Leichtathletikforum.com
Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Leichtathletik allgemein (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=2)
+--- Thema: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes (/showthread.php?tid=1577)

Seiten: 1 2


Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Atanvarno - 12.01.2016

Der Britische Leichtathletikverband hat eine Liste von 14 Reformvorschlägen für eine saubere Leichtathletik vorgelegt.
http://www.theguardian.com/sport/2016/jan/11/uk-athletics-calls-for-world-records-to-be-reset-due-to-doping-crisis-athletics

1) Der Verband (UKA) wird eine gerichtsfeste Möglichkeit suchen, Dopingtäter lebenslang von internationalen Meisterschaftseinsätzen auszuschließen
2) Die WADA soll eine öffentlich zugängliche Datenbank anlegen, aus der hervorgeht, wann und wie oft Athleten getestet wurde
3) Sollte die WADA eine solche Datenbank nicht schnell genug einrichten, wird UKA von seinen durch Lottogelder geförderten Athleten verlangen ihre Daten in einer von UKA verwalteten Datenbank verfügbar zu machen. Nicht geförderte Athleten sollen ermutigt werden, ihre Daten ebenfalls zu veröffentlichen
4) WADA und UKAD sollen die Möglichkeit untersuchen "missed tests" zu veröffentlichen. Weiterhin soll die Periode, in der drei verpasste Tests zu einer Sperre führen von einem Jahr auf 18 Monate oder sogar zwei Jahre ausgedehnt werden
5) Die Zahl getester Athleten soll erhöht werden und es sollen mehr Trainingskontrollen durchgeführt werden
6) WADA soll den Prozess der Erteilung von TUE (Genehmigung der Einnahme von ärztlich verordneten Medikamenten) untersuchen und die Anforderungen für die Erteilung einer solchen Genehmigung erhöhen
7) Die IAAF soll das Vorliegen eines biologischen Passes zur Bedingung für die Teilnahme an internationalen Meisterschaften mache. Weiterhin sollen Athleten eine Mindestzahl an Wettkampf- und Trainingskontrollen in den 12 Monaten vor einer Meisterschaft für die Teilnahme nachweisen.
8) IAAF-Mitgliedsverbände sollen für die Erstattung von Preisgeldern an geschädigte Athleten verantwortlich sein, wenn ein Athlet des Verbandes wegen Dopings gesperrt wird. Verbände die sich daran nicht halten, werden von Meisterschaften ausgeschlossen
9) Die IAAF soll die Möglichkeit untersuchen, eine neue Weltrekordliste einzuführen (beispielsweise durch die Änderung von Wettkampfregeln/Disziplinspezifikationen), nachdem die obigen Maßnahmen vollständig umgesetzt sind
10) Ein Aufruf an alle Sponsoren, keine wegen eines schwerwiegenden Dopingvergehens schuldige Athleten unter Vertrag zu nehmen/zu fördern. Die IAAF soll einen festen Anteil ihrer Sponsoringeinnahmen für den Anti-Doping-Kampf verwenden
11) Regierungen sollen die Unabhängigkeit ihrer jeweiligen NADAs sicherstellen, idealerweise übergeben sie die Aufgaben direkt an die WADA
12) Die Strafe für schwere Dopingvergehen soll auf acht Jahre erhöht werden, lebenslange Sperren sollen möglich sein
13) Die Beschaffung von Dopingmitteln soll kriminalisiert werden. Funktionäre, die sich dessen schuldig machen, sollen lebenlang gesperrt werden
14) ADAs sollen in "Sauberer Sport..." umbenannt werden, um ihren eigentlichen Zweck zu verdeutlichen


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - lor-olli - 12.01.2016

Ist ein schönes paper,
Lord Coe bekommt gerade Sauerstoff Wink


Zu Punkt 8 möchte ich anmerken, dass von "If a member federation does not honour this responsibility, it can be suspended from participating in major championships." einer Androhung des Ausschlusses die Rede ist, wohl wissend, dass ein Ausschluss eines Verbandes nicht so ohne weiteres im derzeitigen Bereich der IAAF liegt - dazu wäre ein Mehrheitsbeschluss von zwei drittel(??) der Mitlglieder nötig. (Coe würde dieses Argument SOFORT hervorholen, er hat in der Vergangenhet schon mal ähnlich argumentiert)

Ein weiterer Aspekt sind die Sponsoren (Punkt 10), ich kann mir nicht vorstellen, dass die großen Geldgeber (insbesondere Nike) sich so ohne weiteres drängen lassen, sie wissen das sich viele Verbände diesen finanziellen Verlust nicht erlauben können / wollen. Der britische Leistungssport stellt sich mit seiner Lotteriefinanzierung relativ gut und unabhängig auf, auch in Deutschland wäre eine sponsorenunabhängige Finanzierung sicher möglich - die finanziellen Einschnitte dürften aber auch hier nicht unerheblich sein, sollten die Sponsoren nicht mitziehen wollen.

