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Kleiderordnung im Turnen - Druckversion

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Kleiderordnung im Turnen - ThomZach - 26.07.2021

Angesichts der nun schon zum dritten Mal wiederholten Übertragung der Qualifikationswettkämpfe
beim Frauen-Turnen (besser: Gerätturnen der Frauen) martern viele neue Gedankenfolgen mein
armes kleines Hirn: Zuerst ertappe ich mich dabei, wie ich den Anblick der weiblichen Schönheit
ziemlich ungeniert genieße. In früheren Zeiten hat die Gesellschaft mit ihren Moralia alles was
mit Weiblichkeit in Männeraugen zusammenhängt für verwerflich erklärt. Die Männer mussten sich
schämen und verstecken und besondere Räume einrichten, um ihrer Freude am Anblick holder
Weiblichkeit zu frönen. Nicht nur Freudenhäuser und Bordelle für die praktische Ausübung ihrer
Männlichen Triebe, sondern auch Museen mit Statuen und Gemälden, wo die Lust am Schauen
für Kultur und Kunstgenuss erklärt werden konnte, bis hin zu den Varietees wie das Moulin Rouge
und die Folies Bergèrs und später den Nachtclubs mit Striptease und Tabledance. Alles Formen,
den Männern dieser Welt die Lust an der Freude zu bieten, die sie offenbar sonst nirgends finden.
Die Frauen und Mädchen die sich dort zur Schau stellen, wurden und werden heute noch als
unanständig diffamiert oder man unterstellt ihnen, dass sie ihren Beruf nur unter Zwang ausübten.
Die große Mehrheit der Frauen ist ja leider eher gênant veranlagt und schafft mit ihrer Prüderie
ein Ambiente der Verachtung und Erniedrigung für alle Beteiligten. So ist wohl auch zu erklären,
dass in den Sportverbänden alte, ihr Leben lang sexuell zu kurz gekommene Männer eine
Kleiderordnung durchgesetzt haben, die haarscharf am offenen Exhibitionismus vorbeischrammt.
Der Extremfall ist hierbei die Vorschriften bei den Beach-Volleyballerinnen, denen nicht das Recht
zugestanden wird, ihre Bikinihöschen auf Höhe der Hüftknochen auch nur einen Zentimeter
breiter zu halten als die maximal vorgegebenen 4cm. Es drohen empfindliche Geldstrafen und
Disqualifikationen, und diese wurden auch schon verhängt. Und da ist auch für mich der Punkt
erreicht, wo ich mich als Mann wieder dafür schäme, ein Mann zu sein – grad wie in meiner
Jugend, wo ich so gerne einer gewesen wäre und mich nicht getraut habe. Und als ich mich
durch therapeutische Einsichten endlich traute und hatte verführen lassen, ja „verderben“, wie
man damals zu sagen pflegte, wurde mir der Spaß an der Lust zur Sucht und ich schämte mich
weiter – sogar vor meiner Partnerin.

Und ich schämte mich für all die anderen Männer, die sich offenbar nicht schämten und über das
was mir das Allerheiligste am Leben schien, ihre peinlichen Witze und schmutzigen Zoten rissen.
Ich kann also verstehen, dass viele Frauen sich zutiefst belästigt und gedemütigt fühlen, wenn sie
von Männern ohne die angemessene Zurückhaltung mit „unsittlichen Angeboten“ konfrontiert
werden. Umso unverständlicher ist es mir aber, dass niemand ernsthaft die Kleiderordnung im
Sport anprangert und die „alten geilen Säcke da oben“ bloßstellt und zum Teufel jagt. Nicht einmal
vonseiten der weiblichen Funktionäre in den Verbänden geht ein Impuls in diese Richtung aus!
Aber noch weniger hinzunehmen ist für mich die Tatsache, dass die Frauen anscheinend jedes
ungeschickte, eindeutig erotische Angebot für skandalöser halten als der Männer Hauptgeschäft:
Ausbeutung, Sklaverei, Bestechung, Waffenhandel und Krieg. Von daher gesehen kann ich die
„mee-too-Bewegung“ nur als von Grund auf hysterisch und unangemessen einstufen. Meine
Mutter hätte gesagt: „Et soll ihnen nischt Schlimmeret passieren“ … als ein übermütiger Klaps
auf den Po. Aber meine Mutter hatte auch Krieg und Flucht und Vertreibung erlebt. Und weiß
Gott war sie prüde! Sonst wäre ich nicht so unsäglich schüchtern geworden. Heute bin ich ihr
dafür schon seit langem sogar dankbar, denn in der Zurückhaltung der Gefühle, im Stau des
Triebes, schlummert wohl die tiefste, beglückendste Befriedigung. Und davor die Ekstase.

