11.07.2016, 11:32
(09.07.2016, 10:03)Atanvarno schrieb: Selbst wenn ein Lehrer interessanten Unterricht gestalten wollen würde - er könnte es nicht, weil er seinen Schülern die Rezepte beibringen muss, die in den zentralen Klausuraufgaben abgefragt werden.
Ja da stimme ich dir weitgehend zu. Das Zentralabitur (ver-)führt mehr den je zu „teaching to the test“. Das ermöglicht vielen, das Abitur zu schaffen, aber einige Kompetenzen, die an den Hochschulen (und nicht nur da) sehr hilfreich wären, werden nicht wirklich erworben, auch wird eben häufig nicht nachhaltig gelernt, sondern vieles schnell wieder vergessen.
Zur Klarstellung: Das bedeutet nicht, dass das Abitur an sich signifikant leichter geworden wäre. Es bedeutet, dass es nicht zwingend die zum nächsten Bildungsabschnitt passenden Strategien und Kompetenzen erfordert und überprüft (auch nix neues, die entsprechenden Klagen von Uni Seite gibt es schon lang). Viele SuS müssen sehr viel und diszipliniert lernen um das Abi zu schaffen und tun das auch.
In vielen Nebenfächern und auch in Grundkursen der Hauptfächer ist das Abitur nach meiner Einschätzung durch das Zentralabitur schwerer geworden, in dem Sinne, dass es mehr Lernaufwand erfordert als z. b. vor 20 Jahren. Was aber eben auch nicht bedeutet, dass die Abiturienten heute im Schnitt deutlich mehr drauf hätten.
Und man muss fachspezifisch hinschauen: In der Biologie ist das Wissen auch durch Genforschung massiv angestiegen, da haben sich die Inhalte des Schulfachs auch stark verändert. In Mathematik sind dagegen ca.95% des Inhalts >=200 Jahre alt.
(09.07.2016, 10:03)Atanvarno schrieb: Eine grundlegende Änderung des Unterrichtskonzepts wäre aus meiner Sicht aber auch nur möglich, wenn dann auch die Art und Weise wie das erworbene Wissen überprüft wird, sich ändert. Mathematisches Verständnis kann ich nicht in einer dreistündigen Klausur abfragen. (@C haben die Didaktiker dazu auch ein paar schlaue Ideen?)
Doch man kann das schon. Es wird auch in Teilbereichen von manchen aktuellen Abituraufgaben gemacht, vielleicht kann ich später noch ein Beispiel bringen. Allerdings können die Kandidaten diese Teilaufgaben vermutlich meist weglassen und dennoch eine mind. befriedigende Note erzielen, wenn sie den Rest solide nach Rezept abarbeiten.
Man könnte insgesamt offenere Aufgaben stelle, mehr Transfer verlangen etc. Das würde aber wieder schlecht zum gängigen Unterricht passen. Und natürlich sind auch in der Mathematik andere Prüfungsformen möglich – einige davon passen vielleicht nicht gut ins Abitur, aber in der Qualifikationsphase könnte man sicher die ein oder andere Klausur durch eine alternative Prüfungsform ersetzen: Z. B. Portfolio, Projektprüfung, Facharbeit, mündliche Prüfung etc. Es ist insgesamt enttäuschend, wie wenig die Prüfungsformen in den Schulen meist variieren, und an den Hochschulen ist es leider ähnlich – an der modernen „Massenuni“ spielt natürlich auch der Korrekturaufwand eine entsprechend massive Rolle.
Meine Vermutung ist, dass sich alle vor der Umstellung auf mehr Mathematik im Mathematikunterricht (MU) scheuen, weil sie die Reaktionen fürchten … denn dann müssen die SuS mehr und kreativer denken und das fällt denen schwer, die sich daran gewöhnt haben, mit Fleiß und Drill weiter zukommen. Und gerade bei der Umstellung würde da erst einmal einiges knirschen, dass riefe die Eltern auf den Plan …
Eigentlich ist der aktuell gängige MU gerade auch angesichts der Tatsache, dass wohl >90% der SuS von Stufe 8 und aufwärts mit einem hochleistungsfähigen Taschencomputer (Smartphone) in die Schule kommen, nicht zu rechtfertigen. Es gäbe massive Möglichkeiten, den Rechenknecht rechnen zu lassen und mehr Mathematik zu machen. Aber die Unterschiede zwischen dem Abi für GTR und dem normalen sind schon so gering … da wird sich kurz- und auch mittelfristig nicht viel bewegen.
Gruß
C