Das Prinzip Gerechtigkeit
Teil 4/4: Sphären der An-Erkennung nach Hegel
Für Hegel muss jedwede Moral einen Anspruch auf intersubjektive Verbindlichkeit erfüllen,
Voraussetzungen dafür sind mehrere Ebenen oder Sphären von An-Erkennung:
1. Zuneigung, Empathie, Hinein-Denken/-Versetzen in Andere, Interesse am Anderen, Liebe
2. Jemandem gerecht werden, Ge(Recht)igkeit, konstruktive Kritik, Solidarität, Gleichberechtigung, Interessensausgleich
3. Wertschätzung, Achtung, Würdigung, Andere als wichtig, als wertvoll ansehen, Lob. Belohnung
Das Gegenteil wäre Ab-Erkennung:
Abneigung, Ablehnung, Verweigerung von Kommunikation, Herab-/Ent-Würdigung,
Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Entrechtung, Misshandlung, Instrumentalisierung, Ausbeutung, Versklavung, Destruktion.
An-und Ab-Erkennung nennt man modern Feedback.
Ohne an- und ab-erkennendes Feedback keine oder sehr verkümmerte Persönlichkeit(sentwicklung).
Auf jeder An-Erkennungsebene können Ansprüche gestellt und erfüllt werden.
Das Stellen von Ansprüchen zielt auf Leistung-Nahme.
Das Erfüllen von Ansprüchen bedeutet Leistung-Gabe.
Leistung-Geber und Leistung-Nehmer können verschiedene Personen oder Instanzen sein.
Oder identisch.
Leistung-Gabe und -Nahme kann freiwillig oder unter Zwang erfolgen.
Hegel hat von einer 'Ohnmacht des Sollens' gesprochen.
Normative Begründung und Motivation kommen oft nicht recht zusammen.
Eine Theorie des gerechten Handelns ist gut und schön, aber die praktische Akzeptanz,
An-Erkennung kommt allzuoft nicht zustande.
Theoretiker gehen von Logik, Vernunft, Analyse aus und unterstellen allzuoft,
dass damit eine genügende Handreichung für 'richtiges', moralisches, gerechtes Verhalten geliefert wäre.
In der Neuzeit kam es mit der Aufklärung und der Säkularisierung zu einer Trennung zwischen dem Guten und dem Gerechten.
(Viele Jahrhunderte meinte man - vor allem mittels der Religionen - eine Einheit sehen zu können, zumindest im Himmel, im Jenseits, im Paradies)
Der Gerechte kann auch mal der Dumme sein, so dass es ihm schlecht ergeht.
So wie der saubere Sportler der Dumme gegenüber dem ungerechten Doper ist.
Kant hat dieses Dilemma, eine Einheit von Moral und Glück hinzubekommen, nicht wirklich lösen können.
Eine umfassende, probate Theorie des guten Lebens hat er als Gerechtigkeitstheoretiker nicht geliefert,
nicht liefern können.
Woran liegt das?
Es gibt eine Vielzahl von Gutem: gute Ansprüche, gute Angebote, gute Absichten, gute Leistungen.
In der Neuzeit werden eine Vielzahl von Individuen sich ihrer Maximen bewusst(er)
und konkurrieren mit den Maximen Anderer.
Was gut für den Einzelnen ist, muss nicht gut für Andere sein.
Was für die Mehrheit gut ist, muss es nicht für Einzelne sein.
Auch Rawls geht von nicht praktikablen Konstrukten aus
(Schleier des Nichtwissens der Individuen bezüglich ihrer Positionierung in der Gesellschaft)
und postuliert 2 Gerechtigkeits-Prinzipien:
1. Jeder hat das Recht auf gleiche Grundfreiheiten, die nicht mit denen Anderer kollidieren dürfen
(in der Praxis meistens nicht Fakt oder nicht realisierbar/MZ)
2. Soziale Ungleichheiten sind so zu organisieren, dass sie die am wenigsten Begünstigten besser stellen als ihnen
in vorherigen Fällen möglich wäre(zu unbestimmt/MZ)
Aber wie kommt das zustande?
