Leichtathletikforum.com
Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Spezial (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=7)
+--- Forum: Ernährung und Gesundheit (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=11)
+--- Thema: Sportverletzungen - wer hat Schuld? (/showthread.php?tid=1129)

Seiten: 1 2 3 4


RE: Sportverletztungen - wer hat Schuld? - Atanvarno - 28.07.2016

Rico Freimuth schrieb:Aktuell bin ich wieder gesund und kann gut durchtrainieren. Ich habe Schmerzen, kann aber alles machen.“
Quelle


RE: Sportverletztungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 28.07.2016

(28.07.2016, 10:18)Atanvarno schrieb:
Rico Freimuth schrieb:Aktuell bin ich wieder gesund und kann gut durchtrainieren. Ich habe Schmerzen, kann aber alles machen.“
Quelle

Oft ist es so, dass Athleten anklingende Schmerzen einfach unterschätzen, woraus sich dann auf einmal mehr entwickeln kann. Wer gute Traineraugen hat, wird bei Rico Freimuth sofort fündig. Ich hatte damals unmittelbar zwei Bilder von Rico Freimuth katalogisiert, die auf Trainingsfehlbelastungen hindeuten. Den gleichen Tatbestand erahne ich bei einer Siebenkämpferin, wo bisher noch keine Schmerzen vorhanden sind. Das tritt dann auf einmal plötzlich auf.

Im Fall Rico Freimuth hatte ich ein Impingement der Schulter vermutet. Eine Entzündung der Supraspinatussehne deutet auf diesen Tatbestand hin. Da er die Sache wahrscheinlich nicht von Haus aus hat, sind meistens Trainingsfehler (schlechte Trainingsübungsqualität, Überbelastung, fehlende Ausgleichsübungen) vorhanden. In einigen Fällen können auch anatomische Dispositionen der Grund sein, die sich anfangs nicht in Schmerzen äußern, sich aber auf Dauer bei bestimmten Bewegungen ganz unangenehm melden können.

Ich hatte einen Schüler, der relativ früh über Schulterprobleme bei ganz bestimmten Übungen im Medizinballwurfbereich (gängige Übungen für Gesunde) geklagt hat. Ich habe diese Übungen weggelassen, somit die Schmerzen umgangen, aber sein Leistungstraining nicht fortgesetzt. Meistens muss eine operative Korrektur der vohandenen Anomalie erfolgen, was ich bei dem Leistungsniveau nicht wollte. Schulter-Protektionsverfahren sind angesagt, die teilweise mit apparativen Hilfen erfolgen. Wer tief in die Materie eintaucht, hat als Trainer kaum ein Problem bei seinen Probanden in dieser Region. Gewusst wie???  Wink Thumb_up Ganz entscheidend ist die Freiheit des Gelenkes und das nicht vorhandene Schlingern des Oberarmkopfes bei Übungen, die bei Nichtwissen der anatomischen Voraussetzungen bei vielen Übungen in diesem Fall immer wieder vorkommen.  

Es wäre schon sehr gut, wenn man fortbildungsmäßig nicht nur in Zukunftsvisionen schwelgt, sondern das momentan vorhandene Wissen erst einmal anwendet. Die Zukunftsvisionen sind dann Sache der "ganz Verrückten"!!!  Wink Ich halte das stark geschulte Sehen und eine ganz ausgeprägte Diskussionskultur für unabdingbar, wenn wir relativ verletzungsfrei mit unseren Athleten operieren wollen. Als Trainer/in im Topbereich sollte man möglichst in der Lage sein, diese ankommenden Unterbrechungen zu erahnen und im Keim zu ersticken!!! Ich habe letztens bei einem unserer Spitzenwerfer eine Trainingsübung gesehen, die normalerweise in der Disziplin in der Position vorkommt, aber in einer um 90° gedrehten Position, so dass bei der Imitation erheblich größere Kräfte in einem bestimmten WS-Abschnitt entstanden und auf Dauer sicherlich Schäden erfolgen werden. Man muss sehr selbstkritisch in der Anwendung von Übungspotential sein und kann dann auch an den verträglichen Positionen ruhig sehr hoch im Kontext belasten. Da passiert dann normalerweise gar nichts.

