Leichtathletikforum.com
Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Leichtathletik allgemein (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=2)
+--- Thema: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei (/showthread.php?tid=6376)

Seiten: 1 2 3 4 5 6


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Diak - 31.10.2025

Ich finde die Debatte unabhängig von ihrem Ausgangspunkt, mit dem ich mich nicht beschäftigt habe, wichtig und richtig. Ich habe hier in den letzten Jahren immer wieder gelesen, Athleten sollten doch ihre Disziplin wechseln oder gern ganz aufhören, weil es eh nicht für ganz oben reichen würde. Wenn das die Haltung ist, können wir einpacken. Ich trainiere ausschließlich Athlet:innen, die den Aufwand, die Schmerzen und den Verzicht gern annehmen, weil sie für die Sache brennen, sie lieben und immer mehr zu ihrer machen. Ich habe auch noch keine Topleute kennengelernt, bei denen das deutlich anders wäre und werbe dafür, genau nach diesen Persönlichkeitsprofilen zu gucken, falls wir noch Talentsichtug betreiben wollen.


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Reichtathletik - 31.10.2025

(31.10.2025, 20:59)Diak schrieb: Ich finde die Debatte unabhängig von ihrem Ausgangspunkt, mit dem ich mich nicht beschäftigt habe, wichtig und richtig. Ich habe hier in den letzten Jahren immer wieder gelesen, Athleten sollten doch ihre Disziplin wechseln oder gern ganz aufhören, weil es eh nicht für ganz oben reichen würde. Wenn das die Haltung ist, können wir einpacken. Ich trainiere ausschließlich Athlet:innen, die den Aufwand, die Schmerzen und den Verzicht gern annehmen, weil sie für die Sache brennen, sie lieben und immer mehr zu ihrer machen. Ich habe auch noch keine Topleute kennengelernt, bei denen das deutlich anders wäre und werbe dafür, genau nach diesen Persönlichkeitsprofilen zu gucken, falls wir noch Talentsichtug betreiben wollen.

Was du sagst geht uns leider immer mehr verloren. Das gilt sowohl gesellschaftlich, wo Sportler wenn sie nicht "mindestens" bei Deutschen Meisterschaften teilnehmen von ihren Arbeitgeber als "unengagiert" gebranntmagt werden, weil sie ja immer nur an ihr Hobby denken und den Stift fallen lassen, um zum Training zu kommen.
Und ich finde es bedenklich, dass es sogar von Verbandsseite vorgelebt wird. Mir wurde dieses Jahr unter anderem von dort vorgeworfen(!) Athleten zu betreuen, die ja schon 30 seien und zur DM wollen. Das würde den Sport nicht weiterbringen und man solle sich doch besser auf die Athleten konzentrieren, die es mal zur WM schaffen können. Das aber gerade eben jene Athleten, die sich angeblich nicht lohnen hier wesentlich den Standort mit aufbauen und dazu beitragen, Jugendliche zum Sport zu bringen... geschenkt ...

Wenn die als Trainer und Athlet ständig gesagt wird und es sogar von oben vorgelegt wird, dass nur "ganz vorne" die Mühe wert sein, muss man sich nicht wundern, dass Leute mentale Probleme bekommen wenn sie mal nicht (mehr) vorne sind. Und man muss sich auch nicht wundern, wenn immer weniger Geld in Vereine fließt, wenn Sponsoring von "nur national dabei" ja Geldverschwendung sei.


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - mariusfast - 31.10.2025

(31.10.2025, 21:17)Reichtathletik schrieb:
(31.10.2025, 20:59)Diak schrieb: Ich finde die Debatte unabhängig von ihrem Ausgangspunkt, mit dem ich mich nicht beschäftigt habe, wichtig und richtig. Ich habe hier in den letzten Jahren immer wieder gelesen, Athleten sollten doch ihre Disziplin wechseln oder gern ganz aufhören, weil es eh nicht für ganz oben reichen würde. Wenn das die Haltung ist, können wir einpacken. Ich trainiere ausschließlich Athlet:innen, die den Aufwand, die Schmerzen und den Verzicht gern annehmen, weil sie für die Sache brennen, sie lieben und immer mehr zu ihrer machen. Ich habe auch noch keine Topleute kennengelernt, bei denen das deutlich anders wäre und werbe dafür, genau nach diesen Persönlichkeitsprofilen zu gucken, falls wir noch Talentsichtug betreiben wollen.

