15.08.2017, 16:05
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15.08.2017, 16:14 von icheinfachma.)
Ich bin zwar kein Trainer, kann aber mal einen sportphysiologischen Wink geben:
Wähend man früher den Ansatz verfolgt hat:
-U18 - I3-Läufe
-U20 - I3- und I2-Läufe
-U23 - I3-, I2-, I1-Läufe
weiß man heute, dass das kein optimaler Ansatz ist. Eine gewisse aerobe Basis ist sicherlich für alle Sprinter jeden Alters zu legen, aber das eigentliche Schnelligkeitsausdauertraining muss bestimmte Dinge berücksichtigen.
Schnelligkeitsausdauer heißt
-alaktazide Schnelligkeitsausdauer: größere Phosphatspeicher, die im 100m-Lauf länger ausreichen
-lactic power (Laktatmobilisationsfähigkeit): Wenn die Phosphate alle sind, wird die anaerobe Glykolyse genutzt. Die Übersäuerung kann problemlos abgepuffert werden sie spielt bis 150m keine Rolle. Der eigentliche Grund, warum man nach 70m langsamer wird ist, dass die Glykolyse langsamer abläuft (langsamere Energieereitstellungsrate). Man kann die Glykolyse aber daraufhin trainieren, dass sie schneller abläuft. Dann werden im Muskel mehr Enzyme für die Glykolyse produziert und die Reaktionsgeschwindigkeit steigt mit der Enzymkonzentration (v.a. Glykogenphosphatase).
-Laktattoleranz (lactic capacity): Die Übersäuerung setzt nach 150m langsam ein, nämlich dann, wenn die Puffersysteme im Muskel und Blut, die also die Säure abpuffern und damit neutralisieren, langsam ausgelastet werden.
--> Viele vergessen, dass es zwischen alaktazider SE und Laktattoleranz noch den Bereich der Laktatmobilisation gibt und trainieren diesen nicht gezielt - er ist aber für die 100 und 200m von allergrößter Bedeutung!
Trainingsprogramme sind (für Erwachsene; Nachwuchs siehe weiter unten)
alaktazide SE
-ASSE (Alactic short speed endurance):
-z.B. 2x4x60m 90%; P 3-4'; SP 5-7' Dreipunktstart
-2x3x60m 95%; P 4'; SP 7' Dreipunktstart
Laktatmobilisation
-Trainingsgrundsatz: schneller Bewegungen unter Nutzung der Glykolyse; um schnelle Bewegungen zu gewährleisten, ist auf eine nur geringer bis mittlere Übersäuerung zu achten; I3 ist außerdem bereits zu langsam, um die Glykolyse wirksam shcneller zu machen
-SE (speed endurance) z.B. mit 95%: 80m - P7'; 120m; P10'; 150m; P12'; 180m - Es geht um die Ermüdung innerhalb eines Laufes, nicht um die Ermüdung von Lauf zu Lauf, daher die langen Pausen bei dadurch möglichen hohen Geschwindigkeiten
-GSSE (glycolytic short speed endurance): 2x4x60m 90%; P1-3'; SP 4-5' Hochstart
-Kombi aus SE und GSSE: mit 90%: 2x [150m - P45'' - 4x40m P40'' - nach dem letzten 40er P60" - 150m] P12'
Laktattoleranz
-3x300m im 400m-WK-Tempo; P15'
-2x350m im 400m-WK-Tempo; P20'
-4x60m 90% P30" --> 200m 95% (simuliert die letzten 200m des 400m-Rennens)
-im 400m-WK-Tempo: 3x[200m-P30s-200m-P7'] ("broken 400s")
-3x150m 500m-WK-Tempo; P3' (z.B. als Auftakttraining vor Wettkampf)
Mischformen zw. Laktatmobilisation und Laktattoleranz
-4x250m 90%; P7'
Grundsätzlich gilt:
-100m-Läufer brauchen alaktazide SE und Laktatmobilisation (davon hängt der Geschwindigkeitsverlust auf den letzten 30m ab)
-200m-Läufer brauchen hauptsächlich Laktatmobilisation und ein bisschen Laktattoleranz. Je langsamer man ist, desto mehr Laktattoleranz muss man trainieren: Nach 19 s ist Usain Bolt schon im Ziel, eine z.B. dt. Sprinterin muss noch 4s weiter sprinten und baut darum mehr Laktat auf.