Von oben(Gott, Diktator, etc.), von aussen(gute, gerechte Gesellschaft), von Philosophen, von Sozialtechnokraten, von alleine?
Kant orientierte sich vor allem am Begriff der Freiheit,
aber die genügt Hegel nicht, es muss das Institut der Anerkennung hinzutreten,
Ohne An-Erkennung keine Legitimation und keine Motivation.
Hegel vermutete oder wusste, dass Menschen in einem sehr hohen Mass auf wechselseitige Anerkennung angewiesen sind.
Wir wissen das heute aufgrund historischer, ökonomischer, soziologischer und psychologischer Forschung noch besser.
Vor allem in den ersten Lebensjahren wird der Erwerb individueller Autonomie hauptsächlich per Zuwendung und Anerkennung gefördert.
Kinder, die genügend Zuwendung, Lob, Würdigung, Liebe, Gerechtigkeit erfahren haben(keine Helikopter-Deformation),
leben als Erwachsene eher ohne das Gefühl des Zukurzgekommenseins, gönnen Anderen eher Erfolg, haben ein eher besser entwickeltess Gefühl für Leistungs-Gerechtigkeit.
Kinder, die Anerkennungs-Defizite erlebt haben, neigen später weniger dazu, Leistungen Anderer anzuerkennen.
Hegel interessiert weniger das Prinzip der Bedürftigkeit und der Verteilung,
sondern vor allem Struktur und Qualität von Sphären intersubjektiver Anerkennung.
Damit macht er ein grosses Fass auf, denn nun muss die Verteilung nicht nur bei Mangel,
sondern auch bei Überangebot soziale, gerechte Legitimation finden.
Und nicht nur die Leistung-Nahme, sondern auch die Leistung-Gabe und das Verhältnis zueinander
kann nur per Anerkennung aller Beteiligten als gerecht gelten.
Das Ich und das Wir stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander.
Das Ich, die Anderen und die Welt sind unausweichlich und untrennbar Kooperanten und Konkurrenten.
Ohne das ausser-Ich ist das Ich nicht lebbar, denkbar, existent.
Natürlich bringt das Konflikte, Widersprüche, Fehler, Katastrophen mit sich.
Aber das gehört zum Wandlungsprozess des Lebens, wir müssen anerkennen,
dass wir im offenen Spiel zwischen Geist und Natur, Subjekt und Objekt notwendigerweise immer wieder Schwierigkeiten haben müssen, egal auf welchem Niveau.
Die Jagt nach Authentizität ohne Widerstände, Gefährdungen, Selbstentfremdung ist ein Phantom.
Der Mensch kann nur mit den genannten Problemen über Kompromisse und (Er-)Lösungen leben.
Es sind notwendige Phasen des Zu-Sich-Kommens des Individuums, des subjektiven Geistes.zum objektiven Geist.
Nur so ist Freiheit zu haben.
Nicht im Nichts des Paradieses.
Nicht in der Willkür Einzelner oder Gruppen.
Die Realität ist ein Wandlungsprozess.
Die Aufhebung(Konservierung, Änderung, Erhöhung) der Realität ist ein Wandlungsprozess.
Das Absolute, das Wahre ist somit keine unantastbare, unabänderliche Tatsache,
sondern wandelt sich entsprechend dem absoluten Geist sowohl im Prozess wie im (Zwischen-)Ergebnis.
Das Absolute als Objekt und der Geist als Subjekt sind nicht nur komplementär, sondern identisch,
Das Ganze ist das durch seine Entwicklung(Prozess, Wandlung) sich vollendende Wesen.(Subjekt).
Diese Subjekt-Objekt-Identität ist der Geist
(siehe das Beispiel mit den Stühlen und den Tischen zu Beginn dieses Threads).