Was du sagst geht uns leider immer mehr verloren. Das gilt sowohl gesellschaftlich, wo Sportler wenn sie nicht "mindestens" bei Deutschen Meisterschaften teilnehmen von ihren Arbeitgeber als "unengagiert" gebranntmagt werden, weil sie ja immer nur an ihr Hobby denken und den Stift fallen lassen, um zum Training zu kommen.
 
Aber diejenigen, die dann unter diesen Umständen in Deutschland Leistungssport machen, müssten doch eigentlich eher mehr intrinsisch motiviert sein. Früher bekam man vllt. auch nicht mehr Geld, aber wenigstens noch eine höhere gesellschaftliche Anerkennung, also extrinsischer Motivationsfaktor.


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Notalp - 01.11.2025

Die Frage könnte allenfalls sein, ob es früher mehr Anerkennung für intrinsische Motivationen gab. Man kann auf das Statement von Diak zurückgreifen und antworten: Egal, es muss sie weiterhin geben! Denn wenn nur der Wunsch nach Anerkennung das Handeln antreibt, ist dieses Handeln sehr viel anfälliger. Ohne Passion landen Flinten nämlich sehr viel eher im Korn. Der intrinsisch Motivierte kann deshalb mit guten Gründen davon ausgehen, dass dieser Antrieb gesellschaftlich anerkannt ist. Deshalb ist er aber nicht extrinsisch motiviert. 

Glücklicherweise braucht man kein psychologisches Vokabular. Denn Passionen können auch ganz unpsychologische Antworten in ihr Repertoire aufnehmen. Auf die Frage, was ihn antreibt, kann ein Akteur mit einer Handlungsbegründung antworten. Zum Beispiel: Ich möchte aus meinem Talent das Beste machen. Die weitergehende Frage, was ihn dazu antreibt, wäre schlichtweg idiotisch. Vernunftorientiert wäre allenfalls die Frage, welchen Aufwand das jeweils rechtfertigt. Profis haben diese Frage zwar immer schon beantwortet, aber nie abschließend. Denn irgendwann naht das Ende. Fast wie im richtigen Leben!  Wink


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Reichtathletik - 01.11.2025

Die Frage - da sind dann eher Experten gefragt - ist, ob intrinsische Motivation irgendwann auch schwindet, wenn einem immer wieder gesagt wird, dass das was man tut nicht wert sei


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Notalp - 01.11.2025

Ich glaube, für die Beantwortung dieser Frage brauchst Du keinen Experten. Die kannst Du Dir selbst beantworten. Einerseits mit einem klaren ‘kann durchaus sein’, aber auch mit einem vehementen ‘muss nicht sein’! Wie vielen großen Malern hat man erklärt, dass ihre Malerei nichts wert sei?! Sie haben sich ihren Enthusiasmus dadurch nicht schmälern lassen. Selbst wenn sich das Blatt zu Lebzeiten gewendet hat und sie Berühmtheit erlangt und zu Wohlstand gekommen sind: Sie hätten ihrer Sache trotzdem keinen höheren Wert beigemessen. (Außer vielleicht, dass das bloße Anschauen der Bilder das Leben vieler Menschen zu bereichern vermochte) 

Man muss also kein Experte fürs Intrinsische sein und (in Sachen Sport) mit einer Datenerhebung aufwarten. Zumal es auch eine logische Antwort zugunsten eines ‘muss nicht sein’ gibt - die aus der Begrifflichkeit des Intrinsischen und ihrem historischen Background folgt. Denn es geht um Tätigkeiten, die man um ihrer selbst willen betreibt, die also keiner weiteren Rechtfertigung bedürfen. Insofern gibt es auch ein mögliches und v.a. vehementes ‘Muss nicht sein’. In Bezug auf den Sport reicht der Hinweis darauf, dass dieser das eigene Leben bereichert. Sogar ein Sportfeind (Churchill: “No Sports!”) hätte diese Begründung nachvollziehen können. Der mit Enthusiasmus betriebene Sport gehört bereits aus diesem Grund zu den Tätigkeiten, die man um ihrer selbst willen betreiben kann. Sie tragen ihren Zweck in sich selbst. Derjenige, der das erstmals wirkungsmächtig formulierte, hatte dabei freilich immer den Bezug zu der Intention im Auge, die allen Menschen eigen ist: das Gelingen des Lebens. 

