Ich selbst hatte keine Angst, aber am Anfang keine Ahnung. Unsere Zusammenarbeit war immer 100%ig gegenseitig, ich habe von ihr anders zu Sehen gelernt.
Den paralympischen Athleten wird medial immer sehr freundlich zugewunken. Der Berliner Tagesspiegel, den ich abonniert habe, räumt dem Para-Sport gefühlt sogar mehr Raum ein als dem Oly-Sport (der Rest ist Hertha und Union). Tatsächlich, an der Basis, ist es ein sehr hartes Brot.