Das absolute Wissen(absoluter Geist) ist dann gegeben, wenn der Geist erkennt,
dass das Ziel seiner Wahrheitssuche er selbst ist.
Wenn es im Wandlungsprozess keine Widersprüche, Fehler, Katastrophen gäbe,
gäbe es nichts.
Das reine Sein ohne Störfaktoren, Imponderabilien, usw. wäre ohne Wandlungen,
ohne Eigenschaften, ohne Merkmale, ohne Funktionen, ohne Bestimmung, ohne Möglichkeiten.
Es wäre das Nicht-Mögliche, das Nicht-Vorhandene, das Nichts.
Das reine Sein und das Nichts sind das Selbe.
Das Paradies ist das Nichts, denn da gibt es keine Wandlung, keine Möglichkeiten, keine freie Wahl für den Menschen.
Das Sein und das (Noch-)Nichts(Sein oder Nicht-Sein) sind aber beide nötig für die Evolution, für Wandlungsprozesse.
Das Werden ist die perpetuierende Dialektik zwischen dem Bewusstsein und dem Sein.
Beide können wechselwirkend agieren:
Das Bewusstsein auf das Sein, das Sein auf das Bewusstsein.
(Das hat Marx nicht verstanden oder zumindest einseitig ausgelegt).
Damit schliesst sich der Kreis:
Das Ich und das Wir stehen in einem dialektischen Verhältnis: der Anerkennung.
Hegel ist wie Kant und Rousseau der Ansicht, dass die individuelle Autonomie/Freiheit staatlich garantiert sein müsse,
vermisst aber bei beiden, dass diese Freiheit nur zustande kommen kann, wenn sich die Individuen in ihren Freiheitsgraden gegenseitig anerkennen.
Das kann einen eminenten, meistens weit unterschätzten Zugewinn an gesellschaftlichem Einfluss bedeuten:
Anerkennung bedeutet eben nicht nur Einschränkung von individueller Freiheit sondern Bedingung derselben.
Das Subjekt kann durch Anerkennung Bestätigung oder konstruktive Korrektur bekommen
und damit nicht nur Persönlichkeitsentwicklung, sondern informelle oder formelle Macht gewinnen.
Wie kann das praktisch organisiert werden?
Hegel lehnt das Konstrukt einer fiktiven Beratungssituation ab, womit u.a. Hobbes und 1973 Rawls versucht haben,
alle Beteiligte einen unparteiischen Standpunkt einnehmen zu lassen.
Die Vorstellung, dass real existierende Wesen auf das Kalkül eigener Vorteile verzichten, erschien ihm zu weltfremd.
So würde ein Doper selbstverständlich für ein Dopingverbot stimmen, bei einer Freigabe wäre sein Ungleichheits-Vorteil futsch.
Funktioniert also nicht, man muss folglich mit Mitwirkung der ganzen disparaten Egoismen soziale Anerkennung generieren und institutionalisieren.
Unzulänglich, (fast) immer ungerecht, aber gerechter geht es momentan nicht
- vielleicht das nächste Mal?
Es wird klar, dass Hegel nicht nur theoretisch ganz tief denken kann sondern realistisch, praxisnah.
Er wollte nur diejenigen Anerkennungssphären im Rahmen einer Gerechtigkeitskonzeption umgesetzt sehen,
die dem geschichtlichen Entwicklungsstand des objektiven Geistes entsprechen.
Was ist das nun wieder, objektiver Geist?
Kurz gesagt: Kultur, Zeitgeist, aktuelle rechtliche, ethische, politische Normen, Gebräuche, Institutionen, Wissensstand der Epoche - mit allen Unzulänglichkeiten.
Was auch sonst?
Das ist eben der oben beschriebene Wandlungsprozess im Fortschritt der Geschichte,
ob bewusst oder nicht, gewollt oder ungewollt.
Der objektive Geist ist nicht statisch, sondern dynamisch-evolutionär.
