(11.03.2014, 22:09)matthias.prenzlau schrieb: @Thomas: Mit welcher Art Training kann man das Schwungbein pfeilschnell machen?Jetzt also zum Schwungbein. Bis zu meinem 18. Lebensjahr sprang ich gebeugt.
Welche gymnastischen Übungen empfiehlst du für ein bewegliches Schwungbein?
BL 1m73, von der Asche in den Sand natürlich. Dann sah ich die Fotoserien
von Brumel und Thomas in Toni NETTs Buch und mir war klar, diese
von Nett so genannte Gliederfreiheit musste erst einmal erarbeitet werden.
Also nutzte ich die Sommerferien auf Elba 1965 um jeden Tag
nach dem Mittag- und Abendessen auf der Terrasse über dem Speisesaal
des kleinen Hotels im Pinienhain von Capo D’Aarco ganz brutal zur Sache zu gehen.
Die 100qm-Pergola bestand aus relativ dünnen Eisenrohren und das Strohdach
hing in der Mitte auf ca. 2,30 durch. Zunächst hielt ich mich an einer Stange fest
und schwang das Bein einfach so schnell und so hoch ich konnte,
während ich darauf achtete, das Standbein dabei durchgestreckt zu halten.
Mindestens 10 Serien a 10 Wiederholungen. Und zwischendurch sprang ich
mit dem Schwungbeinfuß an das Strohdach. Zunächst in der Mitte,
dann immer weiter außen. Und zwar so, dass ich nach der Landung eine Wende
in die andere Richtung machte, um nach vier Schritten den nächsten Reich-Sprung
anzuschließen. Und das wie eine Schaukel 10x hin und her.
Dazu natürlich tausende von Rumpfbeugen.
Zurück zuhause in Berlin ging es im Stadion unter der Torlatte weiter.
Aber bis ich das Ganze in einen Straddle über die Latte eingliedern konnte,
hat es nochmal vier Wochen gedauert. Mit 1m80 bei den Berliner
Mehrkampfmeisterschaften ging die Saison zuende. Aber ich machte
nahtlos weiter. Fast jede Woche kam im Training ein Zentimeter dazu.
Und immer gehörten Schwungbeinübungen und Reichsprünge –
mittlerweile ans Basketballbrett - zum Aufwärmprogramm.
Inzwischen waren noch zwei Übungen dazugekommen: Der Cancan
und das Schwingen mit Anlauf aber ohne Absprung. Beides machte ich
allabendlich auch zuhause noch vor dem Zubettgehen.
Und natürlich gehörte auch längst der parallele Armschwung dazu.
Im nächsten Sommer war ich mit 1m95 Deutscher Junioren-Vize,
Länderkämpfer und zum Lehrgang in Göttingen eingeladen, wo ich
im Winter den Einsatz der Hüfte erlernte und zum ersten Mal 2m schaffte.
Wie man das Schwungbein allerdings am effektivsten einsetzt, das habe ich erst
richtig verstanden, als ich 40 Jahre später nochmal von vorne anfing.
Da entdeckte ich, dass man mit der Beschleunigung schon in der Flugphase
des letzten Schrittes anfangen kann und dadurch noch mehr Tempo erreicht.
Das Gefühl, wenn man kurz vor dem Abheben plötzlich einen Ruck bekommt
und mit ungeahnter Leichtigkeit den Boden verlässt, entsteht aber nur, wenn man
mit der Hüfte nicht nachgibt, das Becken sich also nicht sofort zudrehen lässt,
("weggeworfene Schwungbeinhüfte" - auch beim Flop fatal!) sondern
das Schwungbein sozusagen festhält und ihm mit Armen und Rumpf hinterherspringt.
Wer nicht an die Wunderwirkung des gestreckten Schwungbeines glaubt,
der wird viel Zeit damit verbringen, seine Muskeln zu stählen und seine
Sprungkraft zu steigern und dabei Belastungen eingehen, die seinem
Bewegungsapparat über kurz oder lang manchen Schaden zufügen werden.
Er wird das Heil in immer schnellerem Anlauf suchen und mit Sicherheit
die Chance verpassen, sein Potantial als Hochspringer voll auszuschöpfen.
Investiert er aber nur einen Winter in oben beschriebenen Weg, so schraubt er
sein Ausgangsniveau gleich mal um 10 bis 15cm nach oben.
Wie toll das auch beim Flop geht, wurde bisher nur angedeutet, zB von Gerd Wessig,
dessen Technik in Moskau '80 in jedem Lehrbuch und Lehrgang vergöttert werden müsste.
Dem nach höherem Strebenden ist nichts zu hoch sondern alles zu nieder. (vonmia)