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Autoritärer Führungsstil von Trainern (Beispiel W. Heinig) - Druckversion

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RE: Chiba-Ekiden 24.11.2014 - Hellmuth K l i m m e r - 27.11.2014

(27.11.2014, 08:19)DerC schrieb: Man nennt das auch Kadavergehorsam. Und da gibt es leider eine lange Tradition von "Untertanen", die den in Deutschland an den tag legten, ob im Kaiserreich, in der Naziherrschaft oder in beiden deutschen Nachkriegsstaaten (möglicherweise war es in dem einen etwas hilfreicher, sich so zu verhalten bzw. es wurde häufiger eingefordert.)

Gruß

C
Das ist ziemlich weit hergeholt.
Nirgendwo wird es im Sport vergleichsweise ein "Kadavergehorsam" geben. (Eine Art "Hörigkeit" kommt allerdings gelegentlich bei Frauen vor. Blush)
Ein Vergleich mit den nazistischen Gebaren der Wehrmacht und dem Arbeiten von Pädagogen im Training ist fehl am Platz.
Selbst die rigide(?) Art und Weise, mit Spitzenathleten umzugehen, rechtfertigt bei Heinig diesen Vergleich nicht. Undecided

H. Klimmer / sen.


RE: Chiba-Ekiden 24.11.2014 - MZPTLK - 27.11.2014

Kadavergehorsam ist eine ganz andere 'Qualität', da hat Hellmuth vollkommen recht.
Dieser hat bestimmte Voraussetzungen:
1. Zwangs-/Machtverhältnis
2. Un-/Des-Informiertheit der 'Gehorsamen'
3. Bereitschaft, seine Freiheit, seine Persönlichkeit, seine körperliche Unversehrt sehr   weitgehend aufzugeben

Davon kann unter den heutigen gesellschaftlichen Voraussetzungen, speziell im organisierten Leistungssport, nicht die Rede sein.
Sowas wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit, im abgeschotteten Privaten oder in kriminellen Organisationen veranstaltet.


RE: Chiba-Ekiden 24.11.2014 - dominikk85 - 27.11.2014

nicht jeder Athlet ist für Individualität gemacht, manche brauchen auch klare vorgaben, denen sie nachgehen können.

ein pep guardiola ist auch sehr dogmatisch in seinem System und hat eine ganz genaue Vorstellung wie trainiert werden soll. was er vorgibt wird gemacht und der erfolg gibt ihm recht. andere Trainer sind da anders und lassen ihren spielern mehr Freiraum und sind auch erfolgreich, man kann das nicht verallgemeinern.


RE: Chiba-Ekiden 24.11.2014 - beity - 27.11.2014

zwischen Fußball und Langstreckenlauf gibt es einen klitzekleinen Unterschied. Der Langstreckler läuft für sich allein, nicht in einer Mannschaft. Der Fußballer sollte (!) in ein Spielsystem eingebunden werden, damit die Mannschaft Erfolg hat. Es müssen Spielzüge einstudiert werden, Bewegungsabläufe sollten innerhalb der Mannschaft bekannt sein damit der Pass auch ankommt.....


RE: Chiba-Ekiden 24.11.2014 - DerC - 27.11.2014

(27.11.2014, 12:01)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Das ist ziemlich weit hergeholt.
Nirgendwo wird es im Sport vergleichsweise ein "Kadavergehorsam" geben. (Eine Art "Hörigkeit" kommt allerdings gelegentlich bei Frauen vor. Blush)
Ein Vergleich mit den nazistischen Gebaren der Wehrmacht und dem Arbeiten von Pädagogen im Training ist fehl am Platz.
Selbst die rigide(?) Art und Weise, mit Spitzenathleten umzugehen, rechtfertigt bei Heinig diesen Vergleich nicht. Undecided
Es ist nicht weit hergeholt, sondern es bezieht sich auf die zitierte Formulierung:

(26.11.2014, 17:16)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Was deine Beurteilung des Bundestrainers W. Heinig betrifft ("Pädagoge"?Huh)), sehe ich das anders: Wie Gertrude, will er vorbehaltlose Unterordnung (unter seine Trainingskonzeption), bedingungslose Einhaltung des vorgegebenen Trainings,
"Vorbehaltlose Unterordnung", "bedingungslose Einhaltung des vorgegebenen Trainings" - das sind nicht meine Formulierungen.
Und was soll das in der Praxis bedeuten? Trainieren bis der Arzt kommt?