-400m-Läufer brauchen gleichermaßen Laktatmobilisation, Lakattoleranz und: VO2max (zum schnellen Laktatabbau schon während des Rennens)
-I3 ist ein No-Go im Kurzsprint, aber sinnvoll im Langsprint. Das gilt auch für Nachwuchsathleten. Im Kurzsprint wird NI und I1-I2 trainiert. Im Langsprint finden alle Bereiche Anwendung.
Nachwuchstraining
Im Nachwuchstraining sollte die Belastung allmäglich steigen, das ist jedem klar. Warum aber - was genau ist am Nachwuchssprinter weniger belastbar? Der Nahwuchssprinter kann
-hohe Azidosen sehr schlecht abpuffern und das Resultat sind übermäßige Zellschäden (v.a. Mitochondrien); Die langsamere Regenerationsfähigkeit (da langsamerer Protein-Turnover, also der Kreislauf aus Protein-Aufbau und -Abbau) führt dazu, dass diese Zellschäden nicht schnell repariert werden können. In der Folge sinkt die muskuläre Leistungsfähigkeit; auch der Aufbau der GA wird beeinträchtigt.
-hohe Geschwindigkeiten sehr gut vertragen, aber nur in geringen Umfängen und bei kurzen Streckenlängen
-hohe Umfänge sehr schlecht verkraften, sowohl bei niedriger Intensität, aber noch mehr bei höherer Intensität.
Aus den den energie-physiologischen Erkenntnissen (oben) und den entwicklungsbiologischen Erkenntnissen (unten) kann man schlussfolgern, dass nicht I1 oder I2 das Problem im Nachwuchsbereich ist sondern sogar nötig, um die Energiebereiche zu trainieren. Das Problem ist hingegen ein zu hoher Umfang (zu viele Läufe oder zu lange Läufe) und zu laktazide Einheiten aus dem 400m-Bereich.
Es empfiehlt sich folgender langfristiger Aufbau:
-U16: Schnelligkeitstraining (keine Schnelligkeitsausdauer), Schnellkrafttraining, wenig gezielte GA, aber GA als Nebenprodukt von Spielen, Kraftkreisen, Seilspringen, langem Lauf-ABC etc.; Die 300m-Leistungen entstehen als Produkt der Schnelligkeit und Grundlagenausdauer, sie werden nicht systematisch vorbereitet.
-U18: ASSE wird eingeführt im I2-Bereich und moderaten Umfängen; SE bis 150m im I2-Bereich, aber maximal 2 Läufe mit langen Pausen. GSSE wird nur im I2-Bereich und mit geringen Umfängen ausgeführt. Es sind Kombinationen möglich.
-Bsp: I2: 2x40m - P3' - 60m - P4' - 60m - P7' - 150m
-Angehende Langsprinter laufen im WK 100-400m, trainieren Schnelligkeitsausdauer wie Kurzsprinter, gern auch Hürdentechnik (außer bei Hüftproblemen), machen aber mehr Grundlagenausdauer und weniger Kraft als die Kurzsprinter
-U20: Strecken von 150-300m werden zudem eingeführt, die Azidosen sind hier bereits deutlich höher. Die in U18 genannten Formen können jetzt im I1-Bereich mit moderaten Umfängen trainiert werden. Die U18-Programme können auch weiterhin im I2-Bereich, aber größeren Umfängen eingesetzt werden. Langsprinter trainieren unterdistanzorientiert, das 200m-Leistungsziel ist dem 400m-Ziel gleichwertig und wird entsprechend im Training berücksichtigt.
-U23: Alles kann im I1- und I2-Bereich trainiert werden. Es werden Strecken zwischen 300 und 600m mit höchsten Azidosen bei Langsprintern eingeführt. Langsprinter haben nun die "härtesten" Trainingseinheiten mit im Training. Sie machen aber trotzdem nur 1/3 des Trainings aus, während ein Drittel Laktatmobilisation und 1/3 extensives oder intensives Intervalltraining (NI - I3) ist.
In allen Altersklassen wird extensives Intervalltraining (NI-Läufe) z.B. als Rasendiagonalen etc. in geringem Umfang zur Unterstützung der GA-Entwicklung eingesetzt. Bei Langsprintern nimmt dieses größere Umfänge auf Kosten des Maximalkrafttrainings ein.
Dieser Ansatz ermöglicht es, über alle Altersgruppen schnelligkeitsorientiert und damit sprinterisch zu trainieren, ohne zu überfordern. Die kurzen schnellen Strecken bereiten also die langen schnellen Strecken vor. Es werden nicht lange schnelle Strecken durch lange langsame Strecken vorbereitet, das ist der Unterschied zum veralteteten Ansatz.
