(12.07.2015, 11:33)Pollux schrieb: Nietzsche hast du mit Sicherheit nicht mal im Ansatz begriffen. Selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob ich theozentrisch denke oder erkläre: Gott ist eine Erfindung des Menschen. Die der offensichtlich braucht, um sich was vor machen zu können. Der Herr Nietzsche wollte das aber nicht „verhindern“, sondern u.a. die historischen Konsequenzen beschreiben. Ebenso wie die Alternative eines „aufgeklärten“ Standpunkts: der Loslösung von allen Illusionen, incl. der ‚Heilsgeschichte’ des Fortschritts, die selbst noch eine Spätfolge des Gottesglaubens darstellt. Der Herr N. bemühte sich also um einen absolut konsequenten Atheismus – wie übrigens auch um eine Überwindung des Nihilismus.Nietzsche hat sich öfters selbst nicht begriffen, er hat sich öfters widersprochen.
Manchen gefällt diese Offerte, andere finden sie in ihrer möglichen Konsequenz (und der Lesarten und Beanspruchungen) absolut grauslig. Man muss aber kein Nietzsche-Fan sein, um festzustellen, dass seine Position eine MÖGLICHE und (konsistente) Konsequenz des modernen Standpunktes ist. (Was nicht im Mindesten gegen den modernen Standpunkt spricht!) Was heißen soll: wenn es der Herr N. nicht gedacht hätte, hätte es ein anderer getan. (Wahrscheinlich jedoch mit weitaus geringerer literarischer Qualität) Leute, die nicht zum entfesselten Dummschwafeln neigen, sind sich darüber im Klaren. Selbst wenn sie Nietzsches Position kategorisch ablehnen und dabei auf eine gute Begründung bauen können. Nietzsche bleibt eine gewaltige Herausforderung: an uns selbst!
Machmal hat er's gemerkt, manchmal nicht.
Allerdings hat er sich zuweilen darüber lustig gemacht.
Ein Chaot, der hier und da tief gedacht hat, ohne aber durchgängig systematisch werden zu können - oder zu wollen?
Zum Agnostiker hat es offenbar auch nicht gereicht.
Er hat Kant, Hegel und Andere zuwenig zur Kenntnis genommen,
denn dann hätte er sich auch nicht so schwer getan mit seinen unnötigen atheistischen Krampfereien
und dem unnötigerweise damit verbundenen missverständlichen/missverstandenem? 'Nihilismus':
Wie eine Loslösung des Menschen von allen Illusionen funktionieren soll,
muss man mir noch genauer erklären.
Nietzsche jedenfalls leistet das nicht, im Gegenteil, er schafft neute Illusionen.
Die historischen Konsequenzen haben andere besser beschrieben.
Er hat zumeist oberflächliche Affirmationen abgesondert(Beispiele erspare ich dem anspruchsvollen Leser), auch weil er es vielfach nicht besser konnte.
Denn sein Geschichtswissen war recht bescheiden.
Und für eine 'Heilsgeschichte des Fortschritts' brauche ich keinen 'Gottes'-Glauben,
dafür genügt das Streben nach einem besseren Leben, Phantasie und Erfindergeist.
Du neigst -wie Nietzsche- oft dazu, unbeliebte Weltsichten aus anderen unbeliebten (mono?)kausal abzuleiten.
Die Geschichte ist viel komplexer.
Nietzsche würde ich eher als Literaten und Mystiker bezeichnen denn als Philosophen.
Viele Irrungen und Wirrungen im rhetorischen Popanz.
(Beispiele erspare ich dem anspruchsvollen Leser)
Eine verführerische Einladung an unheilbringende Simplifizierer.
Edit: Warum soll Wissenschaft keinen Gott postulieren können?
Ich bin Agnostiker, als solcher glaube ich nicht an einen, schliesse ihn als Möglichkeit aber auch nicht aus.
Weil ich es nicht kann und es überhaupt auch (noch?) gar nicht not tut.
Von da ist es nur ein kleiner Schritt zum Postulat(nicht zu verwechseln mit Beweis).
Wissenschaft arbeitet, um mit Heidegger zu reden, an der Lichtung des Seins.
Vielleicht könnte man diese Lichtung als Prozess
oder gar das gelichtete Sein selbst als Gott vermuten /bezeichnen?