Der „Abschied“ von Thomas Zacharias
Viele Leichtathletik-Interessierte und ich selber natürlich auch, setzen darauf, daß es sich bei dieser Ankündigung einer Abschiedstournee um genau das Gleiche handelt wie wir es von 70er- und 80-Jahren Pop- und Rockgruppen kennen – dem Beginn einer Serie von Remember-when-we-were-young-Auftritten, der sich über die nächsten 2 Jahrzehnte erstreckt.
Es mag eine für viele Nichtsportler erstaunliche Entdeckung sein, das spiegelt aber auch der Bericht von Thomas wieder, daß man sich in einen Wettkampf mit 70 Jahren genau so reinbeißen kann wie mit 25.
Nur, mit 25 Jahren brüllen da eventuell 50.000 Zuschauer im Stadionrund um die Wette während mit 70, irgendwo auf einem Dorfsportfest, der Kampfrichter gegen das Einnicken ankämpft.
Selbst die Ankündigung, dieses Dorf könnte in einigen Minuten für ewig mit einem deutschen Rekord verbunden sein, erregte am Set soviel Aufmerksamkeit wie ein Anlaufmarkierungs-Klebstreifen des vorherigen Wettbewerbs, den eine Windbö davonträgt.
Während sich für Außenstehende beim Wandel vom Aktiven zum betagten Rentner-Sportler trotz permanenter Spitzenleistung in der Wahrnehmung Welten ändern, von gottgleicher Anhimmelung bis zur einer Ignorierung kosmischen Ausmaßes, bleibt die innere Beteiligung für den ernsthaften Athleten gleich, sie mag sich in der Art ändern.
Von der Würde, die das Älterwerden begleiten sollte, wird erwartet, daß der Athlet die auf Null zusteuernde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit einfach so hinnimmt.
Es mag ja der Typ des Athleten eine Rolle spielen, auch wie stark er früher im Rampenlicht stand, also wie hoch die „Fallstrecke“ ist zwischen Berühmtsein und Bedeutungslosigkeit.
Ich finde es einfach toll, daß uns der Thomas auf seinem Weg mit seinen Gefühlen hierbei mitnimmt. Danke!
Frech von mir ist es natürlich, daß ich das nicht so stehen lassen kann und ungefragt und unbedingt meinen Senf dazu geben muß.
Also Thomas, die Show ist noch nicht vorbei! Weißt Du warum? Weil Du noch immer auf dem gleichen Trip von früher bist. Gelegentlich flackert es noch auf. Natürlich ist es ein Kracher, wenn ich mit 60 beim Hochsprung in der Provinz 11 Jugendliche und 4 Männer mit offenen Mündern demoralisiert zurücklasse. Selbst ohne Zuschauer auf der Tribüne, fast ohne jede nennenswerte mediale Resonanz. Deshalb auch die Schande über ev. 1,43 m ... diese Phase, "eigentlich kann ich es noch fast wie ein Junger", ist noch nicht ganz abgeschlossen.
Aber ..., und jetzt kommt’s ..., wenn Du im Olympiastadion von Sydney 2037, mit 35.000 Zuschauern gefüllt, Dich von Deiner Anlaufmarke löst ..., auf dem Weg zum neuen Weltrekord ..., wird ein Hexenkessel toben der bis nach Singapur zu hören ist!
Ich möchte Deinen angekündigten Abschied so interpretieren, daß es einer ist von einer bestimmten Phase. Ich denke daß sehr viele Leute erwarten, daß daraufhin die nächste beginnt!
_____________________
Zu diesem Thema paßt die Erinnerung an irgendwie menschlich anrührende Sportlerschicksale früherer Jahre. Nicht immer sind es die bekannten, großen Namen. In der vordigitalen Zeit war die Gefahr noch um einiges größer daß diese Geschichten im Dunkel der Vergangenheit auf immer verschwanden mit den Sportlern, wenn sie wegstarben. Mit den vergilbten, ausgerissenen und gesammelten Zeitungsseiten seines Nachlasses, die seine Kinder in den Papiercontainer stopften.
Ich selber wurde mit einem Fall „konfrontiert“. Ich stellte 2009 den bayrischen Rekord im Hochsprung M60 ein, bis dahin gehalten von Wolfgang Boneder, was mir zunächst wenig sagte.
Nach einiger Zeit entdeckte ich den Eintrag in der Rekordliste des Bayerischen Verbandes, der sehr ausführlich ist mit vielen Zusatzinfos.
