22.08.2022, 19:45
(20.08.2022, 10:04)Sprunggott schrieb: Also gehen - tut da aber niemand mehr... da sind nie bei niemanden beide Füße in Kontakt !Es ist traurig, dass ich Ihrer Aussage zustimmen muss. Nicht umsonst behaupten böse Zungen "Gehen ist, wer am unauffälligsten besch...t". Es entscheidet nicht nur das träge Auge, sondern auch die Subjektivität der Gehrichter. So fällt es den Kommentatoren schwer, die Disziplin in den Medienberichten (explizit in den TV-Übertragungen) attraktiv, zugänglich und transparent zu präsentieren. Das ist extrem schade, wenn man bedenkt, wie sich die Athleten dieser Sportart im Training schinden müssen. ABER im Wettkampf bleibt eben immer dieses Fragezeichen hinter jeder Leistung, weil sie nicht vollumfänglich vom Athleten beeinflusst werden kann. Es fehlt hier an einer völlig neutralen Gehstil-Bewertung. Techn(olog)isch wäre diese sicherlich auf irgendeine Art und Weise umsetzbar (zumindest die Überprüfung des Bodenkontakts wäre mithilfe von Transpondern und Bodenmatten möglich), aber mit einem großen Aufwand verbunden, den die Verbände nicht betreiben wollen. Einiger Umfragen zufolge, wollen die Geher selbst eine solche Kontrolle aber auch nicht. Mögliche Gründe dafür sind, dass auch sie sich wie Athleten anderer Disziplinen stetig verbessern und Rekorde brechen wollen. Aus diesem Grund reizt ein Großteil von ihnen die durch die Regularien festgelegten Grenzen bis auf das Letzte aus. Dadurch stellt sich immer die Frage, ob das wirklich (noch) Gehen ist oder schon zu viele atypische Elemente beinhaltet. Am Ende beantworten diese Frage die Gehrichter, die auch nur Menschen sind. Hinzu kommt, dass es nicht immer dieselben Personen sind, die da auf der Strecke richten: Was bei der WM noch als stilistisch makellos eingeschätzt wurde, könnte bei der EM schon wieder als "nicht ausreichend sauber" eingestuft werden. Diese Schattenseite ist leider Bestandteil der Sportart.
Die Frage ist nur wer gepickt wird...
Auffällig ist, dass nicht immer nur das Einhalten der beiden Regeln (Kniestreckung und Bodenkontakt) entscheidungsträchtig ist, sondern das optische Gesamtpaket. Dazu zählen der Oberkörper (der im Idealfall während der Gehbewegung ruhig ist), die Statur (Größe und Proportionen usw.), die Bekleidung und das Schuhwerk (Schnitt/Form, Farben, ...) usw. Wenn man nur die Beine von beispielsweise Saskia Feige (GER) und Maria Perez (ESP) miteinander in der Bewegung vergleicht, unterscheiden sich die beiden Gehstile quasi gar nicht voneinander. Die "flüchtige" Kniestreckung haben beide Geherinnen. Die Gesamtoptik betrachtend, ist es bei der kleinen muskulösen Spanierin so, als würde sie für ihren Bewegungsablauf mehr Kraft aufwenden müssen, was ihn weniger flüssig von Außen wirken lässt als bei der Deutschen. Grundsätzlich ein schwieriges Thema. Bedauerlicherweise hat es in München zwei deutsche Männer über die 20 Kilometer getroffen (Brembach mit DQ., Junghannss mit Penalty). Die Frage danach, ob die Entscheidung gerechtfertigt oder ungerechtfertigt gefällt wurde, bleibt bestehen. Am Resultat ändert es letztendlich dennoch nichts.
*Motz-Modus OFF* Der Erfolg von Saskia Feige und Christopher Linke ist ein großer Gewinn für den deutschen Gehsport. Trotz der o.g. Defizite, die die subjektive Entscheidungsgewalt der Gehrichter mit sich bringt, sollte es doch eine wahnsinnig tolle Werbung für die Disziplin gewesen sein, aufgrund derer hoffentlich sehr viele einen Quereinstieg wagen werden. Übrigens ist m.E. der Gehstil von Linke bilderbuchartig und bietet wenig Optimierungsspielraum. Trotz seines hohen Tempos in der Spitze Europas und der Welt ist er einer von wenigen Sportlern, der die Grenze des Erlaubten nicht einmal touchiert, sondern vollends regelkonform geht. Das ist aber nur meine Meinung als Laie.
„Der Zufall ist Gottes Art, anonym zu bleiben.“ — A. Einstein