22.02.2024, 19:42
… Haben damals eigentlich alle so getickt?
Also was das Verständnis ‘schöner’ Handlungen betrifft, eigentlich schon. Es entspricht weit gefasst ungefähr dem, was Ihr heute ‘moralisch’ nennt.
Komisch!
Wieso komisch? Wenn sich heute einer fair zeigt, sagt Ihr auch nicht: ‘Der handelt moralisch korrekt’, sondern: ‘Das war ne schöne Geste!’ Im Übrigen eröffnet der ästhetisch bestimmte Rahmen einen Raum für eine Souveränitäts-bestimmte Selbstdarstellung.
Und wie steht es mit den Wertigkeiten, die Sie mit Ihrer Philosophie präsentiert haben? Entsprachen die dem Selbstverständnis der Griechen?
Im Allgemeinen schon. Sonst hätten wir Olympia nicht erfunden! Selbstverständlich gab es aber auch abweichende Sichtweisen.
Zum Beispiel…
Die Spartaner zum Beispiel. Die haben nie kapiert, dass etwas über den Wert des Krieges rausgehen kann. Deshalb haben sie unseren Kult um die sportlichen Helden auch mit Verachtung belegt.
Gut, aber dieser Einspruch hat nicht wirklich Beachtung gefunden.
Kann man so nicht sagen! Bei Euch gab es einen namhaften Funktionär, der beim Festakt zur Eröffnung der Spiele von 1936 wieder ein Loblied auf Sparta ‘gesungen’ hat.
Wieso das? Ich denke, die hatten damals mit Olympia nix am Hut?
Nun, der Typ hat nen Trick angewendet, um mittels einer bizarren Symbolausstattung den Krieg zum Vater des Sports zu erklären. Dabei hat er den Sportsgeist mit einem freiwilligen Soldatentum verglichen - und die höchste Form sittlicher Schönheit im freiwilligen Tod fürs Vaterland erblickt. Damit war auch klar, welche Art von Wertegemeinschaft man 1936 im Auge hatte.
Aber das war eine groteske Konstruktion, oder?
Richtig! Aber so lassen sich Wir-Gefühle erzeugen, bei der man eine Kampfgenossenschaft ins Leben ruft, die sich schrankenlos dem Willen des ‘Führers’ zu unterwerfen bereit ist und zugleich gegen äußere Feinde wendet: die es zuerst auf dem Feld des Sports und dann auf dem Schlachtfeld zu besiegen gilt. Und zwar ungeachtet jener rassentheoretisch unterfütterten Überlegenheitsgeste, die nunmehr den Platz einer Souveränitäts-betonten Selbstdarstellung einnimmt.
Verstehe! Umso bemerkenswerter, dass dieser Funktionär nach 1945 noch Karriere im deutschen Sport machen könnte.!
Also was das Verständnis ‘schöner’ Handlungen betrifft, eigentlich schon. Es entspricht weit gefasst ungefähr dem, was Ihr heute ‘moralisch’ nennt.
Komisch!
Wieso komisch? Wenn sich heute einer fair zeigt, sagt Ihr auch nicht: ‘Der handelt moralisch korrekt’, sondern: ‘Das war ne schöne Geste!’ Im Übrigen eröffnet der ästhetisch bestimmte Rahmen einen Raum für eine Souveränitäts-bestimmte Selbstdarstellung.
Und wie steht es mit den Wertigkeiten, die Sie mit Ihrer Philosophie präsentiert haben? Entsprachen die dem Selbstverständnis der Griechen?
Im Allgemeinen schon. Sonst hätten wir Olympia nicht erfunden! Selbstverständlich gab es aber auch abweichende Sichtweisen.
Zum Beispiel…
Die Spartaner zum Beispiel. Die haben nie kapiert, dass etwas über den Wert des Krieges rausgehen kann. Deshalb haben sie unseren Kult um die sportlichen Helden auch mit Verachtung belegt.
Gut, aber dieser Einspruch hat nicht wirklich Beachtung gefunden.
Kann man so nicht sagen! Bei Euch gab es einen namhaften Funktionär, der beim Festakt zur Eröffnung der Spiele von 1936 wieder ein Loblied auf Sparta ‘gesungen’ hat.
Wieso das? Ich denke, die hatten damals mit Olympia nix am Hut?
Nun, der Typ hat nen Trick angewendet, um mittels einer bizarren Symbolausstattung den Krieg zum Vater des Sports zu erklären. Dabei hat er den Sportsgeist mit einem freiwilligen Soldatentum verglichen - und die höchste Form sittlicher Schönheit im freiwilligen Tod fürs Vaterland erblickt. Damit war auch klar, welche Art von Wertegemeinschaft man 1936 im Auge hatte.
Aber das war eine groteske Konstruktion, oder?
Richtig! Aber so lassen sich Wir-Gefühle erzeugen, bei der man eine Kampfgenossenschaft ins Leben ruft, die sich schrankenlos dem Willen des ‘Führers’ zu unterwerfen bereit ist und zugleich gegen äußere Feinde wendet: die es zuerst auf dem Feld des Sports und dann auf dem Schlachtfeld zu besiegen gilt. Und zwar ungeachtet jener rassentheoretisch unterfütterten Überlegenheitsgeste, die nunmehr den Platz einer Souveränitäts-betonten Selbstdarstellung einnimmt.
Verstehe! Umso bemerkenswerter, dass dieser Funktionär nach 1945 noch Karriere im deutschen Sport machen könnte.!
Alle Beteiligten, die Zuschauer nicht weniger als die Aktiven, nehmen Teil an der Zelebration des Ungewissen ...
(Martin Seel)