Gertrud


RE: Sportverletztungen - wer hat Schuld? - Solos - 31.07.2016

Zitat:Merten Howe (SC Neubrandenburg), Sieger im Diskuswurf und mit einer Hallen-Bestleistung von 20,17 Metern einziger 20-Meter-Stoßer im Feld, beendete den Wettbewerb mit schmerzverzerrtem Gesicht und Rückenbeschwerden auf dem Silberrang (18,42 m). Bronze schnappte Pascal Eichler (LAC Erdgas Chemnitz; 18,16 m) im sechsten Versuch noch Clemens Prüfer (SC Potsdam; 18,00 m) vor der Nase weg. Nicht am Start: 19,88-Meter-Stoßer Cedric Trinemeier (MTG Mannheim), der sich schon bei der U20-WM mit Rückenschmerzen gequält hatte.



Quelle

Wenn ich sowas lese, dreht sich mir der Magen um. Ähnliche Berichte/Aussagen gab es bereits im Rahmen der U18 EM und der U20 WM. 

Da läuft doch gehörig was schief.... Angry


RE: Sportverletztungen - wer hat Schuld? - Atanvarno - 31.07.2016

Jup, gerade, wenn das schon bei Jugendlichen so ist. Auch bei "Profis" finde ich so einen Umgang mit Beschwerden/Verletzungen nicht richtig, aber die haben ja wenigstens die Ausrede, dass sie sonst einen Verdienstausfall haben. Aber was ist die Begründung bei den Jugendlichen?

Vor allem - wer schon in der Jugend verlernt (oder nie beigebracht bekommt) auf seinen Körper zu hören, kann dann in der Hauptklasse so schizophrene Aussagen wie Rico Freimuth weiter oben machen.


RE: Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 26.08.2016

ich wundere mich immer wieder über die Blauäugigkeit, mit der selbst Athleten und Athletinnen, die aus dem medizinischen Bereich kommen, ihre Verletzungen überhaupt nicht mit wahrscheinlich schlechtem Training in Verbindung bringen. Gut, man kann nicht alle Fachbereiche kennen.  Wink

Gertrud


RE: Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 07.10.2016

Zitat:Auf leichtathletik.de
"Eine Schambein-Entzündung hatte Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg) ein halbes Jahr nach seinem deutschen Marathon-Rekord von 2:08:33 Stunden in Frankfurt die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Rio des Janeiro (Brasilien) gekostet."

Als die Nachricht kam, dass Arne Gabius die beidbeinige Kniebeuge durchführt, haben wir (Hansjörg und ich) uns an den Kopf gefasst und gesagt, dass der Beckenbereich sich auf kurz oder lang melden wird. Ich kann mich noch erinnern, dass ein Leichtathlet ihm die Übung gezeigt hat, weiß aber die Adresse nicht mehr. Eine geschlossene Kette dieses Bereiches verzeiht keine Dysbalance. Thumb_down  

Gertrud


RE: Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 15.10.2016

Ich habe mir mal den Bericht über Anna-Lena Freeses Verletzung durchgelesen und dass sie laut Angaben von Björn Sterzel, ihrem Trainer, unter einigen Verletzungen zu leiden hatte. Natürlich kann immer mal wieder etwas passieren, wo man vielleicht zunächst machtlos ist; aber es gehört ein vernünftiges Aufarbeiten der Trainingsmittel dazu. Wenn Quadrizepsteile reißen, sollte man sich Gedanken über die Testmittel der Strukturbalancen machen. Die landläufige Meinung der isokinetischen Werte Oberschenkel vorne - hinten 3:2 entsprechen keineswegs vernünftigen Recherchen, so dass dann die Trainingsmittel schon unverhältnismäßig angewendet werden. Ein sehr guter Bundestrainer macht auf diese Daten aufmerksam und gibt vernünftige Testverfahren heraus, unter welchen Bedingungen man dieses Problem durch unterschiedliche Apparaturen in den Griff bekommt. Ebenso verhält es sich bei den Hamstrings. Ich wundere mich überhaupt, wie viele Jahre man diese Probleme schon vor sich herschiebt. Die "nervale Kombi" tut ein Übriges. Ich habe viele Tabellen mit diesen Verletzungsursachen, die als Grundlage meiner Übungskonstruktionen dienen, katalogisiert, wobei es sich meistens um ein multiples Phänomen handelt. Manchmal ist intensive Dehnung genau das falsche Mittel für unterschiedliche anspringende Strukturen.

