26.07.2022, 12:12
Aus meiner Sicht gibt es eine ganze Reihe möglicher Erklärungsansätze für den Trend der jüngeren Vergangenheit. Ein paar Hypothesen dazu:
1. Es fehlt der dt. Leichtathletik zunehmend an Breite bei abnehmender Tendenz. Und das beziehe ich gar nicht mal nur auf die Leistungsbreite im Hochleistungsbereich, sondern es lässt sich doch weit darunter beobachten. Wenn der Verband hier nun "schonungslos" das Abschneiden in Eugene anhand des dortigen Teams analysieren will, greift das doch viel zu kurz. Die immer dünner werdenden Felder bei Landesmeisterschaften und Co. wurden hier schon häufig angebracht. Das sehe ich auch so. Regelrecht geschockt war ich in diesem Jahr allerdings bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm. Da gab es Disziplinen in denen waren nicht einmal 8 Teilnehmer*innen am Start - und das waren keineswegs die Exoten sondern z.B. vom Weitsprung der männlichen Jugend U18 (6!!!). Da sollten doch alle Alarmglocken schrillen. Und da nutzt es auch nichts sich auf Medaillen bei der U18 EM zu berufen wie es Hr. Kessing in den Interviews getan hat. Es ist eine EM (!) im Nachwuchsbereich, die sicher nicht alle Nationen so ernst nehmen. Schaut man sich die Dichte im eigenen Nachwuchs an, sehe ich das für die Zukunft weitaus weniger positiv. Im Erwachsenenbereich sind schon jetzt ganze Disziplinen weggebrochen. Der DLV hat in der Vergangenheit mit eigenen Entscheidungen dazu beigetragen, dass die Leistungsbreite abnimmt. Die durch Verbandspolitik (Corona war hier nicht der Hauptgrund) z.B. immer weiter verschärften Zugangsberechtigungen zu den DM der Aktiven um die Teilnehmerfelder kleiner (und fernsehtauglicher zu machen) und auf z.B. in den Sprints auf zwei Runden zu begrenzen führen u.U. dazu, dass die dritte Reihe an Athlet*innen wegbricht. Das habe ich als Trainer ganz persönlich erlebt. Da wird z.B. die Norm erreicht, da aber eben weniger Athleten verbandsgewollt sind, fällt die Teilnahme dennoch aus. Der Athlet bekommt attestiert (polemisch formuliert) "es reicht ja nicht mal für die Deutschen". Ergebnis - er hört auf. Und das eben gerade in dem viel zitierten Übergangsbereich zwischen Jugend und Erwachsenen. Da wo nach der Schule auch persönliche und berufliche Umbrüche ohnehin eine Fortführung der Laufbahn in Frage stellen. Das dumme ist nur, dass es dem Bundeskaderathleten auf der Trainingsbahn daneben eben auch nicht hilft, wenn sich der Rest seiner Gruppe irgendwann verabschiedet und er allein dasteht. Das geht in die völlig falsche Richtung. Wir brauchen starke Trainingsgruppen und dazu braucht es auch diejenigen die nicht Olympiasieger werden aber eben ggf. andere eigene Ziele wie die DM-Teilnahme realisieren können.
2. Die Qualität der Trainer(aus- und -fortbildung) und der technischen Ausbildung im Nachwuchsbereich sehe ich auch problematisch. Ich kenne das aus dem persönlichen Erleben. Für den Lizenzerwerb braucht es zwei drei Wochenenden und schon hat man die erste Stufe und so weiter und so weiter. Ein Studium etc. oder eine tiefgründig fundierte Ausbildung haben aus meinem Erleben die wenigsten Trainer und Übungsleiter. Natürlich nicht im Spitzenbereich, aber eben sehr wohl darunter. Und dort wird die Nachwuchsarbeit gemacht, da beginnt die Talentförderung.
Zur Verlängerung macht man dann irgendwo hier und da mal eine Fortbildung. In der Regel im eigenen Landesverband bei den Trainerkolleg*innen die man ohnehin regelmäßig sieht und deren Konzept man entsprechend kennt. So schmort jeder so in seinem Saft. Das ist zumindest meine Erfahrung, weshalb ich entsprechende Fortbildungen weitestgehend meide, da ich nur begrenzt Nutzen darin sehe. Sicher gab es in der Vergangenheit im DLV Ansätze externe Referenten einzubeziehen usw. Aber damit erreicht man eben nur einen kleinen Teil der Trainerschaft. Entscheidend ist was an der Basis geschieht, sonst siehe Punkt 1, keine Breite. Ich persönlich bin dazu übergegangen mir selbst Fortbildungen zu suchen, z.B. aus den USA. Das Internet machts möglich. Und da gibt es etwa bei ALTIS von Dan Pfaff, Andreas Behm und Co. sehr gute Module mit weitaus mehr persönlichem Nutzen.
