20.03.2017, 11:09
(16.07.2016, 16:05)Walker schrieb:(08.07.2016, 14:09)DerC schrieb: Das Abitur ist heute vermutlich (gesamtdeutsch) im Schnitt ... schwerer als 1980 (BRD).
Ich bin etwas spät zu diesem Thread gestoßen. Daher hake ich erst jetzt an der Stelle nach.
Du vergleichst hier schon auch das jew. Prüfungsniveau von damals und heute in den jew. Kernfächern wie Deutsch, Mathe usw. - also unabhängig von der Zusammenstellung von eher genehmen leistungskursbezogenen Fächern?
Würdest Du diese Behauptung, dass das Abi heute schwerer als 1980 ist, auch für meinetwegen ausschl. Bayern oder BaWü aufstellen?
Hallo,
sehr spät bin ich mal wieder hier .... unter anderem wegen einiger neuer interessanter Beiträge. Da ist mir deine unbeantwortete Frage an mich aufgefallen.
Natürlich meinte ich nicht unabhängig von der Fächerzusammenstellung. Wenn es darum geht, ob sich die im Abitur gestellten Anforderungen in der Gesamtschau verändert haben, kann man diese Modalitäten ja nicht rauslassen. Mann konnte mal in"leichten" Leistungskursen 3fach Punkten und sich in der „schweren“ Mathematik gar nicht prüfen lassen ... das ist jetzt so nicht mehr möglich.
1980 habe ich gerade gewählt, weil da nach meiner Kenntnis eben in vielen Bundesländern Regelungen galten, die ein sogenanntes „Dünnbrettbohrer-Abi“ möglich machten.
Ich habe keine spezielle Erfahrungen was Bayern und BaWü angeht. Bayern hat schon so lange Zentralabitur, da kann das Zentralbitur per se jedenfalls nicht die große Ursache für Veränderungen sein. Wäre sicher interessant zu untersuchen. In diesem Artikel wird auch kurz darauf hingewiesen, dass es zumindest heute bei kurzer Nachforschung keine Belege für ein süddt. Superabi finden lassen. Meine Vermutung ist, dass es dieses Superabi immer mehr Legende als Wirklichkeit war oder sich zumindest nur auf einige Fächer oder Gebiete beschränkte - gerade der Stadt-Land-Gegensatz könnte hier interessant sein.
Man sollte sehr genau hinsehen. Natürlich wird an vielen Stellen versucht, ein höheres Leistungsniveau als das tatsächliche Niveau vorzutäuschen. Bildungspolitik ist leider in manchen Bereichen nahezu synonym mit Bilanzfälschung. In der Mathematik dient z. b. der GTR dazu, auch erlaubte Formelsammlungen z. B. Dadurch muss es nicht leichter werden, es wird es aber, wenn man die Aufgaben nicht entsprechend anpasst.
Auf der anderen Seite gibt es u. a. auch noch den zu prüfenden Umfang. Der hat sich durchs Zentralabitur nach meinen Beobachtungen z. B. bei Mathematik Grundkurs in Hessen oder NRW eher erhöht, da kommen eben zumindest schriftlich zu allen Themen Aufgaben und vorher kann man eben nix weglassen, was drankommen kann, während die Lehrkräfte vor dem Zentralabitur ihre Vorschläge auf das abstimmen konnten, was sie durchgenommen hatten.
Übrigens sollte klar sein, dass es durch zentrale Prüfungen zu großen Benachteiligungen von Kursen kommen kann, bei denen aus verschiedenen Gründen der nötige „Stoff“ nicht geschafft werden kann …. sei es Krankheit von Lehrkräften oder eine besonders schwierige Lerngruppe.
Durch die Zentralisierung ist das Abitur vorhersehbarer (und somit „leichter“?) geworden, was sich durch eine nationale Zentralisierung noch verstärken würde. Auf der einen Seite ist ein mehr an Transparenz gut, wenn die Schülerinnen und Schüler wissen, was von ihnen erwartet wird, können sie sich besser vorbereiten. Dazu könnte diese Transparenz Herkunftseffekte verringern, weil womöglich mehr das abgeprüft wird, was wirklich in den Schulen durchgenommen wird, es also weniger auf die Bildungssituation zu hause ankommen würde. Auf der anderen Seite ist es eben leichter, durch Büffeln und Üben durchzukommen. Und so kommen womöglich mehr Menschen an die Unis, die nicht annähernd die akademische Herkunft haben wie die Lehrenden dort. Die bringen womglich einen ganz anderen Habitus mit, der dann manchen negativ auffällt.
Worum es mir in erster Linie geht: Man sollte nicht so voreilig Behauptungen über sehr komplexe Zusammenhänge aufstellen. „Es machen heute so viele Abitur, weil das so leicht geworden ist.“ wird sich kaum sicher nachweisen lassen und lenkt den Blick weg von anderen möglichen Ursachen.
Es ist oft schon schwierig festzustellen, ob eine einzelne Aufgabe schwieriger ist als eine andere (btw … schwieriger für wen?) In vielen Fällen würden selbst Schüler mit derselben Mathematiknote eine Mathematikaufgabe als unterschiedlich schwer empfinden. Betrachten wir nicht mehr nur die Aufgabe, sondern die Bepunktung, wird es noch einmal komplexer.
Beim Abitur handelt es sich jetzt um ein Aufgabenbündel mit vielen möglichen Zusammenstellungen – nochmal komplexer. Dann müsste man es eigentlich noch in Verbindung setzen zu Unterrichtsqualität – die sich auch wiederum sehr schwer messen lässt. Denn es könnte ja sein, dass der Unterricht besser geworden und daher die Aufgaben leichter zu bewältigen oder umgekehrt etc.
Möglicherweise ist die Idee, Bildungserfolg unbedingt ganz genau messbar machen zu wollen, schon problematisch. Möglicherweise wäre es z. B. interessanter, Studierende zu befragen, inwiefern sie sich durch ihre Schulkarriere gut vorbereitet fühlen auf die Anforderungen der Unis.
Gruß
C