Ich traute meinen Augen nicht. Der eingestellte Rekord war 55(!) Jahre alt. Fast ein Menschenleben. Das Geburtsdatum von Wolfgang Boneder: 20.10.1894! 115 Jahre danach wurde seine spätere Leistung erst wieder erreicht. 3 Jahrhunderte wurden bei dem ganzen Geschehen berührt.
Vielleicht bin ich zu sentimental. Aber mir bedeuten diese Betrachtungen viel.
Dann hatte ich wieder Glück. Im Internet-Auftritt des SELA-Netz aus dem Meyer&Meyer Verlag gab es eine Rubrik für Leichtathletik-Veteranen. Nach meiner Erinnerung führte hier Alfred Hermes die Feder.
Der Artikel über Wolfgang Boneder wußte Erstaunliches zu berichten. Sportliche Höchstleistungen die einem den größten Respekt abnötigen in einer schwierigen Zeit. Wohl größtenteils in den Sand gesprungen, wobei die Gleichung Sprunghöhe = Fallhöhe Gültigkeit besaß.
Ich weiß noch wie mich mein Sportlehrer in der 1. Gymnasialklasse wegen eines höheren Sprunges lobte, während ich in der Sandgrube saß, ihn ansah und ihm nicht antworten konnte. Die Luft kam erst so nach 2 Minuten wieder zurück. Hochsprung war vor Jahrzehnten ein hartes Brot.
Mit dem Ende des SELA-Netzes 2013 lösten sich diese Athleten-Erinnerungen leider völlig in Luft auf, ein herber Verlust! Ich hatte vergessen die Beiträge über Wolfgang und andere zu kopieren.
Die Zukunft der Senioren-Leichtathletik
Jeder kennt das. Man versucht seinem Gegenüber ein etwas komplexeres Geschehen verständlich zu machen und spürt, je länger man redet desto weniger fühlt man sich verstanden, daß Gesicht des Angesprochenen beginnt sich in Richtung eines Fragezeichens zu verformen.
Mir geht es ähnlich.
Natürlich hatte ich den Mut mich zu fragen, an wem es liegt, an dem Quatsch den ich rede oder dem Kleingeist des anderen, dessen zerebralen Windungen zu eng ausgelegt sind um Visionen höherer Größenordnungen passieren zu lassen.
Ja, ich mache mir Sorgen um die Leichtathletik und die dem Breitensport zugeordnete Senioren-Abteilung.
Bei der Aktiven-Leichtathletik wäre die Misere durch bessere Leistungen und damit höherer Medien-Präsenz bei stark ansteigenden Einnahmen für alle Beteiligten zu lösen, wenn halt die jungen Athleten dabei mitspielten.
Es gäbe prinzipiell schon Ansätze, wie das hinzubiegen wäre.
Aber Deutschland bringt dafür mit seiner relativ satten Bevölkerung, wo Berufsausbildung lange vor Sportkarriere rangiert, keine guten Voraussetzungen mit.
Notwendige größere Investitionen für die Realsierung locken deshalb, zumindest momentan, keine Investoren an.
Anders sähe ich die Möglichkeiten bei den Senioren. Wenn ich jetzt so ein paar Konzeptfragmente aneinanderreihe, könnte das zutreffen, was ich eingangs erwähnte. Es wird nicht verstanden. Ich könnte auch bei einer kleinen Diskussion am Rande einer Seniorenmeisterschaft diese Ideen vorbringen. Ich glaube aber die Reaktion wäre bestenfalls höfliches Schweigen.
Worum geht es denn also? Um Erfolg. Den Seniorensport herauszuholen aus der Ecke tattriger Breitensportler in Trainingsanzügen aus Ballonseide.
Wie?
Amerikanisch. Facebook, twitter, amazon. Bedürfnisse erkennen und befriedigen. So gut, daß die Masse mitzieht. Whatsapp als Erfolgsstory hat Dutzende andere Webseiten mit vergelichbaren Inhalten geschluckt, zermalmt, vernichtet. Weil genial einfach, logisch, praktisch.
Umsetzung bei den gereifteren Damen und Herren der leichtathletischen Leibesertüchtigung:
Die kritische Masse von ca. 1 Million erfaßten Sportlern in Deutschland ist zu erreichen. Die paar tausend Seniorensportler, die bislang über die Vereine organisiert sind, kann man vergessen. Ein Häuflein, zum Sterben etwas zu viele, zum Start in eine glanzvolle Zukunft einige Galaxien zu wenig.
Die per Smartphone (+ Computer) erreichbare Million sind Voraussetzung, damit hier ein ausreichend großes Werbepotential nutzbar wird. Investoren in eine Seniorensport-App oder ein entsprechendes Internetportal interessiert nur dieses, sie liefern aber (sie müssen sogar) „ungewollt“ und quasi „umsonst“ das unverzichtliche informative Umfeld mit, welches diese eine Million Sportler unbedingt braucht.