Die abnehmende Qualifikation gerade im Nachwuchsbereich steht aus meiner Sicht auch in Beziehung zur abnehmenden Breite. Über 100m waren etwa bei den DJM relativ (normal) große Felder beobachtbar. Kritisch wird es immer da wo eine fundierte technische Grundausbildung nötig wird. Polemisch gesagt - geradaus laufen geht noch, danach noch abspringen schon oder mit Hürden im Weg schon nicht mehr so oft. Das ist schade. Denn da wird viel Potenzial liegen gelassen. Wenn ich bei Landesmeisterschaften in den Schülerklassen den Hürdensprint beobachte wird mir manchmal Angst und Bange. Vorausgesetzt es gibt denn noch Teilnehmer*innen.
3. die hausgemachten organisatorischen und strukturellen Probleme im DLV. Nun ist wieder eine Freiluftsaison gerade mehr oder minder vorbei (EM mal ausgenommen) und es bleibt bei mir aus dem persönlichen Erleben der Eindruck, dass es an der (Trainer)Basis viel Frust und Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise des Verbandes zu geben scheint. Ich sehe bei den wesentlichen Wettkämpfen im Nachwuchsbereiche (Normwettkämpfe, Galas, DJM, DM U23 usw.) viele Kollegen mit denen man ins Gespräch kommt. Die Rückmeldung ist doch oft die gleiche: was da oben passiert ist einfach nicht mehr nachvollziehbar und an den Bedürfnissen und der Realität vorbei. Die Aussagen sind immer die gleichen: "Ich verstehe es auch nicht mehr. Es macht absolut keinen Sinn..." Dabei geht es oft um organisatorische Entscheidungen die inhaltlich nicht nachvollziehbar sind als auch um Intransparenz. Das frustriert gerade im Nachwuchsbereich talentierte Athleten, die man irgendwann im Zweifel verliert. Und aus ganz persönlicher Sicht kann ich sagen auch ggf. die Trainerschaft. Da fragt man sich doch zunehmend ob man sich das noch antun möchte. Gleichzeitig erlebe ich immer die mangelnde Bereitschaft der Verantwortungsübernahme. Niemand war im Zweifel verantwortlich wenn etwas schief läuft. A schebt es auf B, der auf C und umgedreht. Letztlich erlebt man das in Ansätzen ja auch gerade in den Interviews zur WM-Bilanz in denen die Verbandsspitze die Verantwortung offenar überall sucht, nur nicht bei sich. Das erlebe ich in anderen Bereichen persönlich ebenso.
Spätestens wenn man sich als Trainer-Athlet-Team dazu entscheiden muss etwas so zu planen, organisieren oder durchzuführen wie man es aus eigener individueller Sicht als nicht optimal empfindet nur um den organisatorischen Vorgaben des Verbandes gerecht zu werden, läuft doch gewaltig etwas schief. Da bin ich in mancher Hinsicht bei dem was Gertrud hier desöfteren formuliert. Und das trifft auch in Teilen zu und entspricht meinem eigenen Erleben (in der Arbeit etwa mit eigenen Bundeskaderathleten).
4. Natürlich lassen sich darüber hinaus schwerer werdende gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht negieren. Als Sportlehrer sehe ich nachweisbar im Sportunterricht bereits wie stark die motorischen Fähigkeiten kontinuierlich abnehmen. Und mit entsprechend schlechteren Voraussetzungen kommen Kinder in die Vereine (so sie denn kommen). Aus meiner Sicht bräuchte es ein groß koordiniertes Talentsichtungskonzept unter einer "Marke" bzw. einem Dach. Da mag es in den Landesverbänden unterschiedliche Ansätze geben, ich erlebe aber eher, dass es eher dem Zufall überlassen wird ob ein Verein mit Ehrenamtlichen diesbezüglich etwas tut (tun kann) oder nicht. Vielleicht wäre es schlau mit den vorhandenen Gelden die Strukturen vor Ort so auszustatten, dass sie entsprechende Arbeit leisten können und das unter Berücksichtigung der örtlichen Spezifika. Oder eine Art Talentscouting Programm.
Auch ist die Konkurrenz in der sich die Leichtathletik als Sportart aber auch der Leistungssport insgesamt befindet groß. Das Leben bietet (zum Glück) vielfältige Möglichkeiten aus denen junge Menschen wählen können. Leistungssport ist da nicht immer der attraktivste. Auch da sollte man sich Gedanken machen. Das alles sind Felder auf denen ich vom Verband stärkere Initiative erwarten würde. Und all diese äußeren Faktoren die es der dt. LA zunehmend schwerer machen sprechen umso mehr dafür, dass man die Punkte 1-3, die man ja selbst in der Hand hat, angeht.