Zurück zu Olympia: Weit tiefer noch als die weibliche Schönheit und die Anmut ihrer perfekten
Bewegungen bei den Turnerinnen hat mich das Dressurreiten ergriffen. Ich weiß: Die meisten
Menschen können damit nichts anfangen oder glauben gar, hier würde im Dienste des Ehrgeizes
Tierquälerei verübt. Ich weiß es besser, denn ich hatte mal Pferde und eine versierte Dressurreiterin
zur Frau. Und wenn ein Mensch und ein Tier derart zur Einheit verschmelzen, dass so ein
unglaublicher Tanz entsteht, dann haben Kunst und Kultur im Sport eine Vollendung erreicht,
wie sie durch nichts festgehalten werden kann. Durch kein Video, kein Gemälde, kein Standbild.
Und die nur wahrgenommen und geschätzt werden kann, wenn man sich eingehend damit
beschäftigt hat. Aber das gilt wohl für alle Disziplinen – oder kann man eine Kür am Boden oder
am Stufenbarren goutieren, wenn man nie selbst am Reck und Barren achtteilige Übungen als
Prüfung zum Diplomsportlehrer ablegen musste? (Heute undenkbar, da die Jugend überall ihre
Mittelmäßigkeit durchsetzt.) Oder wenn man an den Ringen vergeblich versucht hat, in den Stütz
zu gelangen. Da kann ich ja wieder von Glück singen, dass ich nichts von Boxen und Judo verstehe...


RE: Kleiderordnung im Turnen - Diak - 26.07.2021

Lieber Thomas,

vielen Dank für Deinen interessanten und mutigen Essay, die Frage, welche Rolle Ästhetik der Körperlichkeit in unserem hoch ästhetischen Sport spielt, ist eine wichtige, über die es sich lohnt nachzudenken.

drei Anmerkungen von mir:

- Zwang kann viele Gestalten haben, es gibt keine validen Erhebungen, wie viele Menschen völlig freiwillig und gern im Rotlichtmillieu arbeiten, dass dies die Mehrheit ist, scheint mir wenig wahrscheinlich.

- wie kommst Du drauf, dass Frauen genanter/prüder als Männer wären und noch mehr auf die sehr steile These, diese Prüderie würde das "Ambiete der Verachtung" schaffen?

- beschäftige dich gern etwas intensiver mit #meetoo, Deine Unterstellung ist sehr unschön und wird dem wichtigen Anliegen nicht gerecht, sich gegen jede Form sexualisierter Gewalt zu stellen, die unfassbar viele Mädchen und Frauen in herabwürdigender Weise erleben.


RE: Kleiderordnung im Turnen - ThomZach - 27.07.2021

(26.07.2021, 21:16)Diak schrieb: - Zwang kann viele Gestalten haben, es gibt keine validen Erhebungen, wie viele Menschen völlig
freiwillig und gern im Rotlichtmillieu arbeiten, dass dies die Mehrheit ist, scheint mir wenig wahrscheinlich.

Schein-t unwahr-schein-lich? Die Realität ist mir egal, wenn sie nicht bekannt ist und ich sie als
unerkennbar betrachte.

Zitat:- wie kommst Du drauf, dass Frauen genanter/prüder als Männer wären und noch mehr auf die sehr
steile These, diese Prüderie würde das "Ambiete der Verachtung" schaffen?

Meine subjektive Erfahrung. Ich finde alle Menschen meschugge. Und leider sind Frauen nun mal auch
Menschen.

Zitat:- beschäftige dich gern etwas intensiver mit #meetoo, Deine Unterstellung ist sehr unschön und wird
dem wichtigen Anliegen nicht gerecht, sich gegen jede Form sexualisierter Gewalt zu stellen, die
unfassbar viele Mädchen und Frauen in herabwürdigender Weise erleben.