Aber: der Grad der Autonomie kann mit der wechselseitigen Anerkennung wachsen,
in einer Epoche mehr, in einer anderen (moralischen, s.Tugendhat) Gemeinschaft weniger.
Das individuelle Selbstbewusstsein hängt sowohl von der unterstützenden wie der korrigierenden Anerkennung Anderer ab.
Wichtig, nein entscheidend ist dabei, dass es um einen kommunikativen Begriff von Freiheit geht.
Die Freiheit des Individuums etabliert sich nicht durch Implementierung allein, von wem auch immer,
sondern muss immer wieder neu kommuniziert, argumentiert, erkämpft, verteidigt, neu designt werden.
Ein Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, der Freiheit der Partizipation.
Menschen sind keine Unterworfenen, sondern Mit-Gestalter.
Damit ist auch ein rein statisches, mechanistisches, egalitäres Recht infrage gestellt,
obgleich für Hegel die sittliche Gemeinschaft, die gewachsene Ordnung, der Organismus der Gesellschaft Vorrang vor dem Eigenrecht des Individuums hatte,
denn er wollte Anarchie im wohlverstandenen Interesse des Individuums vermeiden.
Seine Zeit(Feudalismus, verbreitetes Analphabetentum, usw.) gab für ihn noch nicht mehr her.
Individuen, einzelne Organe haben ohne den Gesamtorganismus für ihn keinen Bestand.
Gerechtigkeit ist das, was dem Gedeihen des Ganzen dient,
ist das angemessene, vernünftige, gedeihliche Verhältnis eines Organismus zu seinen Organen.
Soziale Gerechtigkeit, durch Anerkennungsprozesse gestaltet, funktioniert nur,
wenn Menschen sich als Teilhaber einer Gemeinschaft erleben,
mit der sie sich identifizieren und wo sie sich jederzeit aktiv einbringen können.
Einige Kommunitaristen wie Charles Taylor sehen sich von daher auch in der Tradition Hegels.
Honneth sieht eine Pluralisierung, eine Auffächerung von normativen Prinzipien,
die auch oder vor allem durch die Kommunikation im Anerkennungsprozess generiert werden.
Dabei sollte jeweils dasjenige Prinzip gestärkt werden, das den Gehalt der wechselseitigen Verpflichtungen bestimmt:
1. Rechtsgleichheit
2. Zuwendung(Bedürfnisgerechtigkeit)
3. Leistungsgerechtigkeit
Erst sie zusammengenommen legen fest, jedes Prinzip in seiner Domäne,
aber sie gemeinsam doch auf die Ermöglichung von individueller Autonomie bezogen,
was unter den gegenwärtigen Bedingungen (soziale) Gerechtigkeit sein kann.
Dies könne aber noch kein hinreichend bestimmtes Gerechtigkeitskonzept sein,
zur bewahrenden Funktion sollte/müsse der reformistische/dialektische Bezug treten,
ein Geltungsüberhang, der mehr an sphärenspezifischer Gerechtigkeit verlangt, als bereits erreicht ist.
Honneth verfolgt diees Projekt weiter, man darf gespannt sein, was noch kommt.
Für Hegel ist Freiheit und Gerechtigkeit untrennbar,
Freiheit ist Übereinstimmung mit sich selbst(subjektiver Geist).
Ist Selbstverwirklichung des überpersönlichen Geistes und der Weltvernunft(objektiver Geist)
und die Übereinstimmung/Anerkennung der Individuen mit diesem(absoluter Geist).
Die wahre Freiheit ist die Übereinstimmung des Individuums mit sich selbst als Teil der überpersönlichen Weltvernunft.
Ist die erreicht, ist (Leistungs-)Gerechtigkeit erreicht.
Die Einen wollten daraus die Rechtfertigung bestehender Machtverhältnisse ableiten,
die Anderen sahen darin ein Plädoyer für revolutionäre Umwälzungen.
Wir erkennen: wir müssen noch über Macht sprechen.