Nike z.B. hat sich in den USA trotz Protesten entschlossen ertappte Dopingsünder in der LA (Gatlin) weiter großzügig zu unterstützen, auch weil in den anderen, für den Sportartikelhersteller wichtigeren Profi-Sportarten (Baseball, Football, Basketball) die Gegenwehr gegen schärfere Regeln schon jetzt fast so hoch ist wie gegen schärfere Waffengesetze … (Highschoolfootballer haben wegen geplanter, unangekündigter Test sogar ernsthaft mit Streik gedroht!)

Ich sehe in diesem Papier aber einen ernstzunehmenden Versuch "aufzuräumen", der Leichtathletik geht das Wasser schon fast bis zum Hals… In einer Sportart, wo die Ergebnisse in Sekundenbruchteilen gemessen werden bietet Doping einen nicht wegzudiskutierenden Vorteil und ein Argument wie: "Doping bringt doch im Spiel keine Vorteile…" funktioniert eben nicht.

Trotzdem würde es mich wundern, wenn international ernsthaft über dieses Papier diskutiert würde.


The Guardian's Vorstoß - Hellmuth K l i m m e r - 12.01.2016

(12.01.2016, 15:17)Atanvarno schrieb: Der Britische Leichtathletikverband hat eine Liste von 14 Reformvorschlägen für eine saubere Leichtathletik vorgelegt...

1) Der Verband (UKA) wird eine gerichtsfeste Möglichkeit suchen, Dopingtäter lebenslang von internationalen Meisterschaftseinsätzen auszuschließen ...


Viele haben vergessen, dass sich Wilson Kipketer bereits 2008 (s. FAZ, v. 21.8.08 ) für eine lebenslange Sperre aussprach.
Als er sich als Athletenvertreter des IOC bewarb, sagte er: "Zwei Jahre oder vier Jahre sind viel zu kurz. Ich bin für  die lebenslange Sperre für Doping."
Damals war seine rigorose Forderung für viele noch ungewöhnlich. Heute prellt der britische LA-Verband, den Guardian nutzend, vor und will noch rigider (und kostenaufwändiger!) gegen Doper vorgehen.

Wegen der  K o s t e n  , die wir alle blechen müssen, frage ich mich langsam, ob wir nicht die Doper machen lassen sollten, was sie wollen - sie sollen ihren Körper ruhig systematisch ruinieren ... Angry Huh
Die kenntnisreichen Insider und Fans werden die Erfolgsgeilen leicht erkennen.

H. Klimmer / sen.


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Astra - 12.01.2016

Ich frage mich wie die bei Punkt 6 vorgehen wollen. Sollen die Athleten zu einer Art Amtsarzt geschickt werden?
Ich wundere mich sowieso wieviele der Spitzensportler Asthma haben.

Und zu Punkt 9: Lasst doch die alten Rekorde. Da ist kaum einer daran interessiert sie zu verbessern. Wenn alles neu gemacht wird, kann man mit den Rekorden wieder richtig gut Geld verdienen. Da lohnt es sich doch wieder etwas nachzuhelfen.


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - lor-olli - 12.01.2016

Asthma ist tatsächlich ziemlich verbreitet! Im Norden Englands und in Schottland (deswegen auch häufig englische Krankheit genannt) betrifft es ca. 15%, in den USA ca. 10% der Erwachsenen, in Deutschland "nur" 5% (Das sind immer noch 4 Millionen Menschen!).

Bei Spitzensportlern gibt es schon sogenannte Gefälligkeitsgutachten - der Arzt hört die Lunge ab und erkennt pfeifende Geräusche - EIN mögliches Indiz für Asthma und fertig ist der "Schein". Bei einer kritischeren Diagnose wird es, insbesondere bei Leistungssportlern, eher dazu führen das man sagt, ja, möglicherweise leichter asthmatischer Ansatz aber nicht unbedingt medikamentös zu versorgen…
Belastungsasthma ist unter Allergikern verbreitet, hier liegt der Anteil der Betroffenen bei 20-25% und die Symptome treten nach ca. 5-10 Minuten einer höheren Dauerbelastung auf, da darf dann auch nach IAAF inhaliert werden[font][font] ([/font][/font][font]Salbutamol … Orciprenalin … Terbutalin …Lomudal…)

Nur um mal die Dimensionen zu nennen, so gibt es auch eine ganze Menge Athleten mit "Schein".

