19.05.2021, 10:09
(18.05.2021, 20:40)Diak schrieb: unbeantwortet bleibt die Frage nach der Alternative (die lor-olli weiter oben mehrfach gestellt hat, ohne dass Du sie nach meinem Dafürhalten beantwortet hättest)Great Barrington geht in die richtige Richtung, aber hier nochmal mein Senf (auch weil lor-olli mich auch schon vor Monaten danach gefragt hatte)
Simple Regeln, die nicht zu weit in die Grundrechte eingreifen, wäre:
1. ALLE, die Symptome haben bleiben zuhause. Das zuhause bleiben wird für ALLE ohne finanzielle Einbußen möglich gemacht.
(Das ist der Punkt, dessen Erfolg bei strikter Befolgung massiv unterschätzt wird. Man hat sich viel zu sehr auf die asymptomatische Ansteckung konzentriert.)
2. Möglichst viele der Symptomatischen werden mit möglichst geringem bürokratischen Aufwand getestet (hat viel zu lange gedauert, da hin zukommen)
3. Quarantäne für die Ansteckenden
4. Abstand, Empfehlung zum Händewaschen, begrenzen von Kundenzahlen und Massenveranstaltungen, Home-Office Förderung
5. Besonderer Schutz von Alten und -Pflegeheimen und Krankenhäusern durch mehr Tests und Personal
6. Impfung wenn sie da ist
Für den ersten Punkt hätten man aber viel stärker aufklären müssen. Das wird von vielen Menschen unterschätzt, wie viele Menschen arbeiten gehen müssen oder meinen, arbeiten gehen zu müssen, selbst wenn sie Symptome haben.
Bei konsequenter Umsetzung von Punkt 5 wären die Todeszahlen möglicherweise sogar niedriger als mit den Maßnahmen die wir hatten. Für diejenigen, die Argumentieren, das wäre nicht möglich gewesen: Man hat es nicht ernsthaft versucht, also kann man das nicht sagen. Und wir hätten dann mit der Impfung möglicherweise bei den Multiplikatoren anfangen können. Das hätte man je nach Erfolg von Punkt 5, den man im Sommer schon hätte umsetzen können, entscheiden können.
Bei den Testungen sind wir jetzt da, wo wir im Herbst hätten sein können bzw noch früher. Und immer noch keine vernünftigen Testungen zur Dunkelziffer. Wir schränken die Grundrechte massiv ein aufgrund der Angaben einer Bundesbehörde, die die Ermittlung aussagekräftigerer Zahlen verweigert. Kann man angemessen finden, kann man auch für brandgefährlich halten.
Fehler bei der ersten Welle sind verzeihlich. Zweite und dritte Welle nahezu komplettes, unverzeihliches Politikversagen.
(18.05.2021, 20:40)Diak schrieb: Angesichts von 80.000 Toten, die z.T. jämmerlich und ohne Beistand Angehöriger verreckt sind, angesichts der massiven mentalen Belastungen der Intensivmediziner und -pfleger (die als punktuell kleinzureden schon problematisch ist), angesichts extrem vieler langfristig gezeichneter Menschen (eine Athletin von mir bearbeitet Arbeitsunfähigkeitsfälle bei einer Versicherung: riesige Häufung von Corona-Spätfolgen) ist die entscheidende Frage eben nicht: hätten wir mehr öffentliches Leben ermöglichen können, ohne dass das System kollabiert wäre (auch wenn polititsch so argumentiert wurde), die entscheidende Frage ist: wollen wir die Würde und den Fortbestand des einzelnen Menschenlebens absolut setzen (und falls ja: warum fahren wir noch Auto) oder wollen wir die individuelle Freiheit absolut setzen? (und wählen im Herbst alle Christian Lindner [Strafe genug]) oder lassen wir unseren je individuellen confirmation bias mal beiseite und stellen fest:Der Großteil dieser Menschen ist immer von Krankheit und Tod bedroht. Die Panikmache in der Pandemie funktioniert über die Psychologie der großen Zahlen. Die 80000 müssen erstens – analog zu den Grippesaisons – auf 2 Saisons aufgeteilt werden, zweitens sind ja nicht komplett zusätzlich gestorben. Sondern ein großer Teil dieser Menschen war wegen Alter und oder Vorerkrankungen sowieso schon bedroht, für nicht wenige war die Zeit abgelaufen. 66,8 % der bisherigen Covid-19-Toten waren 80 oder älter - und das ist die Zahl mit begonnener Impfung, es waren mal 70%. Wie viele von denen würden jetzt noch leben, wenn es diese Pandemie nicht gegeben hätte? Es ist sicher eine fünfstellige Zahl, die nicht zu retten war. Zur Zeit sind übrigens noch etwa 45% der wöchentlichen Toten 80 und älter, obwohl man bei dieser Gruppe mit der Impfung begonnen hat.
- Wir sind immer noch in einer extrem fordernen Situation, die vielen verantwortlich handelnden Menschen extrem viel abverlangt und die sehr viele Menschen in unserem Land mit schwerer Krankheit und Tod bedroht.
Die Würde des Menschen ist ganz bewusst durch den ersten Absatz im ersten Artikel im GG geschützt. Deine Verknüpfung hier ist also problematisch, denn man kann Leben erhalten und Würde nehmen – was in der Pandemie leider auch zu häufig passiert ist. Wir haben die Würde des Menschen nicht absolut gesetzt, sondern es wurde ein häretischer Kult um Todesvermeidung betrieben, der durch Perversion aus dem christlichen Lebenskult entstanden ist. Leider hat man die Demut durch Hybris ersetzt.
Art 2 beginnt mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit - vielleicht auch ganz interessant und sicher nicht zufällig.
Und wie die soziale Schichtung der Opfer zeigt, gelang die Todesvermeidung seltsamerweise den angehörigen der höheren Schichten besser … auch vor dem Virus sind nicht alle gleich. In erster Linie ging es um Beruhigung von Ängsten, die vorher erzeugt wurden, die Vermeidung der Fotos von Leichenbergen war wichtiger als die Vermeidung der Opfer.
Denn das Argument mit dem Auto passt natürlich und sagt: Da wir es offensichtlich noch für verhältnismäßig halten, mit dem Auto zu fahren, waren die Maßnahmen ganz sicher nicht mehr verhältnismäßig. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit bezieht sich natürlich nicht auf den Schutz vor normalen Krankheitsrisiken im Alter und beinhaltet kein Recht auf eine bestimmte Lebenserwartung.
Wenn es um Opfervermeidung ginge, hätten wir seid Jahrzehnten eine andere Gesundheits- und Umweltpolitik. Unsere Politiker*innen haben nicht auf einem ihr Gewissen wieder gefunden, die Corona-Politik resultiert gerade auch aus medialem Versagen und Aufmerksamkeitsökonomie.