09.07.2016, 12:30
(09.07.2016, 09:56)Pollux schrieb: Nö Nö, Herr C! Egal, ob man deine Ausführungen in allen Punkten unterschreiben kann: sie zeugen von viel Beschäftigung und ebenso viel Kenntnis.
Ich wollte eigentlich nur darauf hinweisen, dass der vermeintliche Qualitätsrückgang eines „inflationierenden“ Abiturs (also die Gegenposition hier) auch auf der schlichten Tatsache beruhen kann, dass man sich in kaum einem Schulfach noch auf elementare Inhalte konzentriert. (Stattdessen ufern die Inhalte aus) Mit der Folge, dass man gar nichts richtig gut beherrscht, aber von allem schon man was gehört hat. Das ist u.a. meine Erfahrung mit dem eigenen Nachwuchs. Zu
Erstmal danke für die Blumen. Und mich mit so etwas zu beschäftigen war und ist eben Teil meines Jobs bzw. meines Bildungswegs. Ja, ich glaube ich verstehe was du meinst. Das ist ein Punkt.
Es wird zu wenig darauf geachtet, dass es bei den SuS zu einem echten Erkenntnisgewinn gekommen ist. Dann gibt es den Glauben daran, dass Abwechslung bei den Themen per se nützlich ist, anstatt darauf zu achten, so lange bei einer Sache zu bleiben, bis zumindest die Grundkonzepte eines Themenfeldes verstanden wurden.
Ein Klassiker (aber ein altes Problem was nicht durch die letzten Reformen bedingt wurde) für mangelhafte Lehrplankonzepte in der Mathematik ist z. B. die Prozentrechnung. Sie wird meist – durch die großen Ferien getrennt von der Bruchrechnung – nach den Ferien in Stufe 7 eingeführt.
Dann gibt es das Problem, dass Äquivalenzumformungen und Rechnen mit Variablen noch nicht eingeführt wurde, es also eigentlich ein Problem ist, einfach Formeln für Prozentwert etc. einzuführen. Im gymnasialen Bereich wird und wurde es dennoch häufig so gemacht. (Nach dem Motto „Friss oder stirb, wer es nicht hinkriegt hat auf dem Gymnasium eben nix verloren!“)
Im HR-Bereich wird mittlerweile häufig die proportionale Zuordnung benutzt, um Prozente zu berechnen. Ein Umweg, und es muss dafür zwingend die Zuordnung zwischen Bruchrechnung und Prozentrechnung geschoben werden. Die Bruchrechnung ist dann bei denen, die sie nicht wirklich durchdrungen haben, schon halb vergessen.
Eigentlich wäre es ganz einfach: Prozentrechnung ist im wesentlichen Bruchrechnung mit Hundertsteln. Wer die Bruchrechnung wirklich verstanden hat, für den ist die Prozentrechnung ein Klacks. Beides könnte direkt hintereinander gelehrt werden. Bisher hat mir noch niemand zufriedenstellend erklären können, warum es nicht so gemacht wird.
Wie gesagt, ein altes Problem, aber alte Probleme können in einem durch den sozialen Wandel geänderten schulischen Umfeld schwerer wiegen als vormals.
Was dazu kommt, ist der Umgang mit Lücken und Fehlern. In weiten Teile von Schule und Hochschule mangelt es an einer Kultur konstruktiv mit Fehlern umzugehen. So werden viele Mängel unter den Teppich gekehrt.
Ein Beispiel: Das weitgehende Abschaffen des „Sitzenbleibens“ war richtig, denn das zusätzliche Jahr wurden meist zu wenig genutzt. ABER: Die Lücken und Mängel müssen dennoch geschlossen werden, dass sollte z. B. durch Förderunterricht an den öffentlichen Schulen in Kleingruppen passieren. Dieser Bereich ist jedoch trotz dem Trend zu Ganztagsschulen weitgehend in Nachhilfeunterricht privatisiert, was diese Förderung eben nur denen mit dem entsprechendem Kapital ermöglicht. (Nachhilfeunterricht und eine höhere Bereitschaft vieler Eltern, alles ihnen mögliche zu tun, damit der Nachwuchs den höchstmöglichen Schulabschluss machen kann, trägt natürlich auch zu höheren Abiturquoten bei. Dabei gehen z. B. viele Eltern aus der unteren Mittelschicht vermutlich durchaus bis an ihre finanziellen Grenzen. Ob sich das langfristig rechnet und die Betroffenen ihre Entscheidungen überhaupt aus rational-ökonomischen Gründen treffen (können), dazu später mehr.)
Wenn die Schule Schule diese Schüler mit durchzieht, ohne die Lücken zu schließen, verschiebt sie das Problem nur. (Dabei lohnt es sich durchaus, dass bezogen auf bestimmte Bereiche mal sauber volkswirtschaftlich durchzurechnen: Ein Schüler, der ohne Abschluss von der Schule geht, kostet den Sozialstaat in der Gesamtrechnung meist mehr, als wenn man ihm durch gezielte Förderung in der regulären Schulzeit zu einem verwertbaren Abschluss verhilft.)
Gruß
C