01.08.2018, 17:44
(01.08.2018, 15:56)lor-olli schrieb: @ DerC,Naja, da lässt sich eben nicht so leicht die Grenze ziehen, also sollte man besser mit anderen Argumenten arbeiten als mit plumper Industrieverteufelung. Die Verarbeitung fängt in vielen Fällen ja schon vor der Ernte an, wie du ja richtig mit dem Glyphosat-Hinweis angemerkt hast, der o. a. Mähdrescher verarbeitet auch schon, und ist das industrielle Einfrieren auf hoher See jetzt problematisch oder nützlich?
ich schrieb: industrieell verarbeitete Lebensmittel und ich sehe da durchaus den Unterschied zur industrieellen Landwirtschaft! (mit den entsprechenden Überschneidungen).
Wenn es nur um Fertigessen geht, dann das am besten auch so schreiben. Allerdings sollte man dann eben auch seriös rangehen und sich die Lebensumstände, in denen diese Produkte konsumiert werden, ansehen. Sonst sieht man am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht ...
Mich stört der stellenweise extrem schlampige Umgang mit Begriffen wie „Industrie“ bzw. „industriell“ oder eben die Verwendung von für diese Diskussion weitgehend untauglichen Begriffen wie „natürlich“ oder „Chemie“: Die wild gewachsene Walderdbeere ist womöglich ziemlich nah dran an „natürlich“, aber die meisten hier denken vermutlich nicht an dieses Beispiel, wenn sie von natürlich oder naturbelassen sprechen, sondern zählen dazu auch nach Bio Richtlinien gespritzte hochgezüchtete Äpfel, die aus riesigen Plantagen hunderte km nach D importiert wurden. Und natürlich besteht diese Walderdbeere aus „Chemie“ wie der Apfel.
(01.08.2018, 15:56)lor-olli schrieb: Generell sehe ich es auch als problematisch an, dass sich die wenigsten noch mit den Merkmalen für qualitativ hochwertige Lebensmittel auskennen (bei weitem nicht immer eine Preisfrage!)Die Idee, dass sich so etwas wissenschaftlich basiert kulturell übergreifend festlegen lassen sollte, könnte schon problematisch sein ...
Frag einen Hindu, frag einen Juden, frag einen Veganer, und frag den 75jährigen katholischen Otto aus Hintertupfingen, was von Rindersteak, Schweinelende, Sushi und Tofu das hochwertigste Lebensmittel wäre ... mach Blindtests mit Champagner und Kaviar mit Menschen aus allen Schichten und Kulturen ... ich bin gespannt, wie eindeutig sich qualitativ hochwertige Lebensmittel bestimmen lassen werden.
(01.08.2018, 15:56)lor-olli schrieb: Unsere Ernährung sollte uns wirklich mehr interessieren, ohne gleich der Esotherik zu verfallen gibt es reichlich wissenschaftlich belegte Erkenntnisse die man nutzen kann.Da täuschen sich wohl viele, und die sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder ändernden Empfehlungen (alle natürlich seriös wissenschaftlich basiert!) sollten da auch die wissenschaftsgläubigsten (auch nur ein Aberglaube unter vielen!) skeptisch werden lassen. Jede wissenschaftliche Erkenntnis ist erst einmal nur vorläufig.
Viel der Ernährungstrends hatten und haben mehr mit Modewellen als mit Wissenschaft zu tun, und selbst die seriös betriebene Ernährungswissenschaft ist eine Wissenschaft, die in vielen Bereichen weitgehend im Dunkeln tappt. Das geben die wenigsten Wissenschaftler zu, es gibt aber einige wenige „Ketzer“ die das tun.
Viele Probleme, die Menschen mit optimierter Ernährung beseitigen wollen, können sehr viele verschiedene Ursachen haben, Nahrung wird individuell sehr unterschiedlich vertragen und verwertet, etc etc. So kommt es dazu, dass man die empirischen Nachweise, die man gerne hätte, meist nicht sauber hinbekommt .... die allermeisten Vegetarier würden z. B. nicht für eine Studie ein Jahr Fleisch essen, dann kommt es sehr wahrscheinlich auf die Ernährung vor der Studie an, dann müsste man die psychologischen (Placebo-)Effekte rausrechnen .... dazu gibt es so viele Gründe außerhalb der Ernährung, die für das körperliche Wohlbefinden verantwortlich sind.
Es ist oft zu komplex, zu viele Parameter. Seriöse allgemeine Ratschläge sind in vielen Ernährungsbereichen nahezu unmöglich oder nur recht vage möglich, werden aber leider immer wieder propagiert – Grund liegt meist irgendwie im Geschäftssinn, ob es um Geld für Forschung oder Absatz von Produkten geht.
Zurück zu den Modewellen: Was hatten wir da nicht schon alles?
Eier und Butter doof wegen Cholesterin, dann jetzt doch nicht so schlimm oder Butter sogar super wie manche Paleofans finden, Milch gesund und jetzt doof (weil es sich so geil anfühlt, mal gegen den Milchmainstream zu schwimmen und ja, manche sind Laktoseintolerant, in Europa die Mehrheit aber nicht), Fleisch mal gut mal schlecht, mal von der Farbe abhängig, mal von der Fütterung, Weißmehl furchtbar, außer komischerweise in der mediterranen Ernährung, wo viele damit erstaunlich alt werden, Fett erst verteufelt, dann sortenabhängig bevorzugt, Zucker mal an sich böse, mal nur als „Industriezucker“… etc etc
Es führt soweit, dass Leute, die Gluten wunderbar vertragen, glutenfreie Produkte kaufen, weil sie sich einbilden, damit besser zu fahren, dass auf Produkten, in denen traditionell kein Fett (oder Zucker oder …), deutlich betont wird, dass „das Böse“ nicht enthalten ist, dass intelligente Menschen wenige Jahre nach dem Analogkäseskandal aus Angst vor Milch gnadenlos überteuerten Bioanalogkäse als Pizzaschmelz kaufen, dass gesunde schlanke Menschen meinen, ihre Ernährung umstellen zu müssen, nur weil müde von der Arbeit sind. (Vielleicht liegt die Lösung woanders, weniger arbeiten, anders arbeiten, was anderes arbeiten?)
Eine Steile These wie folgendes z. B.
(23.07.2018, 16:13)TranceNation 2k14 schrieb: Ich würde behaupten, jemand der 2000 kcal täglich zu sich nimmt inklusive Milch, Weißmehl und Zucker, aber sonst nicht übertrieben ungesunder Ernährung, ist weniger fit (ohne dies vll zu bemerken) und regeneriert schlechter als jemand, der dieselbe Kalorienmenge zu sich nimmt ohne diese drei Produktgruppenwird sich imo heute sicher nicht und vermutlich auch noch in 30 Jahren nicht seriös wissenschaftlich nachweisen lassen.
Man sollte bei allem was man in Bezug auf Ernährung glauben will, auch mal an Milieus und die eigene Milieuzugehörigkeit denken. Ernährung ist ein wichtiges Mittel zur sozialen Distinktion ... das ist allen veränderten Empfehlungen zum Trotz gleich geblieben, nur die Parameter haben sich stark geändert: Die klugen Reichen gesund, schlank und sportlich, die dummen Armen fett und krank.