Teil 4/4: Sphären der An-Erkennung nach Hegel
Für Hegel muss jedwede Moral einen Anspruch auf intersubjektive Verbindlichkeit erfüllen,
Voraussetzungen dafür sind mehrere Ebenen oder Sphären von An-Erkennung:
1. Zuneigung, Empathie, Hinein-Denken/-Versetzen in Andere, Interesse am Anderen, Liebe
2. Jemandem gerecht werden, Ge(Recht)igkeit, konstruktive Kritik, Solidarität, Gleichberechtigung, Interessensausgleich
3. Wertschätzung, Achtung, Würdigung, Andere als wichtig, als wertvoll ansehen, Lob. Belohnung
Das Gegenteil wäre Ab-Erkennung:
Abneigung, Ablehnung, Verweigerung von Kommunikation, Herab-/Ent-Würdigung,
Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Entrechtung, Misshandlung, Instrumentalisierung, Ausbeutung, Versklavung, Destruktion.
An-und Ab-Erkennung nennt man modern Feedback.
Ohne an- und ab-erkennendes Feedback keine oder sehr verkümmerte Persönlichkeit(sentwicklung).
Auf jeder An-Erkennungsebene können Ansprüche gestellt und erfüllt werden.
Das Stellen von Ansprüchen zielt auf Leistung-Nahme.
Das Erfüllen von Ansprüchen bedeutet Leistung-Gabe.
Leistung-Geber und Leistung-Nehmer können verschiedene Personen oder Instanzen sein.
Oder identisch.
Leistung-Gabe und -Nahme kann freiwillig oder unter Zwang erfolgen.
Hegel hat von einer 'Ohnmacht des Sollens' gesprochen.
Normative Begründung und Motivation kommen oft nicht recht zusammen.
Eine Theorie des gerechten Handelns ist gut und schön, aber die praktische Akzeptanz,
An-Erkennung kommt allzuoft nicht zustande.
Theoretiker gehen von Logik, Vernunft, Analyse aus und unterstellen allzuoft,
dass damit eine genügende Handreichung für 'richtiges', moralisches, gerechtes Verhalten geliefert wäre.
In der Neuzeit kam es mit der Aufklärung und der Säkularisierung zu einer Trennung zwischen dem Guten und dem Gerechten.
(Viele Jahrhunderte meinte man - vor allem mittels der Religionen - eine Einheit sehen zu können, zumindest im Himmel, im Jenseits, im Paradies)
Der Gerechte kann auch mal der Dumme sein, so dass es ihm schlecht ergeht.
So wie der saubere Sportler der Dumme gegenüber dem ungerechten Doper ist.
Kant hat dieses Dilemma, eine Einheit von Moral und Glück hinzubekommen, nicht wirklich lösen können.
Eine umfassende, probate Theorie des guten Lebens hat er als Gerechtigkeitstheoretiker nicht geliefert,
nicht liefern können.
Woran liegt das?
Es gibt eine Vielzahl von Gutem: gute Ansprüche, gute Angebote, gute Absichten, gute Leistungen.
In der Neuzeit werden eine Vielzahl von Individuen sich ihrer Maximen bewusst(er)
und konkurrieren mit den Maximen Anderer.
Was gut für den Einzelnen ist, muss nicht gut für Andere sein.
Was für die Mehrheit gut ist, muss es nicht für Einzelne sein.
Auch Rawls geht von nicht praktikablen Konstrukten aus
(Schleier des Nichtwissens der Individuen bezüglich ihrer Positionierung in der Gesellschaft)
und postuliert 2 Gerechtigkeits-Prinzipien:
1. Jeder hat das Recht auf gleiche Grundfreiheiten, die nicht mit denen Anderer kollidieren dürfen
(in der Praxis meistens nicht Fakt oder nicht realisierbar/MZ)
2. Soziale Ungleichheiten sind so zu organisieren, dass sie die am wenigsten Begünstigten besser stellen als ihnen
in vorherigen Fällen möglich wäre(zu unbestimmt/MZ)
Aber wie kommt das zustande?