Das ist ein komplexes Thema, bei tatsächlicher Erkrankung wirken diese Mittel nicht leistungssteigernd und ob sie tatsächlich die Leistung bei einem gesunden Athleten steigern (Herzminutenvolumen) ist nicht eindeutig - sie erleichtern definitiv die Atmung und auch die Atemtiefe und allein das psychologische Moment ist nicht zu unterschätzen.[/font]


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Atanvarno - 12.01.2016

Punkt 6) könnte man auch als "Lex Salazar" bezeichnen Wink

Die Rekorde auf null zu stellen und wieder von vorne anzufangen suggeriert zwei Dinge
1) Vor der Nullstellung waren alle gedopt
2) Nach der Nullstellung ist keiner mehr gedopt
Beides sicherlich nicht wahr, daher lehne ich den Punkt ab.

Coes Vorschlag dazu finde ich sogar noch schlechter
Zitat:Warner said he spoke to Coe earlier yesterday and the president of international athletics had told him he favoured erasing some individual records instead.
Quelle

Ich glaub es hackt, Eure Lordschaft. Coe entscheidet jetzt also, wer sauber war und wer nicht?

Besser wäre es, die Medien würden von ihrer Rekordgeilheit weiter runterkommen (was sie in Ansätzen schon tun). Beispielsweise den Weltrekord nicht mehr ins Fernsehbild einzublenden wäre ein guter Anfang.

Mit den meisten anderen Vorschlägen kann ich mich anfreunden, sehe aber diverse Probleme, beispielsweise bei der gerichtsfesten Umsetzung von 1) und 12) (da haben ja schon mehrfach Athleten erfolgreich gegen geklagt)

2)3)4) gehen in die Richtung, die Prof. Eike Emrich vorgeschlagen hatte, s. dieser Thread

Die vollständige Umsetzung von 7) würde ich als großen Wurf empfinden!


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - longbottom - 13.01.2016

Der Haken bei 7) ist, dass es nicht in den Händen der Athleten liegt, wie oft sie kontrolliert werden. Wenn sie eine Mindestanzahl an Kontrollen vorweisen müssen, sollte der erste Schritt sein festzulegen, dass WADA und Co. die Kontrollen auch durchführen müssen. Mal als ganz extremes Beispiel: Theoretisch könnte man Sportler so auch sabotieren und vom Wettkampf ausschließen, in dem man sie bewusst nicht genug kontrolliert.


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Robb - 13.01.2016

<p>Eine Streichung der Weltrekorde würde zu absurden Szenarien führen, da wären dann deutsche Rekorde (und auch die anderer Länder), die laut DLV ja nicht gelöscht werden können, deutlich besser als Weltrekorde. Und egal, was die IAAF macht, die neuen Weltrekorde würden bei jedem Meeting mit den alten verglichen.<br />
Was soll eine Mindestanzahl an Kontrollen bringen, wenn NADAs Kontrollen manipulieren und sogar die IAAF bei Vertuschungen mitmacht. Solange die Kontrollen nicht zu 100% sauber sind, braucht man über solche Vorschläge nicht nachzudenken.</p>


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Atanvarno - 13.01.2016

Zitat:drawing a line under all pre-existing sport records - for example, by adjusting event rules -


Bei geänderten Regeln (bspw. andere Gewichte, Schwerpunkte, Hürdenhöhen- und Abstände) werden auch die deutschen Rekorde ungültig und es gibt auch keinen Vergleich mehr mit den alten Rekorden. Aber wie gesagt: mit dem Vorschlag bin ich aus anderen Gründen auch nicht glücklich.

Zum anderen Punkt: deswegen fordert UKA ja auch, idealerweise alle Kontrollen in die Hand der WADA zu legen.

---edit
Ich finde man muss grundsätzlich über solche Vorschläge, die sicherlich teilweise maximales Wunschdenken enthalten, nachdenken, sonst ändert sich nämlich gar nichts.


RE: Manifest für eine saubere Leichtathletik - Reformvorschläge des britischen Verbandes - Robb - 13.01.2016

(13.01.2016, 13:35)Atanvarno schrieb:
Zitat:drawing a line under all pre-existing sport records - for example, by adjusting event rules -

Bei geänderten Regeln (bspw. andere Gewichte, Schwerpunkte, Hürdenhöhen- und Abstände) werden auch die deutschen Rekorde ungültig und es gibt auch keinen Vergleich mehr mit den alten Rekorden. Aber wie gesagt: mit dem Vorschlag bin ich aus anderen Gründen auch nicht glücklich.

Und was will man bei den Laufstrecken oder Sprungdisziplinen ändern? 99 statt 100m laufen? Und wie sollten kleine Vereine die Änderung der Gewichte finanzieren? Neue Stoss- und Wurfgeräte für alle Disziplinen wären nicht billig. Für mich sind das Vorschläge wie der Gundersen-Quatsch des DLV, wenig durchdacht und in der Praxis nicht durchführbar.