Was heißt das alles auf gut Deutsch?: Es fehlt an der Basis bis hin zur Spitze vielfach an den adäquaten Wissensinhalten. Normalerweise müssten die Bundestrainer über dieses Wissen verfügen. Ich habe in der vergangenen Woche eine Person aus dem Athletenbereich getestet und war erstaunt über die Defizite in den praktischen Anwendungen. Solche Dinge dürfen nicht passieren. Selbst auf unterster Ebene müssten viele Dinge in den Fortbildungen bekannt sein, was aber anscheinend nicht der Fall ist.

Gertrud


RE: Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 27.10.2016

Zitat:Volker Beck: Wir müssen 2017 gemeinsam mit den Heimtrainern und allen Partnern des Kompetenzteams das Gesundheitsmanagement der Athleten optimieren. Einen Bänderriss bei Sprungübungen kann man nicht ausschließen, so etwas kann immer passieren. Andere Verletzungen waren auf Fehler im Trainingssystem zurückzuführen, das müssen wir in Zukunft versuchen auszuschließen. Basierend auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Team sollte uns das gelingen.
Quelle

Genau da liegt der Hase im Pfeffer!!! Das "Team" hat es bisher nicht geschafft, die Verletztenquote aufgrund von Trainingsfehlern zu senken. Es fehlen aus meiner Sicht fundierte Kenntnisse im Transferbereich, an dem Hansjörg und ich seit über 30 Jahren in vielen Facetten gemeinsam arbeiten. "Neuer Wein in alten Schläuchen" ist eine Seuche, die sich durch den DLV in dem Bereich zieht. Der DLV schmort im eigenen "Teamsaft"!!! Da liegt die Crux!!! Es kommt nicht primär auf Erfahrung an, sondern auf die richtige Erfahrung!  Wink Man hat auch viel zu lange den Technikbereich z. B. im Hürdenlauf und Sprint vernachlässigt und wiegelt teilweise heute noch ab, wenn man den Bereich anschneidet.

Ich gebe mal ein Beispiel: Ich habe einen Schützling, der in vielen Bereichen falsch angesteuert worden ist. Er spürt jetzt Strukturen, die er vorher gar nicht wahrgenommen hat. In unserem System findet die Langhantel in dem Disziplinbereich bisher keine Anwendung. Hansjörg sagt sehr oft: "Es bringt nichts, das System tröpfchenweise zu verändern. Es muss komplett neu entwickelt werden." Daher hat es auch überhaupt keinen Zweck und ist eher Zeitverschwendung, wenn Schützlinge von mir an Lehrgängen teilnehmen. Sie werden dort nicht in meinem Sinn gefördert. 

Ich habe versucht, die Karre teilweise durch massive Gegenwehr bei Fortbildungen aus dem Dreck zu ziehen. Solche von mir gut gemeinten Argumente zielen ins Gegenteil. Daher höre ich heute meistens nur noch zu und diskutiere mit Gleichgesinnten. Man kann sich als Trainer/in im Topbereich keine Zeitverschwendung leisten, wenn es um Verletzungen geht. Ich würde zum großen Teil die Gelder auch anders kanalisieren und vor allem an den Steuerelementen Trainer/innen einsetzen, deren Verletztenquote (Unfälle ausgeschlossen) gering oder nicht vorhanden ist, die sich in Trainingsschemata detailliert auskennen. Was mich wundert, ist, dass man das Problem erst jetzt allmählich in den Vordergrund rückt. Ich prangere es seit Jahren an!!!!! Wer immer nur reagiert und zwar zeitversetzt, der hat niemals den erwünschten Erfolg. 