Von oben(Gott, Diktator, etc.), von aussen(gute, gerechte Gesellschaft), von Philosophen, von Sozialtechnokraten, von alleine?
Kant orientierte sich vor allem am Begriff der Freiheit,
aber die genügt Hegel nicht, es muss das Institut der Anerkennung hinzutreten,
Ohne An-Erkennung keine Legitimation und keine Motivation.
Hegel vermutete oder wusste, dass Menschen in einem sehr hohen Mass auf wechselseitige Anerkennung angewiesen sind.
Wir wissen das heute aufgrund historischer, ökonomischer, soziologischer und psychologischer Forschung noch besser.
Vor allem in den ersten Lebensjahren wird der Erwerb individueller Autonomie hauptsächlich per Zuwendung und Anerkennung gefördert.
Kinder, die genügend Zuwendung, Lob, Würdigung, Liebe, Gerechtigkeit erfahren haben(keine Helikopter-Deformation),
leben als Erwachsene eher ohne das Gefühl des Zukurzgekommenseins, gönnen Anderen eher Erfolg, haben ein eher besser entwickeltess Gefühl für Leistungs-Gerechtigkeit.
Kinder, die Anerkennungs-Defizite erlebt haben, neigen später weniger dazu, Leistungen Anderer anzuerkennen.
Hegel interessiert weniger das Prinzip der Bedürftigkeit und der Verteilung,
sondern vor allem Struktur und Qualität von Sphären intersubjektiver Anerkennung.
Damit macht er ein grosses Fass auf, denn nun muss die Verteilung nicht nur bei Mangel,
sondern auch bei Überangebot soziale, gerechte Legitimation finden.
Und nicht nur die Leistung-Nahme, sondern auch die Leistung-Gabe und das Verhältnis zueinander
kann nur per Anerkennung aller Beteiligten als gerecht gelten.
Das Ich und das Wir stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander.
Das Ich, die Anderen und die Welt sind unausweichlich und untrennbar Kooperanten und Konkurrenten.
Ohne das ausser-Ich ist das Ich nicht lebbar, denkbar, existent.
Natürlich bringt das Konflikte, Widersprüche, Fehler, Katastrophen mit sich.
Aber das gehört zum Wandlungsprozess des Lebens, wir müssen anerkennen,
dass wir im offenen Spiel zwischen Geist und Natur, Subjekt und Objekt notwendigerweise immer wieder Schwierigkeiten haben müssen, egal auf welchem Niveau.
Die Jagt nach Authentizität ohne Widerstände, Gefährdungen, Selbstentfremdung ist ein Phantom.
Der Mensch kann nur mit den genannten Problemen über Kompromisse und (Er-)Lösungen leben.
Es sind notwendige Phasen des Zu-Sich-Kommens des Individuums, des subjektiven Geistes.zum objektiven Geist.
Nur so ist Freiheit zu haben.
Nicht im Nichts des Paradieses.
Nicht in der Willkür Einzelner oder Gruppen.
Die Realität ist ein Wandlungsprozess.
Die Aufhebung(Konservierung, Änderung, Erhöhung) der Realität ist ein Wandlungsprozess.
Das Absolute, das Wahre ist somit keine unantastbare, unabänderliche Tatsache,
sondern wandelt sich entsprechend dem absoluten Geist sowohl im Prozess wie im (Zwischen-)Ergebnis.
Das Absolute als Objekt und der Geist als Subjekt sind nicht nur komplementär, sondern identisch,
Das Ganze ist das durch seine Entwicklung(Prozess, Wandlung) sich vollendende Wesen.(Subjekt).
Diese Subjekt-Objekt-Identität ist der Geist
(siehe das Beispiel mit den Stühlen und den Tischen zu Beginn dieses Threads).