1. Es fehlt der dt. Leichtathletik zunehmend an Breite bei abnehmender Tendenz. Und das beziehe ich gar nicht mal nur auf die Leistungsbreite im Hochleistungsbereich, sondern es lässt sich doch weit darunter beobachten. Wenn der Verband hier nun "schonungslos" das Abschneiden in Eugene anhand des dortigen Teams analysieren will, greift das doch viel zu kurz. Die immer dünner werdenden Felder bei Landesmeisterschaften und Co. wurden hier schon häufig angebracht. Das sehe ich auch so. Regelrecht geschockt war ich in diesem Jahr allerdings bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm. Da gab es Disziplinen in denen waren nicht einmal 8 Teilnehmer*innen am Start - und das waren keineswegs die Exoten sondern z.B. vom Weitsprung der männlichen Jugend U18 (6!!!). Da sollten doch alle Alarmglocken schrillen. Und da nutzt es auch nichts sich auf Medaillen bei der U18 EM zu berufen wie es Hr. Kessing in den Interviews getan hat. Es ist eine EM (!) im Nachwuchsbereich, die sicher nicht alle Nationen so ernst nehmen. Schaut man sich die Dichte im eigenen Nachwuchs an, sehe ich das für die Zukunft weitaus weniger positiv. Im Erwachsenenbereich sind schon jetzt ganze Disziplinen weggebrochen. Der DLV hat in der Vergangenheit mit eigenen Entscheidungen dazu beigetragen, dass die Leistungsbreite abnimmt. Die durch Verbandspolitik (Corona war hier nicht der Hauptgrund) z.B. immer weiter verschärften Zugangsberechtigungen zu den DM der Aktiven um die Teilnehmerfelder kleiner (und fernsehtauglicher zu machen) und auf z.B. in den Sprints auf zwei Runden zu begrenzen führen u.U. dazu, dass die dritte Reihe an Athlet*innen wegbricht. Das habe ich als Trainer ganz persönlich erlebt. Da wird z.B. die Norm erreicht, da aber eben weniger Athleten verbandsgewollt sind, fällt die Teilnahme dennoch aus. Der Athlet bekommt attestiert (polemisch formuliert) "es reicht ja nicht mal für die Deutschen". Ergebnis - er hört auf. Und das eben gerade in dem viel zitierten Übergangsbereich zwischen Jugend und Erwachsenen. Da wo nach der Schule auch persönliche und berufliche Umbrüche ohnehin eine Fortführung der Laufbahn in Frage stellen. Das dumme ist nur, dass es dem Bundeskaderathleten auf der Trainingsbahn daneben eben auch nicht hilft, wenn sich der Rest seiner Gruppe irgendwann verabschiedet und er allein dasteht. Das geht in die völlig falsche Richtung. Wir brauchen starke Trainingsgruppen und dazu braucht es auch diejenigen die nicht Olympiasieger werden aber eben ggf. andere eigene Ziele wie die DM-Teilnahme realisieren können.
2. Die Qualität der Trainer(aus- und -fortbildung) und der technischen Ausbildung im Nachwuchsbereich sehe ich auch problematisch. Ich kenne das aus dem persönlichen Erleben. Für den Lizenzerwerb braucht es zwei drei Wochenenden und schon hat man die erste Stufe und so weiter und so weiter. Ein Studium etc. oder eine tiefgründig fundierte Ausbildung haben aus meinem Erleben die wenigsten Trainer und Übungsleiter. Natürlich nicht im Spitzenbereich, aber eben sehr wohl darunter. Und dort wird die Nachwuchsarbeit gemacht, da beginnt die Talentförderung.
Zur Verlängerung macht man dann irgendwo hier und da mal eine Fortbildung. In der Regel im eigenen Landesverband bei den Trainerkolleg*innen die man ohnehin regelmäßig sieht und deren Konzept man entsprechend kennt. So schmort jeder so in seinem Saft. Das ist zumindest meine Erfahrung, weshalb ich entsprechende Fortbildungen weitestgehend meide, da ich nur begrenzt Nutzen darin sehe. Sicher gab es in der Vergangenheit im DLV Ansätze externe Referenten einzubeziehen usw. Aber damit erreicht man eben nur einen kleinen Teil der Trainerschaft. Entscheidend ist was an der Basis geschieht, sonst siehe Punkt 1, keine Breite. Ich persönlich bin dazu übergegangen mir selbst Fortbildungen zu suchen, z.B. aus den USA. Das Internet machts möglich. Und da gibt es etwa bei ALTIS von Dan Pfaff, Andreas Behm und Co. sehr gute Module mit weitaus mehr persönlichem Nutzen.
