Leichtathletikforum.com
Harald Lesch über unser Bildungssystem - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Off-Topic (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=9)
+--- Forum: Plauderecke (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=14)
+--- Thema: Harald Lesch über unser Bildungssystem (/showthread.php?tid=1933)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7


Harald Lesch über unser Bildungssystem - Atanvarno - 30.06.2016

Physik-Professor Harald Lesch mit scharfer Kritik am deutschen Bildungssystem und ein paar radikalen Änderungsvorschlägen.
Für einige vielleicht überraschend spricht er sich sehr deutlich für Sport als wichtiges, weil kreativitätsförderndes Unterrichtsfach aus

https://www.youtube.com/watch?v=Wj-KTcxjLqs


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - lor-olli - 01.07.2016

Ich könnte aus dem Stehgreif jetzt 10 Argumente hinknallen, die man Lesch entgegenhalten würde, viele davon vorgetragen von Leuten die ihm insgeheim recht geben, die aber so sehr im System verfangen sind, dass sie gar keinen Tellerrand sehen, geschweige denn über ihn hinaus blicken könnten…

Seine Verwendung des Begriffs “G8-Zuchthaus" lässt mich aber auch bei ihm eine gewisse Entmutigung spüren. Wer, wenn nicht vor allem auch Akademiker seiner Gnaden aus dem Bildungssystem heraus könnten etwas ändern? Politiker, auch Bildungspolitiker "müssen" andere Prioritäten setzen…

Und wir schauen trotzdem voller Bewunderung nach Asien (China, Japan, Korea, Singapur) wo der Nachwuchs noch deutlich verschärft nach den Maßstäben unserer Bildungssysteme getrimmt werden. (Sohn einer Bekannten ist gerade aus Singapur zurück, nach einem Auslandssemester - sein Fazit: kaum ein "Westler" würde dort einen Abschluss schaffen, der Druck ist unvergleichlich, Auflehnung dagegen nahezu unbekannt…) Wir KÖNNEN also noch eine Weile in die falsche Richtung steuern. Ich würde gern mit Lesch eine 180 Grad Wende vornehmen, vermute aber, dass man schnell zum bildungspolitischen Geisterfahrer erklärt und ausgebremst würde…


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - dominikk85 - 01.07.2016

Die Frage ist doch überhaupt wo man hin will. Es wird immer nur abstrakt das Bildungssystem kritisiert, aber wohin will man?

Die einen beklagen sich, dass ein Studierter wie ich nichtmal mehr die deutsche Rechtschreibung beherrscht. Diese Leute fordern mehr "Drill" in den Kernfächern (Mathe, Deutsch, Englisch), was im Prinzip dem Asiatischen Modell entspricht.

Die anderen wie Lesch fordern weniger Drill und mehr Kreativität.

Und dann gibt es noch den Konfliktpunkt Masse vs. Klasse. Die einen fordern mehr Durchlässigkeit für untere soziale schichten und wollen insgesamt mehr Abiturienten und Uni Absolventen. Die Lösung dafür ist es Abi und Uni (FH) zu erleichtern, so dass möglichst viele Studieren.

Andere wollen Top Elite haben und daher die Anforderungen verschärfen. das hört sich zwar erstmal gut an, aber 10% Elite und 90% geringer Qualifizierte zu haben ist auch nicht gut.

Man kann sicher Dinge verbessern, aber es gibt auch sehr viele gegenläufige Ziele, die sich nur schwer vereinbaren lassen.


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - MZPTLK - 01.07.2016

Wie Bildungskatastrophe?
Da sind doch Jauch und die anderen Quizzer auf allen Kanälen vor! Idea
Und Wikipedia sowieso. Idea

Lescha Ansichten zum sozialen Jahr, zur Interdisziplinarität und zu den musischen/kreativen Fächern teile ich.
Das Internet wird das Bildungswesen noch in dieser Generation umkrempeln.


