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DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Druckversion

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RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Reichtathletik - 20.08.2023

(20.08.2023, 09:44)Angerländer schrieb:
(20.08.2023, 09:24)Reichtathletik schrieb: Das ist, zumindest so pauschalisiert, einfach nur falsch. Für mich geht das in die Richtung, ich nehme einen Sachverhalt und deute ihn entsprechend um eine Bestätitgung für meine politische Meinung zu haben. Erleben wir auch in anderen Punkten.
Es gibt probleme in der Gesellschaft, aber eher ist es der Gesellschaft abseits der WM doch regelmäßig egal, was Sportler treiben. Anlagen verrotten, Zeit wird dafür nicht eingestanden, Geld auch nicht. Ist halt deine Freizeit…

Auch nur eine Vermutung Smile ‌. Offensichtlich, um eine persönliche politische Einstellung zu bestätigen Wink ‌. Erleben wir ebenfalls in vielen Diskussionen Smile ‌. Ist aber nicht zielführend.

Touché. Wobei ich für mich den Unterschied in Anspruch nehmen würde, dass ich der Meinung bin, dass die Dinge die ich beschreibe in der eigenen hand (zumindest zum Teil) der Vereine, Trainer, etc. liegen. Die von dir beschriebenen Aspekte, so lese ich zumindest den Beitrag, sind eher Kategorie "die anderen".
Das der Jugend von heute der Biss fehle hört man ja seit Aristoteles und aus der Arbeit mit jungen Menschen kann ich das nicht bestätigen


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Angerländer - 20.08.2023

(20.08.2023, 10:12)Reichtathletik schrieb: 
Touché. Wobei ich für mich den Unterschied in Anspruch nehmen würde, dass ich der Meinung bin, dass die Dinge die ich beschreibe in der eigenen hand (zumindest zum Teil) der Vereine, Trainer, etc. liegen. Die von dir beschriebenen Aspekte, so lese ich zumindest den Beitrag, sind eher Kategorie "die anderen".
Das der Jugend von heute der Biss fehle hört man ja seit Aristoteles und aus der Arbeit mit jungen Menschen kann ich das nicht bestätigen

Ich habe die Situation, wie sie sich mir darstellt, nur beschrieben. Meine Wahrnehmung resultiert aus vielen Gesprächen mit Erzieherinnen und Lehrkräften. Vor allem mit "altgedienten" Damen und Herren, die die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, aus ihrer Praxis heraus, beschreiben können. Sportlehrer erzählen mir, dass manche Schüler und Schülerinnen, einfach nicht am Sport teilnehmen. Nicht, weil sie gesundlich nicht dazu in der Lage wären, sondern einfach, weil sie sich weigern. Die Leistungsanforderungen, die man vor (vielleicht, nur als Beispiel) 40 Jahren eingefordert hat, sind heute undenkbar.
Meine persönliche Erfahrung als Ausbilder (im Außenwirtschaftsbereich) ist ähnlich. Das Verhalten der Schulabgänger*innen hat sich sich den Jahren von 1994 bis 2017, bezüglich Verhältnis zwischen Leistungsbereitschaft (von Disziplin will ich gar nicht reden) und persönlichen Forderungen, deutlich verändert. Auch hier gab es Ausnahmen.

Vielleicht spreche ich auch nur mit den falschen Leuten und habe die falsche Erfahrung gemacht und habe daher eine Wahrnehmung, die völlig an der Realität vorbeigeht.
Ich kritisiere die Situation auch nicht. Ich analysiere und beschreibe meine Erkenntnisse, das ist alles. Sehr gerne lasse ich mich widerlegen.
Dass Sport und Gesellschaft sehr wohl eine Wechselwirkung aufeinander haben, davon gehe ich aus.

Wie gesagt, ich will das nicht kritisieren. Ich nehme es, wie es ist. Wenn man aber nach Lösungen für ein Problem sucht, muss man bereit sein, alle möglichen Ursachen zu untersuchen und zu diskutieren. Wenn man aber offensichtliche Themenbereiche tabuisiert, kann man (logischerweise) keine Verbesserungen herbeiführen. Sollte man aber bestimmte Tatsachen als Ursache identifizieren, diese Ursachen aber als gegebene, erwünsche Zustände akzeptiert, muss man auch das Ergebnis respektieren. Allerdings kann man durchaus andere Stellschrauben verändern, um Verbesserungen zu erzielen.
Insgesamt fürchte ich, dass die Ursachen komplexer sind, als ich mir vorstellen kann.


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Atanvarno - 20.08.2023

(20.08.2023, 09:04)Angerländer schrieb: Meine Vermutung ist, dass es ein gesellschaftliches Phänomen sein könnte. Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer (weitgehend) leistungslosen Jammergesellschaft entwickelt. Geringe Leistung werden eher belohnt als noch im letzten Jahrtausend. Stattdessen wird gefordert, ohne Leistungsbereitschaft. Es wird geboten und verteilt, ohne zu fordern. Dazu kommt: Schuld sind immer die anderen.