Tja, da geht es den Damen und Mädels so wie mir mit ihnen. Grässlich wie die Menschen eben sind.
Ich unterstelle meetoo gar nichts. Ich erlebe, höre und kommentiere.
Nur weil es "in" ist, die Damenwelt zu bemitleiden, muss ich sie nicht mit Kritik schonen.
Irgendwann wachen die Männer auf und gründen ihre eigene meetoo-Bewegung. Aber leider
unterwerfen sie sich lieber dem Matriarchat, weil sie sonst nicht mehr "randürfen". Ist dir noch
nicht aufgefallen, dass die Männer den längeren Hebel haben, aber die Frauen "daran sitzen" und
es weidlich dazu ausnutzen, die Männer zu versklaven? Wir Männer sind also offenbar einem
subtilen, sexuellen "Stockholm-Syndrom" erlegen. Und unser gesellschaftliches und berufliches
Gebahren ist von dieser Konfliktlage bestimmt. Aber ich weiß, dass solche Bedenken und Betrachtungen
in der Männerwelt auf taube Ohren stoßen, denn Männer sind so selbstherrlich, dass sie rein gar nichts
von ihrer Umgebung wahrnehmen. Sie wollen reich, mächtig und siegreich sein, damit sie sich die
Frauen leisten können. Das ist alles.


Ja, es ist ein gar seltsam Spiel zwischen den diversen Geschlechtern. Und wie alle Konflikte in dieser Welt ist auch 
dieser hier nicht beizulegen. Die Kunst besteht wohl darin, sich zurechtzufinden und zu behaupten. Aber ich selbst
bin damit völlig überfordert. Offenbar zu doof. Und dafür werde ich wohl ständig bestraft. AngryBig Grin


RE: Kleiderordnung im Turnen - RalfM - 27.07.2021

(27.07.2021, 18:39)ThomZach schrieb: Die Kunst besteht wohl darin, sich zurechtzufinden und zu behaupten. Aber ich selbst
bin damit völlig überfordert. Offenbar zu doof. Und dafür werde ich wohl ständig bestraft. AngryBig Grin

Gut, ich bin auch langsam. Aber wer bestraft Dich jetzt, die Forumsliteraturkritiker? Oder die anderen (hmmm...) Geschlechter?

Für meine Masterarbeit würde ich gerne mitnotieren.


RE: Kleiderordnung im Turnen - dominikk85 - 27.07.2021

Es gab ja auch bei biles einige Diskussionen das ihre Art nicht "weiblich" sei (sowohl ihr extrem muskulöser körperbau als auch ihr extrem athletisches Programm).

Ich finde es aber nicht mehr zeitgemäß sowohl bei Kleidung als auch bei körperbau und Programm der Damen auf einen "femininen" auftritt zu bestehen. 

Natürlich schauen Männer gerne hübsche Frauen an und wenn eine athletin das vermarkten will kann sie das gerne tun, aber es sollte nicht erstes Ziel des Frauen sports "eye candy" für Männer zu sein, zumindest sollten die Frauen selber die Wahl haben wie sie sich präsentieren wollen.


RE: Kleiderordnung im Turnen - ThomZach - 28.07.2021

(27.07.2021, 22:29)RalfM schrieb:
(27.07.2021, 18:39)ThomZach schrieb: Die Kunst besteht wohl darin, sich zurechtzufinden und zu behaupten. Aber ich selbst
bin damit völlig überfordert. Offenbar zu doof. Und dafür werde ich wohl ständig bestraft. AngryBig Grin

Gut, ich bin auch langsam. Aber wer bestraft Dich jetzt, die Forumsliteraturkritiker? Oder die anderen (hmmm...) Geschlechter?
Für meine Masterarbeit würde ich gerne mitnotieren.
Gottlob ist ja im Forum Toleranz am Drücker. 
Mit "ich" meinte ich hier die Männer im Allgemeinen, denn dank dem
Feminismus sind sie ja heute an allem schuld. Und da leide ich mit. Aber es ist immer heikel, Stellung zu beziehen.
Und der "Hass im Netz" ist auch nicht nur männlich.
Wie auch immer: ich hab mich mal wieder in dieser komplexen Welt verirrt, und das Thema gehört ja auch gar nicht hierher.


RE: Kleiderordnung im Turnen - ThomZach - 28.07.2021

(27.07.2021, 23:25)dominikk85 schrieb: Natürlich schauen Männer gerne hübsche Frauen an und wenn eine athletin das vermarkten will kann sie das gerne tun, aber es sollte nicht erstes Ziel des Frauen sports "eye candy" für Männer zu sein, zumindest sollten die Frauen selber die Wahl haben wie sie sich präsentieren wollen.