Tabelle
im Anhang ist außerdem noch eine Tabelle, die eine Übersicht über die Trainingsbereiche darstellt. (S1 = Special Endurance I; S2 = Special Endurance II)
Wähend man früher den Ansatz verfolgt hat:
-U18 - I3-Läufe
-U20 - I3- und I2-Läufe
-U23 - I3-, I2-, I1-Läufe
weiß man heute, dass das kein optimaler Ansatz ist. Eine gewisse aerobe Basis ist sicherlich für alle Sprinter jeden Alters zu legen, aber das eigentliche Schnelligkeitsausdauertraining muss bestimmte Dinge berücksichtigen.
Schnelligkeitsausdauer heißt
-alaktazide Schnelligkeitsausdauer: größere Phosphatspeicher, die im 100m-Lauf länger ausreichen
-lactic power (Laktatmobilisationsfähigkeit): Wenn die Phosphate alle sind, wird die anaerobe Glykolyse genutzt. Die Übersäuerung kann problemlos abgepuffert werden sie spielt bis 150m keine Rolle. Der eigentliche Grund, warum man nach 70m langsamer wird ist, dass die Glykolyse langsamer abläuft (langsamere Energieereitstellungsrate). Man kann die Glykolyse aber daraufhin trainieren, dass sie schneller abläuft. Dann werden im Muskel mehr Enzyme für die Glykolyse produziert und die Reaktionsgeschwindigkeit steigt mit der Enzymkonzentration (v.a. Glykogenphosphatase).
-Laktattoleranz (lactic capacity): Die Übersäuerung setzt nach 150m langsam ein, nämlich dann, wenn die Puffersysteme im Muskel und Blut, die also die Säure abpuffern und damit neutralisieren, langsam ausgelastet werden.
--> Viele vergessen, dass es zwischen alaktazider SE und Laktattoleranz noch den Bereich der Laktatmobilisation gibt und trainieren diesen nicht gezielt - er ist aber für die 100 und 200m von allergrößter Bedeutung!
Trainingsprogramme sind (für Erwachsene; Nachwuchs siehe weiter unten)
alaktazide SE
-ASSE (Alactic short speed endurance):
-z.B. 2x4x60m 90%; P 3-4'; SP 5-7' Dreipunktstart
-2x3x60m 95%; P 4'; SP 7' Dreipunktstart
Laktatmobilisation
-Trainingsgrundsatz: schneller Bewegungen unter Nutzung der Glykolyse; um schnelle Bewegungen zu gewährleisten, ist auf eine nur geringer bis mittlere Übersäuerung zu achten; I3 ist außerdem bereits zu langsam, um die Glykolyse wirksam shcneller zu machen
-SE (speed endurance) z.B. mit 95%: 80m - P7'; 120m; P10'; 150m; P12'; 180m - Es geht um die Ermüdung innerhalb eines Laufes, nicht um die Ermüdung von Lauf zu Lauf, daher die langen Pausen bei dadurch möglichen hohen Geschwindigkeiten
-GSSE (glycolytic short speed endurance): 2x4x60m 90%; P1-3'; SP 4-5' Hochstart
-Kombi aus SE und GSSE: mit 90%: 2x [150m - P45'' - 4x40m P40'' - nach dem letzten 40er P60" - 150m] P12'
Laktattoleranz
-3x300m im 400m-WK-Tempo; P15'
-2x350m im 400m-WK-Tempo; P20'
-4x60m 90% P30" --> 200m 95% (simuliert die letzten 200m des 400m-Rennens)
-im 400m-WK-Tempo: 3x[200m-P30s-200m-P7'] ("broken 400s")
-3x150m 500m-WK-Tempo; P3' (z.B. als Auftakttraining vor Wettkampf)
Mischformen zw. Laktatmobilisation und Laktattoleranz
-4x250m 90%; P7'
Grundsätzlich gilt:
-100m-Läufer brauchen alaktazide SE und Laktatmobilisation (davon hängt der Geschwindigkeitsverlust auf den letzten 30m ab)
-200m-Läufer brauchen hauptsächlich Laktatmobilisation und ein bisschen Laktattoleranz. Je langsamer man ist, desto mehr Laktattoleranz muss man trainieren: Nach 19 s ist Usain Bolt schon im Ziel, eine z.B. dt. Sprinterin muss noch 4s weiter sprinten und baut darum mehr Laktat auf.
-400m-Läufer brauchen gleichermaßen Laktatmobilisation, Lakattoleranz und: VO2max (zum schnellen Laktatabbau schon während des Rennens)
-I3 ist ein No-Go im Kurzsprint, aber sinnvoll im Langsprint. Das gilt auch für Nachwuchsathleten. Im Kurzsprint wird NI und I1-I2 trainiert. Im Langsprint finden alle Bereiche Anwendung.