Das beginnt in den Familien - bloß keinen Druck ausüben, bloß nicht bestrafen, bloß nicht fordern, und schon gar nicht kritisieren, sonst wird die Persönlichkeit des Kindes für die Zukunft zerstört. Geht weiter über Kindergarten und Schule bis in die Uni und in die Betriebe. Erzieher*innen und Lehrer*innen müssen sich mit dem verzogenen, verwöhnten Nachwuchs herumschlagen, und stehen den Eltern und Kindern hilflos gegenüber. Resultat sind viele "Mimöschen, rühr-mich-nicht-an".
Natürlich gibt es die berühmten Ausnahmen.

Wenn eine Gesellschaft das so möchte und fördert, dann muss sie auch mit den Konsequenzen leben. (Und wie man heute sehr schön erkennt, lernen wir gerade damit zu leben - auf allen Ebenen.)

Aber die, die sich dazu entscheiden Leistungssport zu betreiben, entsprechen doch gerade nicht diesem Persönlichkeitsbild.


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Angerländer - 20.08.2023

(20.08.2023, 11:19)Atanvarno schrieb:
(20.08.2023, 09:04)Angerländer schrieb: Meine Vermutung ist, dass es ein gesellschaftliches Phänomen sein könnte. Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer (weitgehend) leistungslosen Jammergesellschaft entwickelt. Geringe Leistung werden eher belohnt als noch im letzten Jahrtausend. Stattdessen wird gefordert, ohne Leistungsbereitschaft. Es wird geboten und verteilt, ohne zu fordern. Dazu kommt: Schuld sind immer die anderen.

Das beginnt in den Familien - bloß keinen Druck ausüben, bloß nicht bestrafen, bloß nicht fordern, und schon gar nicht kritisieren, sonst wird die Persönlichkeit des Kindes für die Zukunft zerstört. Geht weiter über Kindergarten und Schule bis in die Uni und in die Betriebe. Erzieher*innen und Lehrer*innen müssen sich mit dem verzogenen, verwöhnten Nachwuchs herumschlagen, und stehen den Eltern und Kindern hilflos gegenüber. Resultat sind viele "Mimöschen, rühr-mich-nicht-an".
Natürlich gibt es die berühmten Ausnahmen.

Wenn eine Gesellschaft das so möchte und fördert, dann muss sie auch mit den Konsequenzen leben. (Und wie man heute sehr schön erkennt, lernen wir gerade damit zu leben - auf allen Ebenen.)

Aber die, die sich dazu entscheiden Leistungssport zu betreiben, entsprechen doch gerade nicht diesem Persönlichkeitsbild.

Das ist richtig!
Evtl. ist der Pool der vergangenen Jahrzehnte, aus dem der DLV schöpfen konnte, nicht mehr so groß, weil sich viele, aus den genannten Gründen, nicht mehr für den Leistungssport entscheiden.
Die tatsächlichen Ursachen werden vielfältig sein. Meine Vermutung ist genau das - eine Vermutung. Vielleicht eine Hypothese. Ich bezweifel, dass in Deutschland mit veralteten, möglicherweise falschen Methoden trainiert wird. Ich wollte eine Gegenthese aufstellen, die mir einleuchtend erscheint. Wie bereits erwähnt gehe ich davon aus, das es keine monokausale Erklärung gibt. Die Analyse wird mühsam sein und Zeit in Anspruch nehmen. Die Komplexität wird nicht unerheblich sein. Die Umsetzung der Erkenntnisse wird, sofern gewollt, ebenfalls eine gewisse Zeit dauern. Insofern finde ich mich mit den Gegebenheiten ab Smile ‌.

Gertrud, eine ausgewiesene Expertin, schreibt seit Jahren darüber, was ihrer Meinung nach falsch läuft. Sie weiß, wovon sie schreibt (spricht). Und? Was hat sich geändert?
Ich schreibe hier nur, was ich denke. Ohne der naiven Hoffnung zu verfallen, dass meine Vermutung irgendeine Auswirkung haben würde Smile ‌.


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Reichtathletik - 20.08.2023

Wir hatten hier ja tatsächlich schon viele Diskussionen zu dieser Thematik und die Gründe sind vermutlich vielschichtig. Die Gesellschaft spielt eine Rolle, das Training. Viele Stellschrauben, aber auch viele an denen man arbeiten könnte. Meine Hoffnung ist, man tut es. Aber Menschen und Organisationen reagieren meist erst wenn das Kind sehr nass vom Brunnen ist...


