15.08.2019, 19:09
(15.08.2019, 16:44)MZPTLK schrieb: Abwegig war die chaotische, weitgehend hilflose Praxis vorher.Dann sag mal ein starkes Argument, wenn Du eins hast.
Der Staat, das Strafrecht muss helfen, wenn die SportVerbände es allein nicht richten können.
Und dass es kein oder zumindest ein Opfer-loses Verbrechen/Vergehen sein soll,
bezweifle ich stark mit starken Argumenten.
Es gibt sehr gute rechtssystematische Argumente dagegen. Dass die Sportverbände es alleine nicht richten können und deswegen das Strafrecht ran soll, ist ein sehr schwaches Argument. Das Strafrecht ist nicht der Ausputzer für alles Mögliche, sondern aus sehr guten Gründen gibt es hohe Hürden, bevor es zur Anwendung kommen sollte. s.u.
Ich bin kein Jurist, aber ich finde zB die in den folgenden Texten dargelegten Argumente, weit überzeugender als nahezu alles, was ich in Foren oder von Journalisten PRO Antidopinggesetze (und die Strafandrohungen im seit 2015 geltenden dt. Recht sind knackig) gelesen habe.
http://www.zis-online.com/dat/artikel/2006_2_12.pdf
https://kripoz.de/2016/10/31/sinn-und-un...e-analyse/
"Strafrecht wird nur als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist.8Ein Rückgriff auf das Strafrecht verträgt sich folglich nicht mit diesen Grundsätzen, soweit allein die Beeinflussung einer gesellschaftspolitischen Großwetterlage bezweckt wird und nicht der verfassungsrechtlich geforderte Rechtsgüterschutz im Vordergrund steht. Eine Strafnorm, die – wie nicht selten in Gelegenheitsstatements zu lesen ist – nur ein positives Signal im Kampf gegen Doping sein will, wird also, ganz unabhängig von dem eher naiven Glauben an den „guten Prinzen Strafrecht“9, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht ohne weiteres gerecht. Gefragt werden muss somit, welches Rechtsgut ein solcher Tatbestand zu schützen beabsichtigt und ob der Schutz dieses Rechtsguts gerade durch das Strafrecht angesichts widerstreitender Verfassungsgüter nicht außer Verhältnis zum erstrebten Zweck gerät." (auf Seite 2 des erste links)
Keiner der drei Punkte aus dem ersten Satz des Zitats (besonders sozialschädlich, unerträglich, dringlich) ist m.E. im Falle des Dopings gegeben. Für mich hängt das v.a. daran, dass es eine Sache INNERHALB des Sports ist und von daher diese Punkte normalerweise gar nicht erfüllen kann; Sport ist eben nur die schönste Nebensache der Welt.
Die von vielen nahezu selbstverständlich angenommene enge Analogie zum Betrug (oder zum Gesetz gegen unlauteren (wirtschaftlichen) Wettbewerb ist den verlinkten Juristen höchstens ein kurzes Absätzchen wert (und wird verworfen).
Gerade die systematisch nachrangige ermittlungstechnische Motivation ist kein guter Grund, das Strafrecht zu bemühen. (Mal abgesehen davon, dass es polizeistaatliches Denken ist, Strafrecht wegen Ermittlungstaktik anzuwenden, selbst wenn die systematische Begründung dafür (ultima ratio beim Schutz eines hohen Rechtsguts) nicht gegeben ist.)
Strafrechtlich muss man sich zB nie selbst belasten. Auch ist es strafrechtlich kaum möglich, jemand Unbescholtenen zu Tests zu zwingen. Auf beides muss sich ein Sportler aber lange schon verbandsrechtlich (um überhaupt starten zu dürfen) einlassen. Das System der verdachtsunabhängigen, jederzeit möglichen Dopingproben, Aufenthaltsmitteilungen usw. funktioniert nur, weil dieser Bereich jetzt schon viel strenger reglementiert ist, als das Strafrecht je zulangen dürfte. Denn das sind ja alles erhebliche Einschränkungen Freiheit, Menschenwürde usw., die der Sportler nur freiwillig zulässt.
Und nochmal zur Klarstellung: Ich trete keineswegs für eine Freigabe oder ein stillschweigendes Dulden von Doping ein.
Ich hätte keine grundsätzlichen Einwände gegen härtere Strafen und Sperren (oder Ausdehnung auf künftige Berufsverbote, so dass ein Ex-Doper nicht als Trainer arbeiten kann usw.) und evtl. Zivilprozesse von Sponsoren oder Verbänden. Oder gegen noch engere Überwachung, Bio-Pässe etc. (all das geht, wie gesagt, nur diesseits des Strafrechts, weil ein Sportler sich nur als Verbandsmitglied auf diese Zwangsmaßnahmen und Kontrollen einlassen muss.) Wobei auch da die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss.
Es geht mir nur darum, dass das Strafrecht hier nichts verloren hat.
Noch eine andere Sache ist, dass bestimmte Verhaltensweisen von Ärzten und Trainern auch schon vor der 2015 verabschiedeten Gesetzgebung strafbewehrt waren, aber eben unter Körperverletzung.