An diese Million hängen sich unsere Spitzen-Seniorenleichtathleten dran und erhalten für sie unverzichtbare „Leistungen“ ebenfalls umsonst. Die Werbung muß ertragen werden wie bei Google.
Wenn heute da und dort über die Seniorenleichtathletik im höheren Leistungsbereich diskutiert wird, ist es eher ein Gejammere warum z. B. der DLV nicht dieses oder jenes tut.
Meine Meinung dazu: Laßt den DLV in Ruhe. Die Leute tun schon was, eine Anspruchshaltung ist meines Erachtens fehl am Platze. Macht den Leuten, die sich da abmühen, ihre Arbeit nicht noch schwerer, vielleicht wäre mal ein Lob vernünftiger.
Jetzt geht es mir darum, ohne einen vollständigen Plan zu entwickeln, den entscheidenden Zentralgedanken herauszuarbeiten. Ohne den sonst alles andere nicht funktioniert.
Die 1 Million sind die Voraussetzung, unbedingt nötig. Erst die 1 Mio. Senioren bieten der Werbeindustrie die Grundlage für ein finanzielles Engagement. Als unvermeidliche Nebeneffekte ergeben sich mehr Öffentlichkeitswirkung der Spitzenathleten, Wettbewerbe mit Preisgeldern, Sponsoring, usw.
Seniorensportler haben mehrheitlich mehr Geld zur Verfügung, oft auch mehr Zeit, die idealen „Opfer“ für die Werbeindustrie.
Aber wie kriege ich diese 1 Million zusammen mit den heuete existierenden 2000 Leistungs-Seniorensportlern?
Lösung: Psychologie und Marketing.
Was zählt zu den stärksten Bedürfnissen der menschlichen Seele?
Das Geltungsbedürfnis. Bemerkt werden. Die Lust am Vergleich und Wettbewerb.
Welches Item wäre nun geeignet um diesen Bereich zu bedienen? Bitte ganz ruhig bleiben: Die Bestenliste als solche, in geeigneter Form aufbereitet.
Bestenliste heißt hier völlig vernetzte, vollständige und jederzeit aktuelle Datenbank. Die Kosten, erst mal eingerichtet, sind relativ gering.
Jetzt möchte ich erklären, warum die Bestenlisten dafür sorgen, daß 1 Million Menschen zu den 2000 Senioren-Leichtathleten stoßen.
Vereine sind vielen Zeitgenossen oft suspekt. Viele wollen z. B. einfach erst nur mal joggen, irgendwas für die Gesundheit tun. Bei sehr vielen bleibt es, nach einigen Anfangsbemühungen, beim guten Willen. Der Alltag schluckt das zarte Pflänzchen, massiv unterstützt vom inneren „Schweinehund“.
Tausend Gründe warum es scheitert, oft auch mangelnde Anreize, man läuft ab und zu seine Strecken, es tut sich anscheinend nicht viel, man läßt es wieder. Das eigene Tun ist mit keinem inneren Koordinatennetz fixiert, man kann was tun, man läßt es wieder.
Die Bestenlisten sollten jedem per Smartphone-App die Gelegenheit geben, eine bestimmte Leistung sofort einzuordnen. Es sind plötzlich Fixpunkte vorhanden in Bezug auf sich selber, seine Leistungsfähigkeit. Eine neue, gesteigerte Selbstwahrnehmung ist plötzlich vorhanden, auch die Positionierung zu anderen weckt Interesse. Interesse weckt auch die Möglichkeit, sich exakt meßbar zu verbessern. Ein Vorteil, den die Leichtathletik hat und Ballsport viel weniger.
1000 m in 5:14 min. = 119.200. beste jemals registrierte Zeit in Deutschland. Jetzt wird, da bin ich mir ganz sicher, der Ehrgeiz geweckt. Aber, seine 5:14 kann derjenige erst in die Bestenliste bringen, wenn er das bei einem offiziell abgenommenen Wettkampf abliefert. Und jetzt haben wir ihn.
Sofort formt sich sein Ziel: "Ich werde einen solchen Wettkampf bestreiten, bei dem ich mit meiner Leistung in die Listen komme" („Zufälligerweise“ bietet das eine Leichtathletikabteilung seines Ortes auch an). "Außerdem möchte ich später mindestens 99.999 in Deutschland werden."