Freilich könnte man darauf verweisen, dass es Leute gibt, die behaupten, dass leistungsmäßig betriebener Sport erst dann etwas wert ist, wenn man es bis zur Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft geschafft hat. Wenn es diese Meinung nicht gäbe, wären nicht all die “schönen” Eitelkeiten möglich, die jeder schon mal im Sport kennenlernen durfte. Nonsens bleibt das trotzdem. Wer zu seiner Passion ein reflexives Verhältnis gewonnen hat, kann völlig unbeeindruckt bleiben. Denn es gäbe nur eine mögliche Plausibilität: dass ein Missverhältnis von Aufwand und Ergebnis die Aussage relativieren kann, dass der (als Passion betriebene) Sport das eigene Leben bereichert. Und zwar dann, wenn die eigene Passion alle anderen Erfordernisse - das zukünftige Leben betreffend - aus dem Blick geraten lässt. Ähnliches kann aber auch für einen absolut erfolgreichen Sportler gelten. Der Erfolgreiche wird sich den Vorwurf freilich nicht von denen gefallen lassen müssen, die ihn mit Zuwendungen und Applaus fördern. Hier ist ja sein Ergebnis-Lieferservice wertgeschätzt. Die Bereicherung seines eigenen Lebens sollte er ggf. in der Erfüllung dieser Rolle sehen. Insofern würde ich sagen, dass es immer auf eine vernünftige Selbstvergewisserung ankommt. Und die geht über die Motivationsfrage im üblichen Sinn hinaus.


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Reichtathletik - 01.11.2025

Mir ist das zu sehr schwarz/weiß. Intrinsisch ist es demnach nur, wenn man den Sport des Sports wegen macht und versucht so gut wie man sein kann zu sein, extrinsisch, sobald man Anerkennung oder Geld bekommt? Also schonmal abgesehen davon, dass es sicher immer eine Mischung ist, würde ich schon sagen dass man intrinsische Motivation von außen verlieren kann. Weil ich es sehr wohl als intrinsisch bezeichnen würde, so gut wie möglich zu sein und dann auch an entsprechenden Meisterschaften teilzunehmen. Das bedeutet ja noch lange nicht, dass man den Sport macht, nur weil man Likes oder Applaus oder Aufmerksamkeit will. Wenn die dann aber z.B. selbst wenn du Normen läufst eine WM (Pfeiffer) oder DM (viele mit B-Norm) Teilnahme verwehrt wirt, frustriert das. Weil du eben von außen in deiner intrinsische Motivation gehämmt wirst. Der Athlet sagt dem Bundestrainer: Ich will hier nur laufen, mein bestes zeigen und verstehe nicht, warum es ein Problem ist wenn 30 statt 26 starten, der Bundestrainer antwortet: Du bist so schlecht, das ist doch eh nur dein Hobby.
Da prallen Welten aufeinander und dann verliert man den Spaß an seinem Hobby wenn man den doch bitte nur bei Kreismeisterschaften austragen soll.

Ähnlich kann es bei Esther sein. Sie macht es, weil sie es kann und Spaß dran hat. Sie ist sogar schon für Deutschland gestartet. Aber der Verband sagt dir: Du bist zu schlecht trotz DM-Titeln und internationalen Start weil wir unsere Regeln so basteln, dass sie dich nicht berücksichtigen und wir fördern stattdessen andere. Natürlich verliert man da den Spaß auch wenn man es nicht macht, um Geld zu verdienen...


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Atanvarno - 01.11.2025

(01.11.2025, 10:27)Reichtathletik schrieb: Die Frage - da sind dann eher Experten gefragt - ist, ob intrinsische Motivation irgendwann auch schwindet, wenn einem immer wieder gesagt wird, dass das was man tut nicht wert sei

Das dürfte eine Frage der Persönlichkeitsstruktur sein. Der eine sagt "jetzt erst recht", der andere "dann eben nicht".

Gemäß Astrid Kämpfe, Homo sportivus oeconomicus sind die wichtigsten Motivationsanreize eines Leistungssportlers 1) Spaß am Sport, 2) der Wunsch sich zu verbessern und 3) Geld, (ebenso einer Leistungssportlerin, wobei denen das Geld etwas weniger wichtig ist).
Klammern wir 3) mal aus, weil das in der LA in Deutschland nur für eine verschwindend kleine Minderheit überhaupt ein Faktor ist

Ist 1) der stärkere Anreiz, können einen als unfair empfundene DM-Qualifkationskriterien oder Kaderbildungsrichtlinien sowie fehlende Wertschätzung durchaus die Motivation kosten, überwiegt 2) dürfte einem das egal sein.


