11.08.2024, 14:42
(11.08.2024, 10:18)Befürworter schrieb: Zur Gesamtbewertung des Zustands der deutschen Leichtathletik verschiedene Bilanzen der Olympischen Spiele in Paris. Fehler bei den Zahlen kann ich nicht hundertprozentig ausschließen:
1. Summe der DLV-Einzelbilanzen
Der Vergleich der Endergebnisse mit den Meldelisten sagt meines Erachtens vorrangig etwas über den Saisonaufbau von Sportlern und Heimtrainern sowie die Fahigkeit aus, im wichtigsten Wettkampf unter großem Druck und härtestmöglicher Konkurrenz abzuliefern. Da all das im DLV-System stattfindet, hat der durch Förderung, Bundestrainer, Trainingslager, Unterstützung vor Ort etc. durchaus einen gewissen Anteil daran:
- 29 Ergebnisse über den Erwartungen
- 21 Ergebnisse im Rahmen der Erwartungen
- 16 Ergebnisse unter den Erwartungen
Ich hätte hier eine Gaußsche Normalverteilung erwartet, also ähnlich viele bessere wie schlechtere Ergebnisse. Es kann unmöglich passieren, dass niemand enttäuscht. Mein Fazit daraus ist, dass die Mehrzahl gut vorbereitet war und abgeliefert hat. Die Summe der Einzelleistungen war also absolut zufriedenstellend.
2. Altersschnitt
Hier habe ich einfach mal den Mittelwert aus dem aktuellen Alter aller Athleten in Jahren gezogen (eine geringe Ungenauigkeit ist also durch die Rundung enthalten, die Staffeln habe ich nicht berücksichtigt) und vergleiche mit den Zahlen der letzten beiden Olympischen Spiele:
- 26,3 Jahre (Mittelwert Rio de Janeiro 2016 aller Athleten unter den Top 25)
- 26,7 Jahre (Mittelwert Tokio 2020 aller Athleten unter den Top 25)
- 26,8 Jahre (Mittelwert Paris 2024 aller Athleten unter den Top 25)
- 26,8 Jahre (Mittelwert Rio de Janeiro 2016 aller Athleten unter den Top 8)
- 27,3 Jahre (Mittelwert Tokio 2020 aller Athleten unter den Top 8)
- 26,8 Jahre (Mittelwert Paris 2024 aller Athleten unter den Top 8)
Eine Überalterung des Teams ist offensichtlich kein Problem.
3. Aussichten hinsichtlich des Alters
Auch ein genauerer Blick auf die Ergebnisse lässt keine Probleme hinsichtlich Los Angeles 2028 erwarten. Nur wenige Sportler aus den Top 25 waren zum Wettkampftermin bereits über 30 Jahre alt:
- Christopher Linke ist mit 35 Jahren im wirklich fortgeschrittenen Alter, welches ein Antreten 2028 nahezu undenkbar macht. So wird das auch bei Richard Ringer (35) sein.
- Gesa Krause (32): Ihre Karriere als Hindernisläuferin wird sicher nicht mehr lange weitergehen, dort hat man dann aber immer noch zwei sehr gute Athletinnen.
- Marike Steinacker (32) und Kristin Pudenz (31) bleiben uns hoffentlich noch einige Jahre erhalten, aber man kann sich nicht ganz unberechtigte Hoffnungen machen, dass Jüngere nachrücken oder sie sogar verdrängen (Antonia Kinzel und Leia Braunagel mit 23 Jahren, Joyce Oguama mit 22 Jahren, Curly Brown und Milina Wepiwé mit 18 Jahren)
- Carolin Schäfer (32) hat ihre Karriere beendet.
- Malaika Mihambo (30) werden wir hoffentlich auch noch in Los Angeles 2028 sehen. Auch im Weitsprung stehen viele sehr gute jüngere Springerinnen schon jetzt mit sehr guten Leistungen bereit, wobei die Erfolge von Malaika Mihambo wohl für niemanden auch nur annähernd erreichbar sein werden.
- Anjuli Knäsche (30). Wann kommt im Stabhochsprung der Frauen endlich mal jemand anderes auf annähernd internationales Niveau?
- Christin Hussong (30) kämpft hoffentlich weiter darum, zu alter Stärke zurückzufinden. Die letzten Ergebnisse von Alyssa John, Julia Ulbricht und Mirja Lukas wecken jedoch leise Hoffnungen, dass sie nicht mehr als Einzige für die internationalen Meisterschaften in Frage kommt.
Interessant ist, dass außer Christopher Linke kein einziger Sportler, der in Tokio schon über 30 Jahre und unter den Top 25 war, überhaupt für Paris nominiert wurde.