Er läuft nun nicht mehr gegen Wind, Regen und die eigene Unlust an, nein, er fühlt sich nun aus der totalen Nichtbedeutung herausgehoben zugunsten einer beachteten Person. Er fühlt sich positiv gefordert und muß sich nicht mehr zu gelegentlichen Läufen regelrecht überwinden. Er will es jetzt.
Die BestenlistenApp wird nun von ihm oft geöffnet, auch weil er hier Trainingstipps findet, Veranstaltungen und mehr.
Von den Disziplinen her werden die Läufe dominieren, es wird so gut wie keine Freizeitsportler geben, die mit Dreisprung beginnen. Dann schon mal eher eine Weitspringer oder Kugelstoßer. Dafür finden sich in den nicht so nachgefragten Disziplinen größere Chancen sich weiter vorne zu plazieren.
Letztendlich finden sich alle, Herr Zacharias, Herr Ritte, Herr (Guido) Müller, Herr Knabe, Frau Zehntner zusammen mit Herrn Johannes Weiß-ich-Wer, in den Bestenlisten wieder.
Eine Million Leute schauen auch mal auf die ersten Plätze und staunen. Plötzlich ist das bisherige Ghetto "Keine Sau interessiert sich für uns" durchbrochen. Was ist schon die Altersgruppe 15 -25 gegen die von 30 - 90? Wobei die Jungen schon nach wenigen Jahren unausweichlich in die Älterwerdenspirale gelangen, während den "Alten" alle 5 Jahre eine neuer Frühling, ein Neuanfang geschenkt wird.
Herr Zacharias wird gefragt werden, ob er auf der App Reklame für Diclofenac machen würde. Und Fritz Noname’s Goldmedaille bei einer Weltmeisterschaft ist der Ortszeitung eine Titelmeldung auf der ersten Seite wert und nicht nur eine 5-Zeilen-Nachricht am Mittwoch unter Sport-in-der-Region auf Seite 21.
Um diese Idee zu realisieren bedürfte es zweierlei Dinge. Investoren und ein sehr gut überlegtes und gereiftes Konzept. Einfach und genial.
Allein die Werbung zu Beginn dürfte ein Vermögen verschlingen.
DLV wie Vereine müßten eingebunden sein und mitspielen. Es müßten natürlich Voraussetzungen geschaffen werden, die ausschließlich dieser Idee dienten. Man benötigte fast so einen Richard Branson oder Elon Musk auf dem Gebiet der Senioren-Leichtathletik. Ich gebe zu, ein sehr verwegener Gedanke. Leute mit Liebe zum Sport und zum großen Geld.
Bestenlisten-Apps und –Webseiten gibt es natürlich schon. Aber eben ... für Deutschland z. B. nur für die schon zitierten „2000“, z. T. lückenhaft (z. B. nur nationale, keine internationalen Ergebnisse). Too small.
Es wären ja auch weitreichendere Probleme zu lösen. Wie sollen LA-Vereine reagieren, wenn plötzlich 1 Million Sportler Zeiten und Weiten erzielen wollen, unter welchem Status sollen die starten, die hätten ja erst mal keinen Startpaß). Versicherungsfragen. Die zugehörige Datenbank müßte betreut sein, es sollte vielleicht nicht so sein, daß sich eine 1,95 m Hochsprunghöhe für einen 60-jährigen jahrelang in den Listen halten kann.
Sorgfältig überlegt wären die Senioren aber besser vermarktbar. Bei den Jungen ist nur der mediale Marktwert absoluter Spitzenkönner wie Bolt interessant. Der Rest der jungen Sportler, trotz 5. Platzes bei den hessischen Meisterschaften, wird trotzdem nur von Anbieter von Klingeltönen und Computerspielen hofiert, sonst sind sie eher weniger Werbeziel. Die jungen Leute kosten halt viel Geld und haben selber noch deutlich weniger zum Ausgeben.
Randbemerkung:
An sich gehörten ja nach unten offene aktuelle Bestenlisten, komplette ewige Bestenlisten und Rekordlisten (mit wenigstens 2 Rekordvorgängern) zur Standard-Ausstattung nationaler Verbände.
Was war das schon für ein Geschrei, als die inoffizielle Leichtathletik-Datenbank.de nicht mehr wollte!
Im Prinzip muß der Verband auch die „Oberherrschaft“ behalten. Aber er könnte ja Ausführung und Ausweitung durchaus an kommerzielle Stellen „auslagern“.
Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle Alfred Hermes und seiner Senioren-Website ein dickes Lob aussprechen. Ohne Leute wie ihn sähe es um vieles trüber aus in unserer Senioren-Leichtathletik! Er macht einen Super-Job.
Man sollte wirklich nicht vergessen, ihm mal gelegentlich seinen Dank auszusprechen.