Das absolute Wissen(absoluter Geist) ist dann gegeben, wenn der Geist erkennt,
dass das Ziel seiner Wahrheitssuche er selbst ist.
Wenn es im Wandlungsprozess keine Widersprüche, Fehler, Katastrophen gäbe,
gäbe es nichts.
Das reine Sein ohne Störfaktoren, Imponderabilien, usw. wäre ohne Wandlungen,
ohne Eigenschaften, ohne Merkmale, ohne Funktionen, ohne Bestimmung, ohne Möglichkeiten.
Es wäre das Nicht-Mögliche, das Nicht-Vorhandene, das Nichts.
Das reine Sein und das Nichts sind das Selbe.
Das Paradies ist das Nichts, denn da gibt es keine Wandlung, keine Möglichkeiten, keine freie Wahl für den Menschen.
Das Sein und das (Noch-)Nichts(Sein oder Nicht-Sein) sind aber beide nötig für die Evolution, für Wandlungsprozesse.
Das Werden ist die perpetuierende Dialektik zwischen dem Bewusstsein und dem Sein.
Beide können wechselwirkend agieren:
Das Bewusstsein auf das Sein, das Sein auf das Bewusstsein.
(Das hat Marx nicht verstanden oder zumindest einseitig ausgelegt).
Damit schliesst sich der Kreis:
Das Ich und das Wir stehen in einem dialektischen Verhältnis: der Anerkennung.
Hegel ist wie Kant und Rousseau der Ansicht, dass die individuelle Autonomie/Freiheit staatlich garantiert sein müsse,
vermisst aber bei beiden, dass diese Freiheit nur zustande kommen kann, wenn sich die Individuen in ihren Freiheitsgraden gegenseitig anerkennen.
Das kann einen eminenten, meistens weit unterschätzten Zugewinn an gesellschaftlichem Einfluss bedeuten:
Anerkennung bedeutet eben nicht nur Einschränkung von individueller Freiheit sondern Bedingung derselben.
Das Subjekt kann durch Anerkennung Bestätigung oder konstruktive Korrektur bekommen
und damit nicht nur Persönlichkeitsentwicklung, sondern informelle oder formelle Macht gewinnen.
Wie kann das praktisch organisiert werden?
Hegel lehnt das Konstrukt einer fiktiven Beratungssituation ab, womit u.a. Hobbes und 1973 Rawls versucht haben,
alle Beteiligte einen unparteiischen Standpunkt einnehmen zu lassen.
Die Vorstellung, dass real existierende Wesen auf das Kalkül eigener Vorteile verzichten, erschien ihm zu weltfremd.
So würde ein Doper selbstverständlich für ein Dopingverbot stimmen, bei einer Freigabe wäre sein Ungleichheits-Vorteil futsch.
Funktioniert also nicht, man muss folglich mit Mitwirkung der ganzen disparaten Egoismen soziale Anerkennung generieren und institutionalisieren.
Unzulänglich, (fast) immer ungerecht, aber gerechter geht es momentan nicht
- vielleicht das nächste Mal?
Es wird klar, dass Hegel nicht nur theoretisch ganz tief denken kann sondern realistisch, praxisnah.
Er wollte nur diejenigen Anerkennungssphären im Rahmen einer Gerechtigkeitskonzeption umgesetzt sehen,
die dem geschichtlichen Entwicklungsstand des objektiven Geistes entsprechen.
Was ist das nun wieder, objektiver Geist?
Kurz gesagt: Kultur, Zeitgeist, aktuelle rechtliche, ethische, politische Normen, Gebräuche, Institutionen, Wissensstand der Epoche - mit allen Unzulänglichkeiten.
Was auch sonst?
Das ist eben der oben beschriebene Wandlungsprozess im Fortschritt der Geschichte,
ob bewusst oder nicht, gewollt oder ungewollt.
Der objektive Geist ist nicht statisch, sondern dynamisch-evolutionär.
