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Hochsprung-Absprung - Druckversion

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Hochsprung-Absprung - Mkfan - 04.03.2020

Eine Frage an die Hochsprungexperten unter Euch mit der Bitte um Aufklärung:

Bei einem gradlinigen Anlauf wird der Rotationsimpuls, der nachher für die Lattenüberquerung wichtig ist, ja dadurch erzeugt, dass der Kraftstoß beim Absprung den KSP leicht verfehlt (evtl. unterstützt von der Schwungarm- und beinführung).
Wie verhält sich das aber beim bogenförmigen Anlauf? Die KSP-Absenkung geschieht ja durch die Kurveninnenlage (evtl. unterstützt durch einen längeren vorletzten Schritt wie beim gradlinigen Sprung). Durch die Innlage entsteht nun aber eine Neigung weg von der Latte, die auch beim Beginn des Absprungs noch vorherrscht, sodass hier der Kraftstoß nicht analog zum gradliniger Sprung am KSP vorbei gehen kann, weil die Körperlage ja noch nicht in der Senkrechten ist. Das Aufrichten geschieht hier, indem die Schwungelemente (Arme und Schwungbein) zunächst parallel zur Latte hin geführt werden, womit der Fliehkraft aus der Kurveninnenlage entgegengewirkt wird. Andernfalls gäbe es eine flache, diagonal lang gezogene Flugkurve. Habe ich es richtig verstanden, dann entsteht also ein (individueller) Umlenkwinkel zwischen Aufsetzen des Sprungfußes und Abflugwinkel des Körpers. In diesem Winkel richtet sich der Körper in der Steigephase zur Latte hin auf. Sodann leiten der oder die Arme und Schultern mit einer (höhenabhängigen) Lattenhinneigung die Rotation ein. 
Dieses zweite Form der Rotation lässt sich veranschaulichen, wenn man einen steifen Stab auf der Anlaufbahn schräg zur Latte hin mit einem Ende auf den Boden wirft. Er verlässt die Bahn, springt hoch und beschreibt eine Rotation über die Latte.  Meine Frage ist nun: Lässt sich dieses Modell des Stabes auf einen Springer übertragen?
Mit bestem Dank für Eure Auskünfte!


RE: Hochsprung-Absprung - Sotomenor - 04.03.2020

Das Thema hat mich auch beschäftigt, schön daß Du es aufgreifst.

Das Model des geworfenen Stabes erscheint wohl nur im ersten Moment frappierend erklärend, aber der Stab ist passiv und hat keine Steuerung mehr nach dem Verlassen der Hand.

Ich denke die Vorwärtsrotation beim Flop hat 2 Beeinflussungen:
1. Der Stemmschritt der die untere Körperhälfte bremst.
2. Wie der Sprungimpuls den KSP trifft. Vor senkrecht: Verminderung der Vorwärtsrotation, nach senkrecht: Unterstützung der Vorwärtsrotation

Ich wäre etwas vorsichtig mit dem sog. Kurvenlauf. Ich denke der Springer läuft keine mathematische Kurve, wohl eher so eine Art Vieleck ab und durch verschiedene Kompensationen schaut es so aus wie eine glatte Kurve.
Die Steuerung des Kurvenlaufes geschieht durch Nichtaufsetzen des nächsten Fußes auf die exakte Kurvenlinie, allerdings sind das in der Regel nur wenige cm, von außen nicht zu sehen, so daß sich dieses dem Blick des Beobachters entzieht.
Ich habe das selber mal nachgeschaut per Video, das sieht kein Trainer (außer es wäre extrem), hat aber entscheidenden Einfluß auf den Sprungverlauf und wird reguliert durch das Gefühl des Springers.

Wahrscheinlich kriege ich jetzt eines auf den Deckel, aber ich denke die Aufgabe der Innenneigung wird ausgelöst durch das Aufsetzen des Sprungfußes durch "Verlassen der exakten Kurvenbahn" von der Matte weg, sagen wir mal um 4 cm z. B. Wie eigentlich sonst? Ist wie beim Fahradfahren auf einer Kreislinie.

Hat der Springer diese Entscheidung (z. B. 4 cm ins Kurveninnere) getroffen, gibt es ab sofort keine Fliehkräfte mehr. Die irgendwie eingreifen oder derer man sich bedienen könnte. Das mündet in eine Gerade (Tangente).

Die Rückenlage über der Latte hat mit der Vorwärtsrotation nichts zu tun. Hauptlieferant der Drehung um die Längsachse ist das Schwungbein (Arm vielleicht nur 10-20 %). Da das Schwungbein nicht in der senkrechten Projektion unter dem KSP wirkt ist der Impuls zur Rückenlage irgendwie unvermeidlich, ein Grund warum bei Anfängern jeder den Flop und nicht den Straddle will.

Deine Frage geht vermutlich dahin wie man die wichtigsten Parameter sich erst mal vorstellen und dann steuern kann, um z. B. technisch besser zu springen.
Dazu müßte man erst mal eine Liste haben welche steuerbaren Dinge im einzelnen wieviel Einfluß haben auf die Sprunghöhe.
Da werden auch manche Experten etwas wortkarger, obwohl man so anfangen müßte. Angenommen die technisch einzige richtige Antwort zu einem Sprungdetail wäre, setze deinen Fuß ca. 3 cm mehr nach links auf. Wer will das denn überprüfen? Du? Der Trainer? Eben. Und wenn man erst mal seinen style gefunden hat, dann würden selbst die "richtigen" 3 cm Korrektur erstmal nur confusione erzeugen.
Richte dich vorsorglicherweise mal auf einen etwas längeren Weg der Suche nach den wahren Dingen des Hochsprungs ein. Viel Erfolg!