Viele Leichtathletik-Interessierte und ich selber natürlich auch, setzen darauf, daß es sich bei dieser Ankündigung einer Abschiedstournee um genau das Gleiche handelt wie wir es von 70er- und 80-Jahren Pop- und Rockgruppen kennen – dem Beginn einer Serie von Remember-when-we-were-young-Auftritten, der sich über die nächsten 2 Jahrzehnte erstreckt.
Es mag eine für viele Nichtsportler erstaunliche Entdeckung sein, das spiegelt aber auch der Bericht von Thomas wieder, daß man sich in einen Wettkampf mit 70 Jahren genau so reinbeißen kann wie mit 25.
Nur, mit 25 Jahren brüllen da eventuell 50.000 Zuschauer im Stadionrund um die Wette während mit 70, irgendwo auf einem Dorfsportfest, der Kampfrichter gegen das Einnicken ankämpft.
Selbst die Ankündigung, dieses Dorf könnte in einigen Minuten für ewig mit einem deutschen Rekord verbunden sein, erregte am Set soviel Aufmerksamkeit wie ein Anlaufmarkierungs-Klebstreifen des vorherigen Wettbewerbs, den eine Windbö davonträgt.
Während sich für Außenstehende beim Wandel vom Aktiven zum betagten Rentner-Sportler trotz permanenter Spitzenleistung in der Wahrnehmung Welten ändern, von gottgleicher Anhimmelung bis zur einer Ignorierung kosmischen Ausmaßes, bleibt die innere Beteiligung für den ernsthaften Athleten gleich, sie mag sich in der Art ändern.
Von der Würde, die das Älterwerden begleiten sollte, wird erwartet, daß der Athlet die auf Null zusteuernde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit einfach so hinnimmt.
Es mag ja der Typ des Athleten eine Rolle spielen, auch wie stark er früher im Rampenlicht stand, also wie hoch die „Fallstrecke“ ist zwischen Berühmtsein und Bedeutungslosigkeit.
Ich finde es einfach toll, daß uns der Thomas auf seinem Weg mit seinen Gefühlen hierbei mitnimmt. Danke!
Frech von mir ist es natürlich, daß ich das nicht so stehen lassen kann und ungefragt und unbedingt meinen Senf dazu geben muß.
Also Thomas, die Show ist noch nicht vorbei! Weißt Du warum? Weil Du noch immer auf dem gleichen Trip von früher bist. Gelegentlich flackert es noch auf. Natürlich ist es ein Kracher, wenn ich mit 60 beim Hochsprung in der Provinz 11 Jugendliche und 4 Männer mit offenen Mündern demoralisiert zurücklasse. Selbst ohne Zuschauer auf der Tribüne, fast ohne jede nennenswerte mediale Resonanz. Deshalb auch die Schande über ev. 1,43 m ... diese Phase, "eigentlich kann ich es noch fast wie ein Junger", ist noch nicht ganz abgeschlossen.
Aber ..., und jetzt kommt’s ..., wenn Du im Olympiastadion von Sydney 2037, mit 35.000 Zuschauern gefüllt, Dich von Deiner Anlaufmarke löst ..., auf dem Weg zum neuen Weltrekord ..., wird ein Hexenkessel toben der bis nach Singapur zu hören ist!
Ich möchte Deinen angekündigten Abschied so interpretieren, daß es einer ist von einer bestimmten Phase. Ich denke daß sehr viele Leute erwarten, daß daraufhin die nächste beginnt!
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Zu diesem Thema paßt die Erinnerung an irgendwie menschlich anrührende Sportlerschicksale früherer Jahre. Nicht immer sind es die bekannten, großen Namen. In der vordigitalen Zeit war die Gefahr noch um einiges größer daß diese Geschichten im Dunkel der Vergangenheit auf immer verschwanden mit den Sportlern, wenn sie wegstarben. Mit den vergilbten, ausgerissenen und gesammelten Zeitungsseiten seines Nachlasses, die seine Kinder in den Papiercontainer stopften.
Ich selber wurde mit einem Fall „konfrontiert“. Ich stellte 2009 den bayrischen Rekord im Hochsprung M60 ein, bis dahin gehalten von Wolfgang Boneder, was mir zunächst wenig sagte.
Nach einiger Zeit entdeckte ich den Eintrag in der Rekordliste des Bayerischen Verbandes, der sehr ausführlich ist mit vielen Zusatzinfos.