Die abnehmende Qualifikation gerade im Nachwuchsbereich steht aus meiner Sicht auch in Beziehung zur abnehmenden Breite. Über 100m waren etwa bei den DJM relativ (normal) große Felder beobachtbar. Kritisch wird es immer da wo eine fundierte technische Grundausbildung nötig wird. Polemisch gesagt - geradaus laufen geht noch, danach noch abspringen schon oder mit Hürden im Weg schon nicht mehr so oft. Das ist schade. Denn da wird viel Potenzial liegen gelassen. Wenn ich bei Landesmeisterschaften in den Schülerklassen den Hürdensprint beobachte wird mir manchmal Angst und Bange. Vorausgesetzt es gibt denn noch Teilnehmer*innen.
3. die hausgemachten organisatorischen und strukturellen Probleme im DLV. Nun ist wieder eine Freiluftsaison gerade mehr oder minder vorbei (EM mal ausgenommen) und es bleibt bei mir aus dem persönlichen Erleben der Eindruck, dass es an der (Trainer)Basis viel Frust und Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise des Verbandes zu geben scheint. Ich sehe bei den wesentlichen Wettkämpfen im Nachwuchsbereiche (Normwettkämpfe, Galas, DJM, DM U23 usw.) viele Kollegen mit denen man ins Gespräch kommt. Die Rückmeldung ist doch oft die gleiche: was da oben passiert ist einfach nicht mehr nachvollziehbar und an den Bedürfnissen und der Realität vorbei. Die Aussagen sind immer die gleichen: "Ich verstehe es auch nicht mehr. Es macht absolut keinen Sinn..." Dabei geht es oft um organisatorische Entscheidungen die inhaltlich nicht nachvollziehbar sind als auch um Intransparenz. Das frustriert gerade im Nachwuchsbereich talentierte Athleten, die man irgendwann im Zweifel verliert. Und aus ganz persönlicher Sicht kann ich sagen auch ggf. die Trainerschaft. Da fragt man sich doch zunehmend ob man sich das noch antun möchte. Gleichzeitig erlebe ich immer die mangelnde Bereitschaft der Verantwortungsübernahme. Niemand war im Zweifel verantwortlich wenn etwas schief läuft. A schebt es auf B, der auf C und umgedreht. Letztlich erlebt man das in Ansätzen ja auch gerade in den Interviews zur WM-Bilanz in denen die Verbandsspitze die Verantwortung offenar überall sucht, nur nicht bei sich. Das erlebe ich in anderen Bereichen persönlich ebenso.
Spätestens wenn man sich als Trainer-Athlet-Team dazu entscheiden muss etwas so zu planen, organisieren oder durchzuführen wie man es aus eigener individueller Sicht als nicht optimal empfindet nur um den organisatorischen Vorgaben des Verbandes gerecht zu werden, läuft doch gewaltig etwas schief. Da bin ich in mancher Hinsicht bei dem was Gertrud hier desöfteren formuliert. Und das trifft auch in Teilen zu und entspricht meinem eigenen Erleben (in der Arbeit etwa mit eigenen Bundeskaderathleten).
4. Natürlich lassen sich darüber hinaus schwerer werdende gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht negieren. Als Sportlehrer sehe ich nachweisbar im Sportunterricht bereits wie stark die motorischen Fähigkeiten kontinuierlich abnehmen. Und mit entsprechend schlechteren Voraussetzungen kommen Kinder in die Vereine (so sie denn kommen). Aus meiner Sicht bräuchte es ein groß koordiniertes Talentsichtungskonzept unter einer "Marke" bzw. einem Dach. Da mag es in den Landesverbänden unterschiedliche Ansätze geben, ich erlebe aber eher, dass es eher dem Zufall überlassen wird ob ein Verein mit Ehrenamtlichen diesbezüglich etwas tut (tun kann) oder nicht. Vielleicht wäre es schlau mit den vorhandenen Gelden die Strukturen vor Ort so auszustatten, dass sie entsprechende Arbeit leisten können und das unter Berücksichtigung der örtlichen Spezifika. Oder eine Art Talentscouting Programm.
Auch ist die Konkurrenz in der sich die Leichtathletik als Sportart aber auch der Leistungssport insgesamt befindet groß. Das Leben bietet (zum Glück) vielfältige Möglichkeiten aus denen junge Menschen wählen können. Leistungssport ist da nicht immer der attraktivste. Auch da sollte man sich Gedanken machen. Das alles sind Felder auf denen ich vom Verband stärkere Initiative erwarten würde. Und all diese äußeren Faktoren die es der dt. LA zunehmend schwerer machen sprechen umso mehr dafür, dass man die Punkte 1-3, die man ja selbst in der Hand hat, angeht.