Gertrud


RE: Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 27.10.2016

Noch als Ergänzung: Man sollte im Grunde alles auf den Kopf stellen und natürlich auch nachfragen, ob die Programme z. B. das Energiesystem vernünftig unterstützen oder die Regenerationspools regelrecht "abgeschossen" werden und somit den Verletzungen Tür und Tor geöffnet wird. Dazu gehört natürlich die akribische Frage, welche Programme sich ausschließen oder verträglich sind.

Vielleicht sollte man das Fortbildungsmuster in diesen Bereichen überdenken und den Diskussionszeitraum erhöhen.

Gertrud


RE: Sportverletzungen - wer hat Schuld? - Gertrud - 28.10.2016

(27.10.2016, 12:32)Gertrud schrieb: Noch als Ergänzung: Man sollte im Grunde alles auf den Kopf stellen und natürlich auch nachfragen, ob die Programme z. B. das Energiesystem vernünftig unterstützen oder die Regenerationspools regelrecht "abgeschossen" werden und somit den Verletzungen Tür und Tor geöffnet wird. Dazu gehört natürlich die akribische Frage, welche Programme sich ausschließen oder verträglich sind.

Vielleicht sollte man das Fortbildungsmuster in diesen Bereichen überdenken und den Diskussionszeitraum erhöhen.

Gertrud

Einigen Trainern fällt es unheimlich schwer, Selbstkritik zu üben. Ich habe bei leichtem Zwicken sofort mein System hinterfragt und habe dabei jede Menge gelernt. Allerdings war ich auch fachlich sehr gut eingebettet, so dass ich dann in medias res bei ganz gezielten Belastungen gehen konnte und kann. Ich habe meinen Blick über Jahre geschult. Ich habe in der letzten Woche drei neue Geräte gekauft, die meinen Blick erweitern. Gestern habe ich mit einem Sportkollegen gesprochen, bei dem ich interessante Bücher gesehen habe, die ich kaufen werde. Ich empfinde mich nie als "fertig"!!! Ich vermisse bei einigen Trainern diesen Antrieb. Das ist primär eigene Sache. Der DLV kann wohl Interesse durch sehr gute Angebote wecken. Machen müssen wir aber selbst. Ich schiebe für Nicht-Funktionieren primär nie die Schuld anderen zu und forsche gezielt zunächst bei eigenen Versäumnissen nach. 

Der DLV hätte aus meiner Sicht viel eher die Karten hinsichtlich gravierender Verletzungen bei jahrelangen Vorkommnissen hinterfragen und gezielt abstellen müssen. Das Gesundheitsteam ist ein Tropfen auf den hohlen Stein. Primär stimmen die Trainingssysteme nicht. Man muss ran an die Ursachen!!! Die Frage ist natürlich: Wer ist in der Lage zu kontrollieren?! Wenn man seit Jahren gute "Kontrolleure" verprellt, entgehen einem deren Kenntnisse, und das Wissen landet notfalls eher im Ausland. 

Ich bin heute bei meinem Alter so gelagert, dass ich kategorisch Umwege ablehne. So handele ich auch bei meinem neuen Schützling. Es wird keine Zeit verplempert und alles in den Fortschritt gesteckt. Ich bin da unerbittlich und schroff. Ich will Leistungen, die keine Verschleißerscheinungen hervorbringen und dem Schützling Zeit für die schulischen Belange lassen. Daneben wird meine verfügbare Zeit in Fortbildung gesteckt. Zudem ist es eine Herzensangelegenheit, einige Trainer/innen autodidaktisch fortzubilden.

Gertrud