Ich traute meinen Augen nicht. Der eingestellte Rekord war 55(!) Jahre alt. Fast ein Menschenleben. Das Geburtsdatum von Wolfgang Boneder: 20.10.1894! 115 Jahre danach wurde seine spätere Leistung erst wieder erreicht. 3 Jahrhunderte wurden bei dem ganzen Geschehen berührt.
Vielleicht bin ich zu sentimental. Aber mir bedeuten diese Betrachtungen viel.
Dann hatte ich wieder Glück. Im Internet-Auftritt des SELA-Netz aus dem Meyer&Meyer Verlag gab es eine Rubrik für Leichtathletik-Veteranen. Nach meiner Erinnerung führte hier Alfred Hermes die Feder.
Der Artikel über Wolfgang Boneder wußte Erstaunliches zu berichten. Sportliche Höchstleistungen die einem den größten Respekt abnötigen in einer schwierigen Zeit. Wohl größtenteils in den Sand gesprungen, wobei die Gleichung Sprunghöhe = Fallhöhe Gültigkeit besaß.
Ich weiß noch wie mich mein Sportlehrer in der 1. Gymnasialklasse wegen eines höheren Sprunges lobte, während ich in der Sandgrube saß, ihn ansah und ihm nicht antworten konnte. Die Luft kam erst so nach 2 Minuten wieder zurück. Hochsprung war vor Jahrzehnten ein hartes Brot.
Mit dem Ende des SELA-Netzes 2013 lösten sich diese Athleten-Erinnerungen leider völlig in Luft auf, ein herber Verlust! Ich hatte vergessen die Beiträge über Wolfgang und andere zu kopieren.
Die Zukunft der Senioren-Leichtathletik
Jeder kennt das. Man versucht seinem Gegenüber ein etwas komplexeres Geschehen verständlich zu machen und spürt, je länger man redet desto weniger fühlt man sich verstanden, daß Gesicht des Angesprochenen beginnt sich in Richtung eines Fragezeichens zu verformen.
Mir geht es ähnlich.
Natürlich hatte ich den Mut mich zu fragen, an wem es liegt, an dem Quatsch den ich rede oder dem Kleingeist des anderen, dessen zerebralen Windungen zu eng ausgelegt sind um Visionen höherer Größenordnungen passieren zu lassen.
Ja, ich mache mir Sorgen um die Leichtathletik und die dem Breitensport zugeordnete Senioren-Abteilung.
Bei der Aktiven-Leichtathletik wäre die Misere durch bessere Leistungen und damit höherer Medien-Präsenz bei stark ansteigenden Einnahmen für alle Beteiligten zu lösen, wenn halt die jungen Athleten dabei mitspielten.
Es gäbe prinzipiell schon Ansätze, wie das hinzubiegen wäre.
Aber Deutschland bringt dafür mit seiner relativ satten Bevölkerung, wo Berufsausbildung lange vor Sportkarriere rangiert, keine guten Voraussetzungen mit.
Notwendige größere Investitionen für die Realsierung locken deshalb, zumindest momentan, keine Investoren an.
Anders sähe ich die Möglichkeiten bei den Senioren. Wenn ich jetzt so ein paar Konzeptfragmente aneinanderreihe, könnte das zutreffen, was ich eingangs erwähnte. Es wird nicht verstanden. Ich könnte auch bei einer kleinen Diskussion am Rande einer Seniorenmeisterschaft diese Ideen vorbringen. Ich glaube aber die Reaktion wäre bestenfalls höfliches Schweigen.
Worum geht es denn also? Um Erfolg. Den Seniorensport herauszuholen aus der Ecke tattriger Breitensportler in Trainingsanzügen aus Ballonseide.
Wie?
Amerikanisch. Facebook, twitter, amazon. Bedürfnisse erkennen und befriedigen. So gut, daß die Masse mitzieht. Whatsapp als Erfolgsstory hat Dutzende andere Webseiten mit vergelichbaren Inhalten geschluckt, zermalmt, vernichtet. Weil genial einfach, logisch, praktisch.
Umsetzung bei den gereifteren Damen und Herren der leichtathletischen Leibesertüchtigung:
Die kritische Masse von ca. 1 Million erfaßten Sportlern in Deutschland ist zu erreichen. Die paar tausend Seniorensportler, die bislang über die Vereine organisiert sind, kann man vergessen. Ein Häuflein, zum Sterben etwas zu viele, zum Start in eine glanzvolle Zukunft einige Galaxien zu wenig.
Die per Smartphone (+ Computer) erreichbare Million sind Voraussetzung, damit hier ein ausreichend großes Werbepotential nutzbar wird. Investoren in eine Seniorensport-App oder ein entsprechendes Internetportal interessiert nur dieses, sie liefern aber (sie müssen sogar) „ungewollt“ und quasi „umsonst“ das unverzichtliche informative Umfeld mit, welches diese eine Million Sportler unbedingt braucht.