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Reichtathletik - 01.11.2025

(01.11.2025, 17:46)Atanvarno schrieb:
(01.11.2025, 10:27)Reichtathletik schrieb: Die Frage - da sind dann eher Experten gefragt - ist, ob intrinsische Motivation irgendwann auch schwindet, wenn einem immer wieder gesagt wird, dass das was man tut nicht wert sei

Das dürfte eine Frage der Persönlichkeitsstruktur sein. Der eine sagt "jetzt erst recht", der andere "dann eben nicht".

Gemäß Astrid Kämpfe, Homo sportivus oeconomicus sind die wichtigsten Motivationsanreize eines Leistungssportlers 1) Spaß am Sport, 2) der Wunsch sich zu verbessern und 3) Geld, (ebenso einer Leistungssportlerin, wobei denen das Geld etwas weniger wichtig ist).
Klammern wir 3) mal aus, weil das in der LA in Deutschland nur für eine verschwindend kleine Minderheit überhaupt ein Faktor ist

Ist 1) der stärkere Anreiz, können einen als unfair empfundene DM-Qualifkationskriterien oder Kaderbildungsrichtlinien sowie fehlende Wertschätzung durchaus die Motivation kosten, überwiegt 2) dürfte einem das egal sein.

Ich würde es aus eigener Beobachtung genau andersherum sehen. Der Spaß am Sport bleibt eigentlich. Athleten haben durchaus auch ggf weiter Lust, sich im Training zu "quälen". Aber der Wunsch sich zu verbessern ist ja nicht allein in Zeiten gemessen. Sondern z.B. auch darin "auszusteigen": Landestitel, DM-Teilnahme, DM-Endlauf, internationaler Start, Kaderstatus..  Wenn man da an gläserne Decken stößt, passiert es dass einige sagen: okay, dann mach ich noch Sport, aber wie schnell (respektive Weit, Hoch...) etc. ich dabei bin, ist irrelevant, weil ich eh nie "gut genug" bin um "besser" geworden zu sein.


RE: Sport als Beruf - Passion oder Quälerei - Notalp - 01.11.2025

(01.11.2025, 17:27)Reichtathletik schrieb: Mir ist das zu sehr schwarz/weiß. Intrinsisch ist es demnach nur, wenn man den Sport des Sports wegen macht und versucht so gut wie man sein kann zu sein, extrinsisch, sobald man Anerkennung oder Geld bekommt? Also schonmal abgesehen davon, dass es sicher immer eine Mischung ist, würde ich schon sagen dass man intrinsische Motivation von außen verlieren kann. Weil ich es sehr wohl als intrinsisch bezeichnen würde, so gut wie möglich zu sein und dann auch an entsprechenden Meisterschaften teilzunehmen.  

(...) Aber der Verband sagt dir: Du bist zu schlecht trotz DM-Titeln und internationalen Start weil wir unsere Regeln so basteln, dass sie dich nicht berücksichtigen und wir fördern stattdessen andere. Natürlich verliert man da den Spaß auch wenn man es nicht macht, um Geld zu verdienen...

Wer hat dieses Schwarz-weiß behauptet? Ich jedenfalls nicht. Denn mir ist völlig klar, dass ein mit Begeisterung an der Sache betriebener Sport die Voraussetzung für Erfolg ist. Extrinsisch wäre z.b. eine Motivation, die sagt: Ich tue es nur (noch) wegen der Kohle. 

Ansonsten habe ich in meinem vorigen Beitrag die Intention hervorgehoben, das Beste aus dem eigenen Talent zu machen. Das schießt notwendigerweise das Ziel ein, so gut wie möglich zu sein und sich dadurch auch Anerkennung zu verschaffen. Eine Mischung gibt es also meistens. Aber es geht um den Vorrang. Und der wiederum verweist beim Intrinsischen auf einen umfassenden Kontext. In diesem Sinn habe ich von einer Bereicherung des Lebens gesprochen. 

Dass man die Motivation verlieren kann, ist mir klar. Ich habe dies darauf bezogen, dass man als bloßer Ergebnislieferant betrachtet werden kann. Wenn ein Bundestrainer Athleten zu Hobbysportlern erklärt, ist das eine andere Sache, aber auf jeden Fall heftig. Aber ich bleibe dabei: Den Enthusiasmus muss man nicht verlieren. Im Grunde ist man es sich sogar selbst schuldig, daran festzuhalten. Die Frage bleibt aber auch hier, auf welche Form der Selbstvergewisserung man sich dabei beruft.