'Im Unterschied zu den erklärenden Wissenschaften spielen Philosophie und Literatur für Hampe ein verwandtes Spiel
der beschreibenden und erzählenden Erkundung menschlicher Lebensverhältnisse.
Zwar liege die besondere Stärke der Literatur in der exemplarischen Konkretion,
die der Philosophie hingegen in einer Explikation von Begriffsverhältnissen.
Die Grenzen zwischen diesen Verfahren erwiesen sich jedoch als fliessend...
Die grossen Lehrgebäude der Philosophie seit Platons Zeiten finden vor ihm nur wenig Gnade,
denn sie verbreiteten hartnäckige Illusionen über den Sinn des philosophischen Tuns.
Sie versprächen ein zeitlos gültiges Wissen über die innere Verfassung
von Sein und Seiendem, das der Individualität alles Wirklichen nicht gerecht zu werden vermöge.
Hampes Empfehlung an die Fachkollegen lautet daher....sie sollten nicht auf Wahrheitsbesitz und Gefolgschaft aus sein,
sondern der befreienden Kraft ihres Denkens vertrauen.
In Abkehr vom Glauben an eine wissenschaftliche Weltauffassung und unter Ausschöpfung ihrer literarischen Fähigkeiten
findet sie(die kritische Philosophie im Sinne Hampes) Erfüllung nicht in der Errichtung von Denkgebäuden,
sondern in der Eröffnung von Denkräumen.
...Selbst eine nichtdoktrinäre Philosophie nämlich kann sich nicht ganz des Behauptens enthalten(Hampe).
Schliesslich kommt es auch beim Experimentieren mit Begriffen auf Unterscheidungsfähigkeit, Genauigkeit
und somit auf einen Anspruch auf Wahrheit an.
Gleich am Beginn seines Buchs bemerkt er: seit jeher habe sich die Philosophie in einer Pendelbewegung
zwischen doktrinärem und nichtdoktrinärem Denken vollzogen.
Es ist diese Beobachtung, der Hampe die volle Anerkennung verweigert.
Denn er verkennt die Notwendigkeit und Produktivität dieser Polarität.
Ohne Systemzwang wären viele der fesselnsten Gedanken in der Geschichte der Philosophie niemals entwickelt worden.
Dennoch geht keines der grossen Systeme auf,
wie viele Impulse sie einem lebendigen Philosophieren auch geben mögen.
Damit diese Impulse fruchtbar bleiben, bedarf es zugleich der Gegenströmung
eines freihändigen und manchmal seiltänzerischen Räsonierens,
das sich seine Darstellungsform...von nichts und niemandem vorschreiben lässt.
Auch Denkgebäude eröffnen Denkräume.'
Rezension von Martin Seel, Professor für Philosophie an der Goethe Universität F/M über das Buch des Züricher Philosophen Michael Hampe: Die Lehren der Philosophie-eine Kritik, in: Die Zeit, 14.8.2014(Auszüge)
der beschreibenden und erzählenden Erkundung menschlicher Lebensverhältnisse.
Zwar liege die besondere Stärke der Literatur in der exemplarischen Konkretion,
die der Philosophie hingegen in einer Explikation von Begriffsverhältnissen.
Die Grenzen zwischen diesen Verfahren erwiesen sich jedoch als fliessend...
Die grossen Lehrgebäude der Philosophie seit Platons Zeiten finden vor ihm nur wenig Gnade,
denn sie verbreiteten hartnäckige Illusionen über den Sinn des philosophischen Tuns.
Sie versprächen ein zeitlos gültiges Wissen über die innere Verfassung
von Sein und Seiendem, das der Individualität alles Wirklichen nicht gerecht zu werden vermöge.
Hampes Empfehlung an die Fachkollegen lautet daher....sie sollten nicht auf Wahrheitsbesitz und Gefolgschaft aus sein,
sondern der befreienden Kraft ihres Denkens vertrauen.
In Abkehr vom Glauben an eine wissenschaftliche Weltauffassung und unter Ausschöpfung ihrer literarischen Fähigkeiten
findet sie(die kritische Philosophie im Sinne Hampes) Erfüllung nicht in der Errichtung von Denkgebäuden,
sondern in der Eröffnung von Denkräumen.
...Selbst eine nichtdoktrinäre Philosophie nämlich kann sich nicht ganz des Behauptens enthalten(Hampe).
Schliesslich kommt es auch beim Experimentieren mit Begriffen auf Unterscheidungsfähigkeit, Genauigkeit
und somit auf einen Anspruch auf Wahrheit an.
Gleich am Beginn seines Buchs bemerkt er: seit jeher habe sich die Philosophie in einer Pendelbewegung
zwischen doktrinärem und nichtdoktrinärem Denken vollzogen.
Es ist diese Beobachtung, der Hampe die volle Anerkennung verweigert.
Denn er verkennt die Notwendigkeit und Produktivität dieser Polarität.
Ohne Systemzwang wären viele der fesselnsten Gedanken in der Geschichte der Philosophie niemals entwickelt worden.
Dennoch geht keines der grossen Systeme auf,
wie viele Impulse sie einem lebendigen Philosophieren auch geben mögen.
Damit diese Impulse fruchtbar bleiben, bedarf es zugleich der Gegenströmung
eines freihändigen und manchmal seiltänzerischen Räsonierens,
das sich seine Darstellungsform...von nichts und niemandem vorschreiben lässt.
Auch Denkgebäude eröffnen Denkräume.'
Rezension von Martin Seel, Professor für Philosophie an der Goethe Universität F/M über das Buch des Züricher Philosophen Michael Hampe: Die Lehren der Philosophie-eine Kritik, in: Die Zeit, 14.8.2014(Auszüge)