Auch als Kritiker Heinigs gätte ich das nicht so formuliert, weil solche Formulierungen in meinen Augen eben extrem bedenklich sind - nicht nur weil sie mich an den Kadavergehorsam erinnern, sondern auch weil durch solche Prinzipien die Veletzungsgefahr erheblich ansteigen kann, AthletInnen zu früh ausbrennen können, die Form zum Saisonhöhepunkt nicht mehr stimmt, etc.

Die AthletInnen müssen mitdenken, der Trainer kann nicht in sie reinschauen.

Also nicht ich unterstelle Heinig die Nähe zum Kadavergehorsam, sondern das geschieht durch die von mir zitierten Formulierungen.
Möglicherweise wolltst du damit aber eher Gertrude treffen als Heinig. Das kann natürlich sein. Teufel

(26.11.2014, 17:16)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Nur der geschundene Mensch wird auch erzogen." [/i]- meinten die alten Griechen), eben Drückeberger - und die Leichtathletik siecht langsam dahin, weil sich keiner mehr mühen will. Angry
Gut dosiertes Training hat sehr wenig bzw. sehr selten mit Schinderei zu tun, auch im Hochleistungsbereich nicht.

Und ein mündiger Athlet, der aus gutem Grund nicht bedingungslos gehorcht, ist noch lange kein Drückeberger. Auch wenn er vielleicht nicht in jedes autoritäre Konzept aus dem letzten Jahrhundert passt.

Mich wundern die vielen Verletzungen bei DLV-AthletInnen weniger, wenn ich lese, was hier teilweise so gepredigt wird.

Gruß

C


RE: Autoritärer Führungsstil von Trainern (Beispiel W. Heinig) - Gertrud - 27.11.2014

(26.11.2014, 18:15)beity schrieb: Ich glaube auch nicht das man Gertrud mit Heinig vergleichen kann.
Gertrud ist immer auf der Suche nach Verbesserung, lernt und entwickelt sich weiter. Gerade Gertrud propagiert Individualität und ich bin mir sicher, das sie auf eine Storp anders eingegangen ist als auf eine Peters oder Braun (Gertrud möge mich korrigieren, wenn ich hier falsch liege) und bedingungslos ein Training einhalten? Also wenn da etwas schmerzt beim Athleten, ich glaube schon das Gertrud darauf reagiert hat. 

Ich habe absolut auf das Feedback der Athletinnen gehört. Ich habe bei Beate bei Schulterschmerzen sofort das Training unterbrochen und eine Übung aufgrund einer ärztlichen Konsultation modifiziert. Diese Dinge sind für mich oberstes Gebot und nicht "Kadavergehorsam"!!! Ich hatte damals eine kleine Wissenslücke. 

Steffi sagt noch heute: "Sie haben sich immer etwas einfallen lassen!"

Ich habe sicherlich auch meine harten Seiten; aber ich war nie eine "Spaßbremse"! (Zwei Stunden Witze am Stück waren damals kein Problem!)  Wink Ich würde auch zwischen konsequent und autoritär einen großen Unterschied machen. Wolfgang Heinig kam bei mir nie autoritär rüber; ich hatte allerdings keine fachlichen Berührungspunkte mit ihm.

Gertrud


RE: Autoritärer Führungsstil von Trainern (Beispiel W. Heinig) - Hellmuth K l i m m e r - 16.12.2014

Blick zurück, Blick zu Friedel Schirmer ...


Um die Trainerqualität zu beurteilen, sollte man auch mal zurück schauen.
Dem neuesten Buch über den ZK-Olympiasieger von 1964, Willi Holdorf, kann man auch Hinweise auf die große Härte des erfolgreichen Trainers Friedel Schirmer, der über fast ein Jahrzehnt eine große Anzahl von ZK betreute, entnehmen. Knut Teske bezeichnet den damaligen Zehnkampf-Cheftrainer im Buch als "harten Hund". Teske, der die LA-Szene über Jahrzehnte hautnah begleitete, hatte beste Verbindungen zu Schirmer, und er charakterisiert ihn treffend - selbst noch nach einem Interview wenige Monate vor seinem Tod.