4. Punktewertung der Einzelplatzierungen im Vergleich zwischen Rio de Janeiro, Tokio und Paris
Die sicherlich aussagekräftigste Bilanz der deutschen Leichtathletik. Ich habe 12 Punkte für Platz 1 vergeben, 10 für Platz 2, 8 für Platz 3 usw. bis 3 für Platz 8, 2 für Plätze 9 bis 15 und einen für Plätze 16 bis 25. So ist meines Erachtens eine ausgewogene Bewertung sichergestellt, die Top-Leistungen ausreichend anerkennt, aber auch die Breite berücksichtigt.
- 166 Punkte (aus allen Top-25-Platzierungen in Rio de Janeiro 2016)
- 139 Punkte (aus allen Top-25-Platzierungen in Tokio 2020)
- 140 Punkte (aus allen Top-25-Platzierungen in Paris 2024)
Man muss wissen, dass drei schlechte Olympische Spiele miteinander verglichen werden. Bestenfalls kann man sagen, dass der Abwärtstrend gestoppt wurde. Dabei verfälscht der Ersatz des 50 km Gehens durch die Mixed-Staffel die aktuelle Bilanz etwas , weil dort in Tokio noch Silber geholt wurde, Deutschland in der Mixed-Staffel aber weniger stark ist.
Die Auswertung der Ausfälle zeigt, dass 30 Punkte mehr hätten möglich sein können. In Budapest 2023 waren es noch 49 Punkte, so dass man die Einbußen in Paris wohl durchaus als normal vermuten könnte.
Interessant auch die Punktewertung allein der Platzierungen unter den ersten 8:
- 111 Punkte (aus allen Top-8-Platzierungen in Rio de Janeiro 2016)
- 80 Punkte (aus allen Top-8-Platzierungen in Tokio 2020)
- 79 Punkte (aus allen Top-8-Platzierungen in Paris 2024)
Und die Anzahl der Platzierungen unter den Top 8:
- 17 Top-8-Platzierungen in Rio de Janeiro 2016
- 13 Top-8-Platzierungen in Tokio 2020
- 12 Top-8-Platzierungen in Tokio 2020
5. Geschlechterbilanz
- Frauen: 70 Punkte (aus allen Top-25-Platzierungen)
- Männer: 66 Punkte (aus allen Top-25-Platzierungen)
Erfreulicherweise sehr ausgeglichen.
6. Medaillenbilanz
Nicht die aussagekräftigste, aber die wichtigste Bilanz (auch hier ist der Wegfall des in Tokio silberdekorierten 50-km-Gehens zu beachten):
- 2 x Gold, 1 x Bronze (Rio de Janeiro 2016)
- 1 x Gold, 2 x Silber (Tokio 2020)
- 1 x Gold, 2 x Silber, 1 x Bronze (Paris 2024)
Von vier Medaiillen durfte man vorher träumen, wobei ich da eher Julian Weber als die Staffel gesehen hatte. Befürchtet hatte ich null Medaillen, weil keine sicher war. Für Leo Neubauer kann im Zehnkampf so viel schief gehen, im Weitsprung musste Malaika Mihambo in den drei Quali- und Endkampfversuchen erst mal das Brett treffen und die Corona-Erkrankung wegstecken, und für Yemisi Ogunleye und die Staffel war eine Medaille alles andere als selbstverständlich. Diesbezüglich ist es also wirklich nahezu perfekt gelaufen.
Wow phantastische Arbeit, Super, vielen Dank.
Anmerken möchte ich noch, dass die Erwartungen bereits im Vorfeld in vielen Disziplinen nicht sehr hoch angesetzt waren und sich die Berechnungsgrundlage dieser tollen Arbeit logischerweise sich an den bisherigen Wettkampfresultaten im Vorfeld ausrichten musste. Fest steht, dass wir bis auf geringe Ausnahmen im Laufbereich besonders in den Strecken von 400 Meter bis 10.000 Meter den Kontakt zur Weltspitze (Endlaufteilnahme) vollständig verloren haben. Auch im Sprungbereich ist der Anschluss beim Hochsprung der Männer, Dreisprung der Frauen vollständig verloren gegangen. Bei den Werfern haben wir, auch bedingt durch die Leistungsexplosion in den Disziplinen, mit Medallienchancen ebenfalls den Anschluss zu die ersten drei Plätze (Ausnahme Kugelstossen der Frauen) verloren.
Insofern mein Gesamtfazit, bei der Medallienausbeute ist der Abstieg gestoppt in den anderen Bereichen Endkampfperspektive, Medallienchancen und Besetzung von Disziplinen geht der Abstieg leider weiter.