01.01.2019, 13:15
Leistung
Teil 10/7: Werte
Werte-Hierarchie(n)
'Nun zittern wir in der Nacktheit eines Nihilismus,
in der grösste Macht sich mit grösster Leere paart,
grosses Können mit geringstem Wissen davon:
Wozu?'
(Hans Jonas)
Sinn- und Planlosigkeit, Desorientierung und Dekonstruktion
scheinen die heutige Zeit zu dominieren:
'Ich bin der Auffassung, dass die politischen Eliten
- und an erster Stelle die verzagten sozialdemokratischen Parteien -
ihre Wähler normativ unterfordern.
Ansatt Mut zum eigenen Handeln zu beweisen....
versinken die politischen Eliten im Sog eines kleinmütigen,
demoskopische gesteuerten Opportunismus kurzfristiger Machterhaltung.'
(Jürgen Habermas 2018)
'Es ist wahnsinnig attraktiv, andere für sich denken zu lassen,
denn jede Form der eigenständigen Orientierung bedeutet Aufwand(Leistung/MZPTLK).
Sie kostet etwas, nicht zuletzt Zeit.
Man muss Mühen auf sich nehmen, Widerstände überwinden.
Wer willentlich von der Norm abweicht, muss mehr Aufwand betreiben,
muss Rechenschaft ablegen, muss sich erklären(Verantwortung/MZPTLK).
Insofern ist Zustimmung immer viel bequemer
und damit sozial gesehen auch immer viel wahrscheinlicher.'
Welzer)
Vielleicht haben wir zuviel Thomas von Aquin(Mittelalter) gelesen?
'Wir können die moralische Handlungsorientierung nicht aus Spekulation
über Sinn und Ziel der Geschichte schöpfen.,
den dieser Sinn enthüllt sich immer erst nachträglich.'
Prima, dann müssen wir uns ja vorher keinen Kopp machen, oder?
Auch der Spiegel lebte Jahrzehnte lang von der Nicht-Konstruktion.
Dieses Geschäft ist viel leichter, als aus - durchaus zutreffenden - ex-post-Analysen
konstruktive Verbesserungsvorschläge zu generieren.
Und vor allem: Man setzt sich der Kritik aus, macht sich angreifbar.
Eunuchen-Journalismus.
Das hatte natürlich fatale Folgen in den Köpfen der Leser-Klientel.
Phantasiearmut, mangelnde Zivilcourage, Verantwortungslosigkeit.
Das Geschäft der Dekonstruktion ist leicht.
Es ist mühevoll, ein Haus aufzubauen, seine Zerstörung ist ein Klacks.
Nietzsche wollte Werte umwerten, bei der Dekonstruktion war er nicht ganz schlecht,
aber er hat sehr schnell festgestellt, dass die Konstruktion neuer, besserer Werte
ein paar Nummern zu gross und zu schwierig für ihn ist.
Noch heute sind diverse ethische-metaethische Probleme kaum gelöst:
- Konflikte zwischen Moralprinzipien
- Verwendung von 'gut' attributiv oder prädikativ?
- Verhältnis Macht-Moral
- Relativismusproblem
- Willensschwäche, Motivation
usw...
Wie schwierig die Materie ist, kann folgende dialektische Gegenüberstellung(Steinvorth 2017) zeigen:
'Kann Leben heute absoluten Sinn haben?
1. Nein, denn:
- Jeder möglich Sinn oder Wert verhält sich relativ zu meinem Willen
- In pluralistischen Gesellschaften muss jeder seinen Lebenssinn frei wählen dürfen,
solche Freiheit schliesst absoluten Sinn aus
- Wert-Relativismus impliziert keine moralische Anarchie,
da er mit universal gültigen Rechtsprinzipien vereinbar ist.
- Absoluter Sinn muss unfehlbar begründet werden, was unmöglich ist.
2. Ja, denn:
- Wenn Lebenssinn nur relativ ist, kann er keinen Sinn stiften
- Absoluter Lebenssinnn kann individuell und doch Pluralismus-verträglich sein.
- Ohne etwas Absolutes im Leben wird das Leben beliebig
und Unmoral erlaubt, die auch Rechtsprinzipien nicht verhindern können.
- Annahmen über Absolutes können und müssen kritisiert werden.'
Und dann kommt noch Daniel Bray:
'Die Gültigkeit von Prinzipien hängt von ihrer Anwendbarkeit auf Situationen ab,
für sich haben sie keine normative Kraft.'
Wenn das stimmt, dann könnte der Mensch per Ignoranz und/oder Willkür
sämtliche Prinzipien ungültig machen - und er tut es!