Nachwuchstraining
Im Nachwuchstraining sollte die Belastung allmäglich steigen, das ist jedem klar. Warum aber - was genau ist am Nachwuchssprinter weniger belastbar? Der Nahwuchssprinter kann
-hohe Azidosen sehr schlecht abpuffern und das Resultat sind übermäßige Zellschäden (v.a. Mitochondrien); Die langsamere Regenerationsfähigkeit (da langsamerer Protein-Turnover, also der Kreislauf aus Protein-Aufbau und -Abbau) führt dazu, dass diese Zellschäden nicht schnell repariert werden können. In der Folge sinkt die muskuläre Leistungsfähigkeit; auch der Aufbau der GA wird beeinträchtigt.
-hohe Geschwindigkeiten sehr gut vertragen, aber nur in geringen Umfängen und bei kurzen Streckenlängen
-hohe Umfänge sehr schlecht verkraften, sowohl bei niedriger Intensität, aber noch mehr bei höherer Intensität.
Aus den den energie-physiologischen Erkenntnissen (oben) und den entwicklungsbiologischen Erkenntnissen (unten) kann man schlussfolgern, dass nicht I1 oder I2 das Problem im Nachwuchsbereich ist sondern sogar nötig, um die Energiebereiche zu trainieren. Das Problem ist hingegen ein zu hoher Umfang (zu viele Läufe oder zu lange Läufe) und zu laktazide Einheiten aus dem 400m-Bereich.
Es empfiehlt sich folgender langfristiger Aufbau:
-U16: Schnelligkeitstraining (keine Schnelligkeitsausdauer), Schnellkrafttraining, wenig gezielte GA, aber GA als Nebenprodukt von Spielen, Kraftkreisen, Seilspringen, langem Lauf-ABC etc.; Die 300m-Leistungen entstehen als Produkt der Schnelligkeit und Grundlagenausdauer, sie werden nicht systematisch vorbereitet.
-U18: ASSE wird eingeführt im I2-Bereich und moderaten Umfängen; SE bis 150m im I2-Bereich, aber maximal 2 Läufe mit langen Pausen. GSSE wird nur im I2-Bereich und mit geringen Umfängen ausgeführt. Es sind Kombinationen möglich.
-Bsp: I2: 2x40m - P3' - 60m - P4' - 60m - P7' - 150m
-Angehende Langsprinter laufen im WK 100-400m, trainieren Schnelligkeitsausdauer wie Kurzsprinter, gern auch Hürdentechnik (außer bei Hüftproblemen), machen aber mehr Grundlagenausdauer und weniger Kraft als die Kurzsprinter
-U20: Strecken von 150-300m werden zudem eingeführt, die Azidosen sind hier bereits deutlich höher. Die in U18 genannten Formen können jetzt im I1-Bereich mit moderaten Umfängen trainiert werden. Die U18-Programme können auch weiterhin im I2-Bereich, aber größeren Umfängen eingesetzt werden. Langsprinter trainieren unterdistanzorientiert, das 200m-Leistungsziel ist dem 400m-Ziel gleichwertig und wird entsprechend im Training berücksichtigt.
-U23: Alles kann im I1- und I2-Bereich trainiert werden. Es werden Strecken zwischen 300 und 600m mit höchsten Azidosen bei Langsprintern eingeführt. Langsprinter haben nun die "härtesten" Trainingseinheiten mit im Training. Sie machen aber trotzdem nur 1/3 des Trainings aus, während ein Drittel Laktatmobilisation und 1/3 extensives oder intensives Intervalltraining (NI - I3) ist.
In allen Altersklassen wird extensives Intervalltraining (NI-Läufe) z.B. als Rasendiagonalen etc. in geringem Umfang zur Unterstützung der GA-Entwicklung eingesetzt. Bei Langsprintern nimmt dieses größere Umfänge auf Kosten des Maximalkrafttrainings ein.
Dieser Ansatz ermöglicht es, über alle Altersgruppen schnelligkeitsorientiert und damit sprinterisch zu trainieren, ohne zu überfordern. Die kurzen schnellen Strecken bereiten also die langen schnellen Strecken vor. Es werden nicht lange schnelle Strecken durch lange langsame Strecken vorbereitet, das ist der Unterschied zum veralteteten Ansatz.
Tabelle
im Anhang ist außerdem noch eine Tabelle, die eine Übersicht über die Trainingsbereiche darstellt. (S1 = Special Endurance I; S2 = Special Endurance II)