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - Atanvarno - 01.07.2016

Noch was zum Thema Bildungssystem von einem sehr wütenden jungen Mann, der auch mehr Praxisbezug in den Unterrichtsinhalten fordert (und nur falls jemand, wie viele in den Kommentaren unter dem Video, meint, er wäre nur zu faul/dumm komplexe Themen zu verstehen - er hat einen naturwissenschaftlichen Universitätsabschluss)

https://www.youtube.com/watch?v=8xe6nLVXEC0


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - RalfM - 01.07.2016

Der Typ könnte einfach sagen: Ich bin ein Idiot, ich würde mich ja gerne für die Welt interessieren, aber sie interessiert mich nicht genug - und ihr seid alle schuld!

Das wäre kürzer gewesen.


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - Atanvarno - 02.07.2016

Sein Punkt, den ich nachvollziehbar finde: Wenn wir den Lehrplan mit lebensfernen Inhalten vollstopfen, erwarten, dass diese beherrscht werden und von der Bewertung des Grades der Beherrschung entscheidend die Chancen auf späteres berufliches Fortkommen abhängen, dann werden diese lebensfernen Inhalte vorrangig gelernt und es bleibt wenig Zeit, um sich, wie du es sagst, für die Welt zu interessieren.
Mache ich hingegen "die Welt" zum Teil des Schulunterrichts, bereite ich junge Menschen besser darauf vor und habe noch den Vorteil, dass sich mit den komplexeren Inhalten, die dann freiwillig besucht werden können, nur die Leute beschäftigen, die daran interessiert und dafür motiviert sind. "win-win" wie das so schön auf neudeutsch heißt.

Bist Du der Meinung, dass unser Schulsystem überwiegend Menschen entlässt, die auf "das Leben/die Welt" gut vorbereitet sind?


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - MZPTLK - 02.07.2016

Seit laaaanger Zeit ist es so, dass die Lehrer - auch die Universitäts-L. - ihr Brot im Paralleluniversum Staat verdienen.
Ihr Werdegang war allermeistens Schule-Uni-Schule, unter vorsätzlicher oder fahrlässiger Vermeidung von Berufspraxis.
Daraus erklären sich viele, wenn nicht die meisten Misstände.
Wenn ich nicht permanent von den Lackmustests der Lebenswirklichkeiten abhängig bin,
sondern von den formellen und informellen  Regeln der Gilde-Inzucht,
orientiere ich mich entsprechend perspektiv.
Man braucht sich über die (Selbst-)Selektion des Personals also nicht zu wundern.
Aber es und sie sind nicht alle sooo schlecht, das 'System hat auch Vorteile.


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - Pollux - 02.07.2016

UFF! 
Sport, Lebensbezug, Praxisnähe, Kreativität, Hirnwachstum.... Da fiele mir nur Kunstradfahren als Unterrichtsfach ein! 

https://www.youtube.com/watch?v=zKDfOQCo5tM


RE: Harald Lesch über unser Bildungssystem - icheinfachma - 03.07.2016

Schule soll auch nicht zum Spaßverein werden, in dem ein bisschen Kreativität und Freude gefördert werden soll, sondern sie soll unsere zukünftigen Fachkräft vorbereiten. Wenn wir in der Schule kein Chemie und Biologie unterrichten, wird das nichts mit Ärzten, ohne Physik ist ein Ingenieursstudium schwer vorstellbar, ohne Mathematik und Wirtschaft werden wir keine Unternehmer haben. Ohne solide Englischkenntnisse hat man sowohl als Wissenschaflter als auch als Unternehmer keine Chance aufgrund der vielen internationalen Zusamemnarbeiten. Sichern uns, mal überspitzt gesagt, Kunstradfahren und Tanzen im Sportunterricht das Fortbestehen unser wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Stärke? Ich finde, dass auch der Lackmus-Test im Chemieraum seine Berechtigung hat, auch wenn er weder "kreativ" ist, noch Spaß macht. Die Schüler können schon etwas dafür tun, auch in Zukunft in einer luxoriösen und modernen Gesellschaft leben zu können. (Über die Geisteswissenschaften und Künste lässt sich auf diese Weise allerdings nicht diskutieren - deren Berechtigung muss man ganz anders begründen bzw. wiederlegen und hier auch die neohumanistischen Werte heranziehen, die unsere Gesellschaft prägen.)