Genau diese Freiheit wird ihnen aber von den Verbänden über die Kleiderordnung abgesprochen und vewehrt. Darauf wollte ich hinaus.


RE: Kleiderordnung im Turnen - dominikk85 - 28.07.2021

(28.07.2021, 05:38)ThomZach schrieb:
(27.07.2021, 23:25)dominikk85 schrieb: Natürlich schauen Männer gerne hübsche Frauen an und wenn eine athletin das vermarkten will kann sie das gerne tun, aber es sollte nicht erstes Ziel des Frauen sports "eye candy" für Männer zu sein, zumindest sollten die Frauen selber die Wahl haben wie sie sich präsentieren wollen.

Genau diese Freiheit wird ihnen aber von den Verbänden über die Kleiderordnung abgesprochen und vewehrt. Darauf wollte ich hinaus.

ja, sehe ich auch so, diese kleiderordnungen sind  sexistisch.


RE: Kleiderordnung im Turnen - ThomZach - 28.07.2021

(28.07.2021, 10:06)dominikk85 schrieb: 
ja, sehe ich auch so, diese kleiderordnungen sind  sexistisch.

Sexistisch: Wieder so ein Wort das sich eingebürgert hat und keine eindeutige Bedeutung hat.
Jedenfalls negativ konnotiert: soll man nicht sein. Also ich weiß nicht was das heißen soll.
Sogar Wikipedia kommt ins inhaltlose Faseln und hilft nicht wirklich weiter. Also:
Ich empfinde es als sexistisch wenn ich durch sozialen Druck dazu verpflichtet werde zu gendern.
Denn andererseits, soll ich zwischen den Geschlechtern und ihren Abweichungen keinen Unterschied
machen, also nicht ständig auf den Unterschied hinweisen. Ja, was denn nun?! Gendern ist sexistisch
und Nicht-Gendern auch. Also da gibt es für mich nur den einen Schluss: Die Gesellschaft versinkt
im ideologischen Chaos und man kann sie nicht mehr ernst nehmen. Also muss ich ihr und ihren
willkürlichen Normen auch nicht mehr folgen oder darauf Rücksicht nehmen - nur aus Selbstschutz.

Meinungsvielfalt mag ja was Schönes sein und von großer Freiheit zeugen. Aber wenn jeder mit
Gewalt darauf besteht, die einzig richtige Meinung zu vertreten, geht es nicht mehr um Wahrheit
und Recht sondern nur noch um massenhafte Selbstverherrlichung. Und das hatten doch schon
meine Vorfahren. Jetzt muss sich dieser Meinungsfanatismus nur noch organisieren um die Welt zu
erobern oder zu „retten“, und schon haben wir wieder das was wir doch nie mehr wollten!
Wenn da nicht diese alten Ideologien und Religionen wären, die uns auf diesem Weg ja heute um
einiges voraussind. Na – das! wird noch ein Zinnober! Spannend: Wer gewinnt das Rennen?
Die Umweltzerstörung oder der chinesische Globalismus oder doch die Scharia?


RE: Kleiderordnung im Turnen - RalfM - 28.07.2021

(28.07.2021, 12:35)ThomZach schrieb: 
Sexistisch: Wieder so ein Wort das sich eingebürgert hat und keine eindeutige Bedeutung hat.
Jedenfalls negativ konnotiert: soll man nicht sein. Also ich weiß nicht was das heißen soll.

Danke, das Du zum Forum zurückgekommen bist.

Mit "rassistisch" ist es dasselbe. Die selben Personen, die "Gleichberechtigung" fordern, die die Mohren-Apotheke umbennen wollen, oder den U-Bahnhof Onkel-Tom-Straße in Berlin, veranstalten dann Theater-Workshop nur für POC. Ich habe kein Problem mit Hautpigmenten, das sind schon andere. Da lasse ich mir nichts einreden.

Wie komme ich zum Diskussionsthema zurück? Was war das überhaupt, achso, was mit Vorschriften. Sport braucht Regeln, die dem Wettbewerb dienen. Die der Ehrlichkeit dienen, damit aus Sport kein Klamauk wird. Was Sport nicht braucht sind Extraregeln, die nicht der Ehrlichkeit dienen.

Wenn ich da jetzt an die maximale Hüftbreite der Beach-Tangas denke...