Aber: der Grad der Autonomie kann mit der wechselseitigen Anerkennung wachsen,
in einer Epoche mehr, in einer anderen (moralischen, s.Tugendhat) Gemeinschaft weniger.
Das individuelle Selbstbewusstsein hängt sowohl von der unterstützenden wie der korrigierenden Anerkennung Anderer ab.
Wichtig, nein entscheidend ist dabei, dass es um einen kommunikativen Begriff von Freiheit geht.
Die Freiheit des Individuums etabliert sich nicht durch Implementierung allein, von wem auch immer,
sondern muss immer wieder neu kommuniziert, argumentiert, erkämpft, verteidigt, neu designt werden.
Ein Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, der Freiheit der Partizipation.
Menschen sind keine Unterworfenen, sondern Mit-Gestalter.
Damit ist auch ein rein statisches, mechanistisches, egalitäres Recht infrage gestellt,
obgleich für Hegel die sittliche Gemeinschaft, die gewachsene Ordnung, der Organismus der Gesellschaft Vorrang vor dem Eigenrecht des Individuums hatte,
denn er wollte Anarchie im wohlverstandenen Interesse des Individuums vermeiden.
Seine Zeit(Feudalismus, verbreitetes Analphabetentum, usw.) gab für ihn noch nicht mehr her.
Individuen, einzelne Organe haben ohne den Gesamtorganismus für ihn keinen Bestand.
Gerechtigkeit ist das, was dem Gedeihen des Ganzen dient,
ist das angemessene, vernünftige, gedeihliche Verhältnis eines Organismus zu seinen Organen.
Soziale Gerechtigkeit, durch Anerkennungsprozesse gestaltet, funktioniert nur,
wenn Menschen sich als Teilhaber einer Gemeinschaft erleben,
mit der sie sich identifizieren und wo sie sich jederzeit aktiv einbringen können.
Einige Kommunitaristen wie Charles Taylor sehen sich von daher auch in der Tradition Hegels.
Honneth sieht eine Pluralisierung, eine Auffächerung von normativen Prinzipien,
die auch oder vor allem durch die Kommunikation im Anerkennungsprozess generiert werden.
Dabei sollte jeweils dasjenige Prinzip gestärkt werden, das den Gehalt der wechselseitigen Verpflichtungen bestimmt:
1. Rechtsgleichheit
2. Zuwendung(Bedürfnisgerechtigkeit)
3. Leistungsgerechtigkeit
Erst sie zusammengenommen legen fest, jedes Prinzip in seiner Domäne,
aber sie gemeinsam doch auf die Ermöglichung von individueller Autonomie bezogen,
was unter den gegenwärtigen Bedingungen (soziale) Gerechtigkeit sein kann.
Dies könne aber noch kein hinreichend bestimmtes Gerechtigkeitskonzept sein,
zur bewahrenden Funktion sollte/müsse der reformistische/dialektische Bezug treten,
ein Geltungsüberhang, der mehr an sphärenspezifischer Gerechtigkeit verlangt, als bereits erreicht ist.
Honneth verfolgt diees Projekt weiter, man darf gespannt sein, was noch kommt.
Für Hegel ist Freiheit und Gerechtigkeit untrennbar,
Freiheit ist Übereinstimmung mit sich selbst(subjektiver Geist).
Ist Selbstverwirklichung des überpersönlichen Geistes und der Weltvernunft(objektiver Geist)
und die Übereinstimmung/Anerkennung der Individuen mit diesem(absoluter Geist).
Die wahre Freiheit ist die Übereinstimmung des Individuums mit sich selbst als Teil der überpersönlichen Weltvernunft.
Ist die erreicht, ist (Leistungs-)Gerechtigkeit erreicht.
Die Einen wollten daraus die Rechtfertigung bestehender Machtverhältnisse ableiten,
die Anderen sahen darin ein Plädoyer für revolutionäre Umwälzungen.
Wir erkennen: wir müssen noch über Macht sprechen.