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - Befürworter - 20.08.2023

Vormittagsveranstaltung vom 20.08.2023 (nur die Athleten, deren Wettkampf schon beendet ist):

Manuel Sanders (800 m) - Meldeliste Platz 30 - Endergebnis Platz 25

Trotz zweier extrem harter Rennen am Vortag ist er nur um ein Zehntel an der Halbfinalqualifikation gescheitert und in die Nähe seiner Bestleistung gelaufen. Ohne den idiotischen Zeitplan hätte er meines Erachtens beides erreicht. Auf jeden Fall ein belebendes Element in der deutschen Leichtathletik. Ich fand es auch gut, dass er sich laut Interview durchaus in einer Vorbildrolle sieht, in der er auch andere Sportler auf seiner Distanz mitzuziehen erhofft.

Saskia Feige (20 km Gehen) - Meldeliste Platz 11 - Endergebnis Platz 29

Das war gar nichts, ihre Trainer machten einen maximal ratlosen Eindruck. Aber immerhin hat sie sich mit Kreislaufproblemen (laut leichtathletik.de) durchgekämpft.

Rebekka Haase (100 m) - Meldeliste Platz 28 - Endergebnis Platz 36

Viel mehr war nicht wirklich zu erwarten. Aber die Zeit ist die zweitschlechteste ihrer Saison, im Juli hatte sie fünf bessere Resultate. Traurig vor allem, dass keine zweite deutsche Sprinterin auf ein halbwegs konstantes Niveau um die 11,20 s kommt, das für den Halbfinaleinzug gereicht hätte.

Constantin Preis (400 m Hürden) - Meldeliste Platz 16 - Endergebnis Platz 28

Ich kann die berichteten Rückenprobleme nicht einschätzen, die Zeit waren trotzdem immer noch 49.45 s. Mit etwas Glück hätte es sogar noch für das Halbfinale gereicht, wenn zwei langsamere Läufer sogar noch über die Platzierung weitergekommen sind.


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - 1968Mexiko - 20.08.2023

Die Top-Leistungen, die gefordert werden, um vorne mitzumischen, sind bekannt. Will man als Athlet dahin, muss man halt etwas dafür tun. Dieses Prinzip gilt in allen Bereichen des Lebens, egal ob im Beruf, in der Schule oder sonst wo. 

​​Vielleicht sollten wir uns, auch im Bereich Leistungssport, das französische Leistungsprinzip zum Vorbild nehmen. TOP 1 Prozent in Abschlussprüfungen in der Schule -> Zugang zu TOP- Universitäten -> Zugang zu verantwortungsvollen Positionen in Wirtschaft, Politik, Verwaltung und auch Sport. 
​​​​​Also mehr Abstand von "Vetternwirtschaft" und "ich bin seit Jahren dabei" und habe deshalb eine Position in dieser Gesellschaft verdient.


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - alex72 - 20.08.2023

Frankreich ist weder wirtschaftlich noch sportlich erfolgreicher als D. Die Gesellschaft ist extrem gespalten.

Das sollte ganz sicher kein Vorbild sein !!


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - frbcrane2 - 20.08.2023

(20.08.2023, 07:34)aj_runner schrieb: Die jungen Hammerwerfer will ich da explizit ausnehmen. Sie waren die jüngsten Teilnehmer in einer Disziplin, die technisch sehr anspruchsvoll ist.

Der kanadische Weltmeister ist wie die beiden Deutschen Jahrgang 2002. Er hat sich dieses Jahr um fünf Meter verbessert, Hummel um 60cm. Es ist zwar richtig, daß der Saisonhöhepunkt für Hummel und Klose die U23-EM war, aber warum sich Hummel dieses Jahr kaum verbessert hat, darf man durchaus fragen.


RE: DLV-Chancen und -Bilanz (WM 2023 in Budapest) - diwa - 20.08.2023

(20.08.2023, 14:09)1968Mexiko schrieb: Die Top-Leistungen, die gefordert werden, um vorne mitzumischen, sind bekannt. Will man als Athlet dahin, muss man halt etwas dafür tun. Dieses Prinzip gilt in allen Bereichen des Lebens, egal ob im Beruf, in der Schule oder sonst wo. 

​​Vielleicht sollten wir uns, auch im Bereich Leistungssport, das französische Leistungsprinzip zum Vorbild nehmen. TOP 1 Prozent in Abschlussprüfungen in der Schule -> Zugang zu TOP- Universitäten -> Zugang zu verantwortungsvollen Positionen in Wirtschaft, Politik, Verwaltung und auch Sport. 
​​​​​Also mehr Abstand von "Vetternwirtschaft" und "ich bin seit Jahren dabei" und habe deshalb eine Position in dieser Gesellschaft verdient.
Das Französische System der Elite-Unis, auf denen gefühlt alle Politiker und Wirtschaftsführer studiert haben, scheint mir nicht wirklich etwas zu sein, dem wir nacheifern sollten...