Die Klasse eines Trainers wird daran gemessen, wie er eine Gruppe von nahezu ebenbürtigen Athleten gemeinsam(!) voran bringt. Das war Sch. mit 7 ... 8 Männern gelungen.

Es ist nicht bekannt, dass einer sich beschwert hatte über das harte Training; keiner hatte gegen den "harten Hund" beim DLV protestiert. Rolleyes 

H. Klimmer / sen.


RE: Autoritärer Führungsstil von Trainern (Beispiel W. Heinig) - Robb - 16.12.2014

Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Der Ton macht die Musik, hatte Schirmer seine Athleten im Kasernenton zum harten Training angebrüllt?


RE: Autoritärer Führungsstil von Trainern (Beispiel W. Heinig) - beity - 16.12.2014

@Hellmuth K l i m m e r
Was willst Du uns nun damit sagenHuh
Ich selber bin der Ansicht, das Du als Trainer hart sein kannst und dennoch einfühlsam und empathisch, vor allem aber fair!
Dann wirst Du geliebt, dann rennen die AUCH für Dich.
Und...sie machen es gerne...wenn sie verstehen warum.
Dann gibt es noch einen kleinen feinen Unterschied. Du kannst bei einem Misserfolg dem Athleten schon sagen, das er in diesem einem Wettkampf versagt hat...oder Du kannst ihn spüren lassen, das er ein Versager ist. Der Unterschied ist gewaltig.


RE: Autoritärer Führungsstil von Trainern (Beispiel W. Heinig) - lor-olli - 16.12.2014

Ich denke man muss hier ein wenig differenzieren… In die Spitze kommt kein Athlet mit einer "Hängematteneinstellung", wenn der innere Antrieb und die unbedingte Leistungsbereitschaft nicht vorhanden sind, kann der Trainer noch so ein harter Hund sein wie er will - es funktioniert nicht.

Ein Aspekt der für mich eine entscheidende Rolle spielt, die psychologischen Fähigkeiten eines Trainers, wurde gar nicht angeführt. Atanvarno hat es zu Canova kurz zitiert (das Training als Maßanzug wird immer am aktuellen Modell geschneidert Smile ), der Trainer muss den Athleten lesen können, Unlust oder Training überzogen, sehen ähnlich aus, ein Trainer der sich nicht selbst hinterfragt wird hier manches übersehen.

Der "Kadavergehorsam" ist ein Begriff, der heute so nicht mehr funktioniert - Athleten sind keine Leibeigenen und die Leichtathleten in der Regel nicht "blöd" - er funktioniert in der Vorstellung mancher Trainer, Anordnungen müssen ohne Abstriche befolgt werden…   Der intelligentere und in der Regel erfolgreichere Weg ist definitv der, dass ein Trainer einen Athleten "liest" und erkennt , heute lieber "Zuckerbrot als Peitsche", oder auch umgekehrt, der oder die braucht heute etwas mehr "Anleitung / Ansporn".

Die Selbstständigkeit eines Gabius setzt Erfahrung voraus, die Erfahrung um den eigenen Körper und die Wirkung und Auswirkung die ein bestimmtes Training hat. Ist ein Athlet erst einmal mündig geworden, ist er einem Trainer gegenüber im Vorteil: sich selbst etwas vorzumachen funktioniert nur, wenn die Motivation völlig im Keller ist...

Ich denke auch nicht das Heinig absoluten Gehorsam fordert, aber eine gewisse Kritiklosigkeit gegenüber den eigenen Methoden und Vorstellungen, gepaart mit nicht viel Einfühlungsvermögen (Fingerspitzengefühl) sind offenkundig - besonders für jene die seine Reaktionen auf Kritik "live" erlebt haben (ich nicht, aber ich habe da eine absolut vertrauenswürdige exzellente Quelle Wink). Im Fußballtraining ist es wichtig zu wissen wer der Häuptling ist - ein Orchester erfordert Abstimmung, einen Leichtathleten muss man als Individuum betrachten und nicht nur weil es eine "Individualsportart" ist. Eine Mannschaft kann Erfolg haben wenn alle gleichzeitig 90% bringen, in der Leichtathletik nicht sehr wahrscheinlich - es sei denn man heißt Bolt.