Soweit zu den Gymnasien. Die Realschulabsolventen dagegen werden vor allem Ausbildungen im technischen / industriellen und im kaufmännischen / verwaltungswirtschaftlichen Bereich machen, einige werden auch soziale Berufe ergreifen. Und da passt der vorherrschende Fächerkanon dann nicht. Technische, verwalterische, kaufmännische und soziale Fächer bleiben da auf der Strecke.

Ich möchte also darauf aufmerksam machen, dass das Anprangern der "Lebensferne" der Schule eine einseitige Darstellung ist.

Ich persönlich fände ein Schulsystem ideal, das nach einer Grundschule von 4 Jahren bereits Schüler mit besonderen Lernschwierigkeiten in Förderschulen schickt, um ihnen dort eine Lernumgebung zu bieten, in der sie sich nicht permanent am unteren Ende des Leistungsgefüges einer Klasse sehen. Außerdem sind Lehrkräfte, die Gymnasial- oder Realschulllehramt studiert haben, wenig oder gar nciht im sonderpädagogischen Bereich ausgebildet. Eine angemessene pädagogische Betreuung funktioniert natürlich nur mit genügend Lehrkräften - in Deutschland also unmöglich, da steckt man das Geld lieber in andere Bereiche. (Vom Haushaltsüberschuss hat das Bildungssystem ja besonders viel gesehen). Das Ziel dieser Schule ist, auch lernbehinderte Schüler möglichst zur Berufstätigkeit und damit zum selbstständigen Broterwerb zu führen. Hilfsarbeiter stellen erfordern oft auch Lese- und Schreibfähigkeiten, einen sicheren Umgang mit Grundrechenarten und soziale / kommunikative Fähigkeiten, sodass ich diese Kompetenzen in den Vordergrund stellen würde. Kunst- u. Musikunterricht sind ebenfalls denkbar.

Die anderen Schüler würde ich eine Gesamtschule besuchen lassen, in der sie in den Fächern unterrichtet werden, die die Grundlage für alles weitere bilden, also eine weitere muttersprachliche Bildung, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Wirtschaft und in angemessenem Umfang technischer Unterricht. Deutsch und Mathe sind nunmal die Grundlage für alles weitere (auch kaufmännische, technische Berufe) und ein 5.-Klässler hat da noch sehr viel zu lernen. Diese Fächer sind also nciht nur für angehende Akademiker wichtig. Nach 10 Klassen legen alle Schüler einen Realschulabschluss ab und können dann eine Ausbildung machen. Fächer wie Kunst und Musik werden aus pädagogischen Gründen unterrichtet, außerdem geschichtlich-politische Bildung u. Erziehung, zum Ersticken rechter und linker Tendenzen bzw. zur Förderung der Orientierung an der polit. Mitte (setzt natürlich voraus, dass man selbst mittige Ansichten hat, was aber im aktuellen polit. System der Fall ist.)

Ein geringer Prozentsatz, vielleicht die besten 15-20% (im Gegensatz zu den aktuell über 40%) dürfen die Schule fortsetzen und ihr Abitur in 2 oder 3 Schuljahren ablegen. In der Sek II werden dann neben MINT, Engl. und Wirtsch. auch in humanistischer Tradition Fächer wie Philosophie und Literatur unterrichtet und es herrscht eine starke Orientierung an einem zukünftigen Studium.

Im Prinzip würde ich also schlicht das beste aus DDR- und aktuellem Schulsystem vereinigen.