Es gibt übrígens auch Philosophen (als Liebhaber der Weisheit) als Leichtathleten. Zumindest, sofern sie ihr Leben nicht nur in gebeugter Haltung (über Texten) verbringen. Was sie bei der Beobachtung von Profis zum Denken anzuregen vermag, ist der Umstand, dass die sportliche Handlung in gewissem Sinn auch ein Geschehnis ist. An Überraschungsgesten wie die des Hindernisläufers Bebendorf am 4. Tat der EM und der von Kolberg am 5. Tag lässt sich das gut ablesen. Der eigene Körper ist offensichtlich nicht nur ein Werkzeug, der von einem Willen gesteuert wird, sondern auch ein ‘Mitspieler’. Wäre es nicht so, könnte man über das eigene Ergebnis nicht überrascht, sondern nur zufrieden sein - im Sinn von: ‘Ich hab da gerade einen vorhandenen Bestand gekonnt abgerufen.’ Vielleicht muss auch diese Beschreibung relativiert werden. Wer eine Leistung ‘abruft’, erfüllt vielleicht nur jene Voraussetzungen, die nötig sind, damit sich das Beschriebene im wahrsten Sinn des Wortes ereignen kann , aber nicht ereignen muss.
Alle Beteiligten, die Zuschauer nicht weniger als die Aktiven, nehmen Teil an der Zelebration des Ungewissen ...
(Martin Seel)