An diese Million hängen sich unsere Spitzen-Seniorenleichtathleten dran und erhalten für sie unverzichtbare „Leistungen“ ebenfalls umsonst. Die Werbung muß ertragen werden wie bei Google.
Wenn heute da und dort über die Seniorenleichtathletik im höheren Leistungsbereich diskutiert wird, ist es eher ein Gejammere warum z. B. der DLV nicht dieses oder jenes tut.
Meine Meinung dazu: Laßt den DLV in Ruhe. Die Leute tun schon was, eine Anspruchshaltung ist meines Erachtens fehl am Platze. Macht den Leuten, die sich da abmühen, ihre Arbeit nicht noch schwerer, vielleicht wäre mal ein Lob vernünftiger.
Jetzt geht es mir darum, ohne einen vollständigen Plan zu entwickeln, den entscheidenden Zentralgedanken herauszuarbeiten. Ohne den sonst alles andere nicht funktioniert.
Die 1 Million sind die Voraussetzung, unbedingt nötig. Erst die 1 Mio. Senioren bieten der Werbeindustrie die Grundlage für ein finanzielles Engagement. Als unvermeidliche Nebeneffekte ergeben sich mehr Öffentlichkeitswirkung der Spitzenathleten, Wettbewerbe mit Preisgeldern, Sponsoring, usw.
Seniorensportler haben mehrheitlich mehr Geld zur Verfügung, oft auch mehr Zeit, die idealen „Opfer“ für die Werbeindustrie.
Aber wie kriege ich diese 1 Million zusammen mit den heuete existierenden 2000 Leistungs-Seniorensportlern?
Lösung: Psychologie und Marketing.
Was zählt zu den stärksten Bedürfnissen der menschlichen Seele?
Das Geltungsbedürfnis. Bemerkt werden. Die Lust am Vergleich und Wettbewerb.
Welches Item wäre nun geeignet um diesen Bereich zu bedienen? Bitte ganz ruhig bleiben: Die Bestenliste als solche, in geeigneter Form aufbereitet.
Bestenliste heißt hier völlig vernetzte, vollständige und jederzeit aktuelle Datenbank. Die Kosten, erst mal eingerichtet, sind relativ gering.
Jetzt möchte ich erklären, warum die Bestenlisten dafür sorgen, daß 1 Million Menschen zu den 2000 Senioren-Leichtathleten stoßen.
Vereine sind vielen Zeitgenossen oft suspekt. Viele wollen z. B. einfach erst nur mal joggen, irgendwas für die Gesundheit tun. Bei sehr vielen bleibt es, nach einigen Anfangsbemühungen, beim guten Willen. Der Alltag schluckt das zarte Pflänzchen, massiv unterstützt vom inneren „Schweinehund“.
Tausend Gründe warum es scheitert, oft auch mangelnde Anreize, man läuft ab und zu seine Strecken, es tut sich anscheinend nicht viel, man läßt es wieder. Das eigene Tun ist mit keinem inneren Koordinatennetz fixiert, man kann was tun, man läßt es wieder.
Die Bestenlisten sollten jedem per Smartphone-App die Gelegenheit geben, eine bestimmte Leistung sofort einzuordnen. Es sind plötzlich Fixpunkte vorhanden in Bezug auf sich selber, seine Leistungsfähigkeit. Eine neue, gesteigerte Selbstwahrnehmung ist plötzlich vorhanden, auch die Positionierung zu anderen weckt Interesse. Interesse weckt auch die Möglichkeit, sich exakt meßbar zu verbessern. Ein Vorteil, den die Leichtathletik hat und Ballsport viel weniger.
1000 m in 5:14 min. = 119.200. beste jemals registrierte Zeit in Deutschland. Jetzt wird, da bin ich mir ganz sicher, der Ehrgeiz geweckt. Aber, seine 5:14 kann derjenige erst in die Bestenliste bringen, wenn er das bei einem offiziell abgenommenen Wettkampf abliefert. Und jetzt haben wir ihn.
Sofort formt sich sein Ziel: "Ich werde einen solchen Wettkampf bestreiten, bei dem ich mit meiner Leistung in die Listen komme" („Zufälligerweise“ bietet das eine Leichtathletikabteilung seines Ortes auch an). "Außerdem möchte ich später mindestens 99.999 in Deutschland werden."