Hier wird deutlich, dass Menschen hohe kognitive und moralische Leistungen abverlangt werden,
wenn sie - individuell und sozial - ein gutes und gerechtes Leben führen wollen.
Sogar die 'hohe' Wissenschaft hat Schwierigkeiten:
'Eine der grössten Beschränkungen, unter denen die politische Philosophie der Gegenwart leidet,
ist ihre Abkoppelung von der Gesellschaftsanalyse
und damit die Fixierung auf rein normative Prinzipien..'
(Axel Honneth)
Max Weber meinte, dass die Philosophie das Werte-Problem nichtv lösen kann.
Aber kann es irgendeine andere 'Wissenschaft'?
Der logische Positivismus meint, dass nur Sätze der Naturwissenschaften wahr sein können.
Und: es gäbe keine synthetischen Sätze a priori.
Beides ist dialektisch inkonsistent.
Jeder normative Satz ist a priori.
Auch von den Sozialwissenschaften allein kann das Werte-Problem nicht gelöst werden,
'Sie können bestenfalls - im Funktionalismus und in der Systemtheorie -
erklären, was die Funktion bestimmter Werte für das Bestehen einer Gesellschaftsform ist.'
(Hösle)
Das normative Defizit, dass die 'moderne' Philosophie mit sich rumschleppt,
steht einer Verabsolutierung, mindestens Dominanz, technischer-ökonomischer Zweckrationalität gegenüber.
Der Niedergang der Wert-Rationalität bedeutet,
dass der Destruktivität der oberflächlichen, kurzfristig gedachten Zweck-'''Rationalität'''
zuwenig entgegen gesetzt wird, geschweige Zukunft-sichernde Grenzen gesetzt wrden.
Es ist Menschen-gemacht, nicht-nachhaltige Zweckrationalität ist motivational nun mal attraktiver
und unmittebarer(Zeit-Teufel, Nähe-Teufel) als die schwieriger zu begreifende
und weiter weg zu erwartende Wirkung der Wert-Rationalität.
Hinzu kommt, dass den Gefahren technisch-ökonomischer Zweckrationalität
oft nur mithilfe derselben wirksam begegnet werden kann.
Was in der Welt ist, kann nicht einfach weg-philosophiert werden.
Teil 10/7: Werte
Werte-Hierarchie(n)
'Nun zittern wir in der Nacktheit eines Nihilismus,
in der grösste Macht sich mit grösster Leere paart,
grosses Können mit geringstem Wissen davon:
Wozu?'
(Hans Jonas)
Sinn- und Planlosigkeit, Desorientierung und Dekonstruktion
scheinen die heutige Zeit zu dominieren:
'Ich bin der Auffassung, dass die politischen Eliten
- und an erster Stelle die verzagten sozialdemokratischen Parteien -
ihre Wähler normativ unterfordern.
Ansatt Mut zum eigenen Handeln zu beweisen....
versinken die politischen Eliten im Sog eines kleinmütigen,
demoskopische gesteuerten Opportunismus kurzfristiger Machterhaltung.'
(Jürgen Habermas 2018)
'Es ist wahnsinnig attraktiv, andere für sich denken zu lassen,
denn jede Form der eigenständigen Orientierung bedeutet Aufwand(Leistung/MZPTLK).
Sie kostet etwas, nicht zuletzt Zeit.
Man muss Mühen auf sich nehmen, Widerstände überwinden.
Wer willentlich von der Norm abweicht, muss mehr Aufwand betreiben,
muss Rechenschaft ablegen, muss sich erklären(Verantwortung/MZPTLK).
Insofern ist Zustimmung immer viel bequemer
und damit sozial gesehen auch immer viel wahrscheinlicher.'
Welzer)
Vielleicht haben wir zuviel Thomas von Aquin(Mittelalter) gelesen?
'Wir können die moralische Handlungsorientierung nicht aus Spekulation
über Sinn und Ziel der Geschichte schöpfen.,
den dieser Sinn enthüllt sich immer erst nachträglich.'
Prima, dann müssen wir uns ja vorher keinen Kopp machen, oder?
Auch der Spiegel lebte Jahrzehnte lang von der Nicht-Konstruktion.
Dieses Geschäft ist viel leichter, als aus - durchaus zutreffenden - ex-post-Analysen
konstruktive Verbesserungsvorschläge zu generieren.
Und vor allem: Man setzt sich der Kritik aus, macht sich angreifbar.
Eunuchen-Journalismus.
