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Der Trainer zwischen den Fronten - Druckversion

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Der Trainer zwischen den Fronten - Gertrud - 11.03.2019

Es wäre doch schön, wenn Trainer/innen in Ruhe arbeiten könnten. Ist das aber auch so? Mitnichten - vor allem nicht im professionellen und semiprofessionellen Bereich. Immer wieder stoßen sie an Grenzen, die nur mit Kompromissen (puppets on a string) zu überwinden sind: Verbände, Trainingsstätten, Gelder... Insofern können wir die absoluten Leistungsgrenzen so gut wie nie erreichen. Entsprechend bilden sich unter der Trainerschaft ganz bestimmte Typen heraus: "situationsgeschmeidige" und anpassungswillige, autarke und aneckende, bildungshungrige oder im mittleren Sport-Bildungsniveau steckenbleibende, vom System profitierende oder nicht-profittierende Trainer/innen ... heraus. Eine gesunde Entwicklung, die sich nur an gesunden Leistungsfortschritten entwickelt, findet man so gut wie gar nicht. Das ist die Crux, die ich sehe.

Ein langfristiger Leistungsaufbau ist damit so gut wie nicht gesichert. Früher konnten beim Bayerwerk angestellte Trainer sehr frei arbeiten. Das hat auch die guten Leistungsentwicklungen unter Bertl Sumser, Gerd Osenberg und Bernd Knut stark geprägt und beeinflusst. Heute sind viele Arbeitsstellen fremdbezahlt und somit vom augenblicklichen Erfolg abhängig. Es geht in solchen Positionen unheimlich viel Zeit aus meiner Sicht für Nebensächlichkeiten drauf.

Ich muss in meiner Position keine permanente Rechenschaft über Leistungen ... geben. Ich kann voll fokussiert auf die eigentlichen Inhalte und nicht auf eine Arbeitsplatzsicherung sein. Allerdings habe ich mir diesen Luxus auch erarbeitet  Wink ‌und merke Nicht-Beachtung durch fehlende Kanalisation von AuA zu mir seit Jahren von oben.  Wink ‌Manchmal werden Trainer aus meinem früheren Umfeld, die nach oben buckeln und nach unten zu treten wissen, voll beliefert, obwohl sie aus meiner sehr akribischen Sicht teilweise völlig unzureichende Kenntnisse haben. Es reicht eben nicht, wenn man gut ist.  Wink ‌Meine Hilfe kommt trotzdem ganz gezielt zugute und eben nicht flächendeckend. Ich habe letztens wieder zwei Pflöcke einschlagen können - weitab vom Mainstream, aber doch eliteträchtig.  Thumb_up ‌Kleine Zellen arbeiten somit im Untergrund, aber doch erfolgreich und vor allem gesund!!!

Gertrud


RE: Der Trainer zwischen den Fronten - dominikk85 - 11.03.2019

Es gibt halt auch noch was zwischen anecken und total anpassen. Wir leben in einer Welt der Kooperation und man muss zusammenarbeiten  können. Auch Wissenschaftler sind nicht mehr die einsamen Genies, wie früher sondern in Gruppen eingebunden und müssen Leuten für Gelder in den Hintern kriechen.

andererseits muss jemand der wirklich Top werden will auch Ecken und Kanten haben und sich von der Masse unterscheiden. Generell gilt je besser man ist desto mehr kann man sich erlauben. Als Durchschnitts Performer im Job  anzuecken ist ziemlich dämlich, während ein Weltklasse  Programmierer auch ein arroganter Arsch sein kann der dem Chef Sprüche reindrückt.

es gibt aber auch für Top Leute irgendwo eine Grenze, man kann nicht jeden Kampf austragen und manchmal ist es besser sich zu ducken und seine Energie für wichtige Kämpfe zu sparen.

Gertrud hat das als Rentnerin und  ex Trainerin von medaillen gewinnern natürlich nicht nötig, aber einem jungen trainer in der heutigen zeit muss man schon empfehlen ein wenig Networking zu betreiben. Man ist nunmal nicht allein in dieser Welt.

wobei es da auch Ausnahmen gibt. Aus meiner Baseball Tätigkeit kenne ich einen Coach der es als quereinsteiger ganz nach oben geschafft hat. Er ist ehemaliger Programmierer, äußerst arrogant mit leicht autistischen Zügen und beleidigt ständig leute im Geschäft (auch Teams und deren manager) und hat es dennoch ganz nach oben geschafft weil sein Data driven Training so gute Ergebnisse liefert.

imo ist das aber eine Ausnahme, 99% der Trainer können sich so etwas nicht leisten und sind gut beraten damit in wichtigen Positionen zwar eine eigene Meinung zu haben, aber auch nicht mit jedem ständig anzuecken.


RE: Der Trainer zwischen den Fronten - Gertrud - 11.03.2019

(11.03.2019, 11:27)dominikk85 schrieb: Es gibt halt auch noch was zwischen anecken und total anpassen. Wir leben in einer Welt der Kooperation und man muss zusammenarbeiten  können. Auch Wissenschaftler sind nicht mehr die einsamen Genies, wie früher sondern in Gruppen eingebunden und müssen Leuten für Gelder in den Hintern kriechen.

Wenn ich stark vom Mainstream entfernt agiere, heißt das nicht, dass ich nicht in Netzwerken arbeite. Das Gegenteil ist der Fall. Ich würde niemals formulieren, dass ich meine Erfolge nur aufgrund meiner Überlegungen erzielt habe. Ich habe enorm von bestimmten Menschen und wissenschaftlichen Studien... gelernt und profitiert. Vor mir haben folglich schon viele "gegraben"; aber ich habe nach meinen Kenntnissen selektiert und ganz individuelle Netzwerke hergestellt, die ich als Kooperationshilfen ansah. Ich würde mich aber niemals schwachen Verbindungen unterordnen. Man hat mir z.B. an unserem Gymnasium vertraut. In 40 Jahren Arbeit ist ein Gymnasium unter meinem Fachvorsitz mit einem Bestand an Trainingsstätten und Geräten entstanden, das - wie ein junger Kollege letztens formulierte - mit einigen Hochschulen standhalten kann. Ich suche sicherlich nicht danach, Menschen permanent vor den Kopf zu stoßen. Es geht mir aber um gesunde Ergebnisse und ein hervorragendes Zeitmanagment vorrangig. 

Nehmen Sie einen Gjert Ingebrigtsen, der autodidaktisch nach Wissen gesucht hat und anscheinend 1 und 1 gut zusammengefügt hat! Er hat sicherlich auch eine gute Gruppe an Zubringern um sich. Ich habe letztens noch in einem kleinen Team Inhalte von AuA abgestimmt. Ich agere nicht "wie die Axt im Walde". Ich gehe aus solchen enorm guten Kooperationen immer etwas schlauer hinaus. Das ist mein Antrieb, mein Wissen immer mehr in Zusammenarbeit mit sehr guten Leuten zu verfeinern.

Gertrud