RE: Hochsprung-Absprung - matthias.prenzlau - 04.03.2020

Ich machs mal kurz und unwissenschaftlich:
Beim Absprung wird der KSP durch seitliche Neigung verfehlt und
somit wird beim Absprung eine Rotation eingeleitet.
Diese Rotation ist nicht mehr veränder- und auflösbar.
Alles was nach dem Absprung passiert, würde durch den Absprung gestartet.
Man ist der eingeleiteten Rotation sozusagen ausgeliefert.

Während der Steigphase vollzieht man einen Seitwärtssalto.
Eine Viertel Drehung weiter hat man schon die Flophaltung.
Deshalb ist es eher ein "seitwärts abgefälschter Seitwärtssalto"
(hört sich komich an, aber ich denke jeder weiß, was gemeint ist).

Alle Körperteile, die die Latte überquert haben, tauchen hinter der Latte ab.
Bei Höhen weit unter Körpergröße, muss die Rotation tüchtiger eingeleitet werden,
als bei höheren Höhen, denn der Kopf muss bei Lattenpassage augenblicken tauchen,
damit der Rest steigen kann.

Bei richtig eingeleiteter Rotation ist das ein Selbstläufer.
Man wird nach der Steigpahse genauso steil wieder abtauchen.


RE: Hochsprung-Absprung - Diak - 04.03.2020

Oder noch kürzer:
"ja"
dass die Rotation nicht beeinflussbar wäre, finde ich dann doch zu verkürzt. Je mehr Masse sich nah am KSP befindet, desto schneller rotiert der Körper. Relevant in Bezug auf die Armführung, das Anfersen und ein bisschen auch die Überstreckung der HWS


RE: Hochsprung-Absprung - matthias.prenzlau - 05.03.2020

Die Rotation als Ganzes ist ein Selbstläufer.
Massenträgheit und Kreiselkräfte spielen bei der Rotation um
eine Achse auch eine Rolle. Sie können die Rotation verlangsamen und danach wieder beschleunigen.
Aber die Basküle, die die Rotation von Anfang an beschreibt, bleibt immer die selbe.


RE: Hochsprung-Absprung - Mkfan - 05.03.2020

Habe etwas gefunden, was meine Frage veranschaulicht:

https://www.youtube.com/watch?v=2CM9fDyJHOI, ab 6:35 Min.


RE: Hochsprung-Absprung - lor-olli - 05.03.2020

Besten Dank auch von mir Wink
Nettes Video, vor allem mit aufschlussreichen Bildern!


RE: Hochsprung-Absprung - gera - 05.03.2020

die Sache mit dem Absprung ist doch etwas vielschichtiger als bisher hier beschrieben.
Eine Rotation beim Absprung entsteht immer , wenn exzentrisch abgesprungen wird, also die Kraftlinie des Absprungs an der Senkrechten durch den KSP vorbei geht.
Der dabei entstehende Drehimpuls ist abhängig vom Impuls und dem Kraftarm der Wirkung. Der Impuls wiederum  von der Masse des Athleten und der resultierenden Geschwindigkeit in Abflugrichtung.
Der Drehimpuls lässt sich also steigern durch Vergrößerung der res. V.
Die Flugkurve des Athleten ist mit dem Absprung natürlich festgelgt. Aber es ist die Flugkurve des KSP.!
Der Athlet hat Möglichkeiten bei der Lattenquerung einzugreifen, ja er muss es sogar, denn er überquert die Latte nicht mit dem KSP , sondern mit den einzelnen Körperteilen.Nach dem Prinzip actio=reactio bringt er die Körperteile in eine günstige Lage zur Latte und mit der Veränderung des Abstandes der Einzelkörperschwerpunkte der Gliedmaßen zum Gesamtkörperschwerpunkt steuert er die Winkelgeschwindigkeit der Drehung.
Nicht nur die Größe des Drehimpulses beim Absprung ist wichtig, sondern auch die zeitliche und örtliche Durchführung der Drehung in Bezug auf die Latte muss stimmen.
Ebenso der Abstand des Absprunges von der Lattenebene. Ist der Abflugwinkel klein, muss der Absprungabstand größer werden, und die Flugkurve wird flacher.
Es sind viele Einzelteile die da zusammenwirken.
Das alles muß der Athlet in ca. 0,2 sec. beim Absprung und 0,5 bei der Flugphase zusammen bringen.


RE: Hochsprung-Absprung - MZPTLK - 05.03.2020

(05.03.2020, 14:46)gera schrieb: die Sache mit dem Absprung ist doch etwas vielschichtiger als bisher hier beschrieben.
Eine Rotation beim Absprung entsteht immer , wenn exzentrisch abgesprungen wird, also die Kraftlinie des Absprungs an der Senkrechten durch den KSP vorbei geht.

Das verstehe ich nicht, an der Senkrechten durch den KSP vorbei?
Jedenfalls gilt: Ich kann und muss bei den Langsprüngen Weit und Drei Rotationen vermeiden,
bem Hochsprung muss eine Rotation beim Absprung verursacht werden.
Ob das bei den Langsprüngen durch eine Senkrechte passiert oder schräg, ist egal,
entscheidend ist die Vermeidung von Rotationen.


RE: Hochsprung-Absprung - gera - 05.03.2020

@ MZPTLK

habe ich schlecht ausgedrückt.
Verständlicher hoffentlich:
Rotation entsteht immer , wenn Linie KSP- Absprungfuß  abweicht von Linie KSP senkrecht nach unten.