Das hatte natürlich fatale Folgen in den Köpfen der Leser-Klientel.
Phantasiearmut, mangelnde Zivilcourage, Verantwortungslosigkeit.
Das Geschäft der Dekonstruktion ist leicht.
Es ist mühevoll, ein Haus aufzubauen, seine Zerstörung ist ein Klacks.
Nietzsche wollte Werte umwerten, bei der Dekonstruktion war er nicht ganz schlecht,
aber er hat sehr schnell festgestellt, dass die Konstruktion neuer, besserer Werte
ein paar Nummern zu gross und zu schwierig für ihn ist.
Noch heute sind diverse ethische-metaethische Probleme kaum gelöst:
- Konflikte zwischen Moralprinzipien
- Verwendung von 'gut' attributiv oder prädikativ?
- Verhältnis Macht-Moral
- Relativismusproblem
- Willensschwäche, Motivation
usw...
Wie schwierig die Materie ist, kann folgende dialektische Gegenüberstellung(Steinvorth 2017) zeigen:
'Kann Leben heute absoluten Sinn haben?
1. Nein, denn:
- Jeder möglich Sinn oder Wert verhält sich relativ zu meinem Willen
- In pluralistischen Gesellschaften muss jeder seinen Lebenssinn frei wählen dürfen,
solche Freiheit schliesst absoluten Sinn aus
- Wert-Relativismus impliziert keine moralische Anarchie,
da er mit universal gültigen Rechtsprinzipien vereinbar ist.
- Absoluter Sinn muss unfehlbar begründet werden, was unmöglich ist.
2. Ja, denn:
- Wenn Lebenssinn nur relativ ist, kann er keinen Sinn stiften
- Absoluter Lebenssinnn kann individuell und doch Pluralismus-verträglich sein.
- Ohne etwas Absolutes im Leben wird das Leben beliebig
und Unmoral erlaubt, die auch Rechtsprinzipien nicht verhindern können.
- Annahmen über Absolutes können und müssen kritisiert werden.'
Und dann kommt noch Daniel Bray:
'Die Gültigkeit von Prinzipien hängt von ihrer Anwendbarkeit auf Situationen ab,
für sich haben sie keine normative Kraft.'
Wenn das stimmt, dann könnte der Mensch per Ignoranz und/oder Willkür
sämtliche Prinzipien ungültig machen - und er tut es!
Hier wird deutlich, dass Menschen hohe kognitive und moralische Leistungen abverlangt werden,
wenn sie - individuell und sozial - ein gutes und gerechtes Leben führen wollen.
Sogar die 'hohe' Wissenschaft hat Schwierigkeiten:
'Eine der grössten Beschränkungen, unter denen die politische Philosophie der Gegenwart leidet,
ist ihre Abkoppelung von der Gesellschaftsanalyse
und damit die Fixierung auf rein normative Prinzipien..'
(Axel Honneth)
Max Weber meinte, dass die Philosophie das Werte-Problem nichtv lösen kann.
Aber kann es irgendeine andere 'Wissenschaft'?
Der logische Positivismus meint, dass nur Sätze der Naturwissenschaften wahr sein können.
Und: es gäbe keine synthetischen Sätze a priori.
Beides ist dialektisch inkonsistent.
Jeder normative Satz ist a priori.
Auch von den Sozialwissenschaften allein kann das Werte-Problem nicht gelöst werden,
'Sie können bestenfalls - im Funktionalismus und in der Systemtheorie -
erklären, was die Funktion bestimmter Werte für das Bestehen einer Gesellschaftsform ist.'
(Hösle)
Das normative Defizit, dass die 'moderne' Philosophie mit sich rumschleppt,
steht einer Verabsolutierung, mindestens Dominanz, technischer-ökonomischer Zweckrationalität gegenüber.
Der Niedergang der Wert-Rationalität bedeutet,
dass der Destruktivität der oberflächlichen, kurzfristig gedachten Zweck-'''Rationalität'''
zuwenig entgegen gesetzt wird, geschweige Zukunft-sichernde Grenzen gesetzt wrden.
Es ist Menschen-gemacht, nicht-nachhaltige Zweckrationalität ist motivational nun mal attraktiver
und unmittebarer(Zeit-Teufel, Nähe-Teufel) als die schwieriger zu begreifende
und weiter weg zu erwartende Wirkung der Wert-Rationalität.
Hinzu kommt, dass den Gefahren technisch-ökonomischer Zweckrationalität
oft nur mithilfe derselben wirksam begegnet werden kann.
Was in der Welt ist, kann nicht einfach weg-philosophiert werden.