Er läuft nun nicht mehr gegen Wind, Regen und die eigene Unlust an, nein, er fühlt sich nun aus der totalen Nichtbedeutung herausgehoben zugunsten einer beachteten Person. Er fühlt sich positiv gefordert und muß sich nicht mehr zu gelegentlichen Läufen regelrecht überwinden. Er will es jetzt.
Die BestenlistenApp wird nun von ihm oft geöffnet, auch weil er hier Trainingstipps findet, Veranstaltungen und mehr.
Von den Disziplinen her werden die Läufe dominieren, es wird so gut wie keine Freizeitsportler geben, die mit Dreisprung beginnen. Dann schon mal eher eine Weitspringer oder Kugelstoßer. Dafür finden sich in den nicht so nachgefragten Disziplinen größere Chancen sich weiter vorne zu plazieren.
Letztendlich finden sich alle, Herr Zacharias, Herr Ritte, Herr (Guido) Müller, Herr Knabe, Frau Zehntner zusammen mit Herrn Johannes Weiß-ich-Wer, in den Bestenlisten wieder.
Eine Million Leute schauen auch mal auf die ersten Plätze und staunen. Plötzlich ist das bisherige Ghetto "Keine Sau interessiert sich für uns" durchbrochen. Was ist schon die Altersgruppe 15 -25 gegen die von 30 - 90? Wobei die Jungen schon nach wenigen Jahren unausweichlich in die Älterwerdenspirale gelangen, während den "Alten" alle 5 Jahre eine neuer Frühling, ein Neuanfang geschenkt wird.
Herr Zacharias wird gefragt werden, ob er auf der App Reklame für Diclofenac machen würde. Und Fritz Noname’s Goldmedaille bei einer Weltmeisterschaft ist der Ortszeitung eine Titelmeldung auf der ersten Seite wert und nicht nur eine 5-Zeilen-Nachricht am Mittwoch unter Sport-in-der-Region auf Seite 21.
Um diese Idee zu realisieren bedürfte es zweierlei Dinge. Investoren und ein sehr gut überlegtes und gereiftes Konzept. Einfach und genial.
Allein die Werbung zu Beginn dürfte ein Vermögen verschlingen.
DLV wie Vereine müßten eingebunden sein und mitspielen. Es müßten natürlich Voraussetzungen geschaffen werden, die ausschließlich dieser Idee dienten. Man benötigte fast so einen Richard Branson oder Elon Musk auf dem Gebiet der Senioren-Leichtathletik. Ich gebe zu, ein sehr verwegener Gedanke. Leute mit Liebe zum Sport und zum großen Geld.
Bestenlisten-Apps und –Webseiten gibt es natürlich schon. Aber eben ... für Deutschland z. B. nur für die schon zitierten „2000“, z. T. lückenhaft (z. B. nur nationale, keine internationalen Ergebnisse). Too small.
Es wären ja auch weitreichendere Probleme zu lösen. Wie sollen LA-Vereine reagieren, wenn plötzlich 1 Million Sportler Zeiten und Weiten erzielen wollen, unter welchem Status sollen die starten, die hätten ja erst mal keinen Startpaß). Versicherungsfragen. Die zugehörige Datenbank müßte betreut sein, es sollte vielleicht nicht so sein, daß sich eine 1,95 m Hochsprunghöhe für einen 60-jährigen jahrelang in den Listen halten kann.
Sorgfältig überlegt wären die Senioren aber besser vermarktbar. Bei den Jungen ist nur der mediale Marktwert absoluter Spitzenkönner wie Bolt interessant. Der Rest der jungen Sportler, trotz 5. Platzes bei den hessischen Meisterschaften, wird trotzdem nur von Anbieter von Klingeltönen und Computerspielen hofiert, sonst sind sie eher weniger Werbeziel. Die jungen Leute kosten halt viel Geld und haben selber noch deutlich weniger zum Ausgeben.
Randbemerkung:
An sich gehörten ja nach unten offene aktuelle Bestenlisten, komplette ewige Bestenlisten und Rekordlisten (mit wenigstens 2 Rekordvorgängern) zur Standard-Ausstattung nationaler Verbände.
Was war das schon für ein Geschrei, als die inoffizielle Leichtathletik-Datenbank.de nicht mehr wollte!
Im Prinzip muß der Verband auch die „Oberherrschaft“ behalten. Aber er könnte ja Ausführung und Ausweitung durchaus an kommerzielle Stellen „auslagern“.
Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle Alfred Hermes und seiner Senioren-Website ein dickes Lob aussprechen. Ohne Leute wie ihn sähe es um vieles trüber aus in unserer Senioren-Leichtathletik! Er macht einen Super-Job.
Man sollte wirklich nicht vergessen, ihm mal gelegentlich seinen Dank auszusprechen.