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Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Druckversion

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RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - beity - 29.11.2014

(29.11.2014, 00:12) RalfM schrieb: Aber auch das ist ja kein Beispiel für hilfreichen Einsatz der Pulsuhr im Training. Baumann (dessen großer Fan ich immer war und noch bin) hat aus dem Training dieser Phase nicht die Ergebnisse erzielt, die er angestrebt hatte, und hat die Herzfrequenzuhr hinterher als Mittel genutzt, eine nachgeschobene Erklärung dafür zu finden. Mangels möglicher Gegenprobe ist das eine rein spekulative Erklärung.
Vielleicht führt die Pulsmessung ja zu einer am Ende leistungsverbessernden Änderung im Training. Aber vielleicht sind die Zahlen des ersten Jahres auch nicht einfach auf das nächste Jahr übertragbar. 

Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
Worum geht es?
Es wird ein strukturiertes Training durchgeführt.
Es kommen nicht die Wettkampfergebnisse, die man aufgrund des Training erwartet hatte. Keine Erkrankung, keine Verletzung.
Man geht geht in die Analyse, geht in die Aufzeichnungen.
Habe ich an der und der Stelle den oder die Tempoläufe zu schnell gemacht?
War die Erholungszeit zur nächsten Einheit zu kurz, war die geplante regenerative Einheit nicht wirklich regenerativ.......
Nutze ich die HF Uhr inkl. Aufzeichnungen, versuche ich anhand von HF-Daten Erklärungen zu finden, verzichte ich auf diese Uhr, versuche ich es über das Tempo zu entschlüsseln. Hätte ich besser anstelle von 10x1000 in 2:38, besser 12mal in 2:45 gemacht, den Dauerlauf am nächsten Morgen über 20km besser in 4:00 Tempo als in 3:40 oder doch nicht mit den beiden Kenianern mitlaufen sollen, die am Ende des Dauerlaufs bei 3:10 den Kilometer angelangt waren...( alles nur fiktive Beispiele).
Das Gefühl, die Intuition ja sicher wichtig, das wichtigste.
Aber ich selber bin mir doch mein bestes Beispiel. Diese Woche irgendwie platt.
Was habe ich in der Vorwoche getan? 6 mal trainiert und entweder war es ein Tempowechsellauf oder ein Bahntraining oder ein zügiger Dauerlauf.
Aber warum? Weil ich mich gut fühlte. Geplant war der ein oder andere ruhige Lauf zwischen den schnelleren Einheiten. Aber Wetter war gut, kein Wind, ich fühlte mich vom Vortag überhaupt nicht müde, mein Gefühl sagte.....lass laufenCool
Rechnung kam eben diese Woche. Jetzt habe ich endlich die Batterie des Brustgurtes erneuert und zwinge mich, wenn ruhig geplant ist, auch ruhig zu laufen. In dem Fall wird mich die HF Uhr einbremsen.
So oder ähnlich haben doch viele von uns, die auch ambitioniert längere Strecken laufen, es schon erlebt. 
Die HF ist eine Steuerungsgrösse, die Stoppuhr ist eine, Laktat ist eine, verschiedene Blutparameter, die Fehl/Übertraining anzeigen sollen....
Ich kann heranziehen die Schlafqualität, das Körpergewicht, kann mir anschauen was ich in der Kloschüssel hinterlasse....gibt vieles.
Zurückkommend wieder zum höheren Leistungsbereich.
Auch ein Arne Gabius war 2014 mit seinen Wettkampfleistungen in Halle und Bahn letztendlich nicht zufrieden, spiegeln sie nach eigener Aussage nicht die Trainingsleistungen wieder. Das Ein oder andere kann man sich im Nachgang erklären, das ein oder andere nicht.
Aber das macht es ja auch spannend, das vielleicht alles planbar aber eben nicht ergebnismässig umsetzbar ist


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Hellmuth K l i m m e r - 29.11.2014

Diese Ratlosigkeit, die aus beitys langem Beitrag spricht, erinnert mich an BRECHTs "Fragen eines lesenden Arbeiters". So viel Fragen und keine definitiven Antworten. So viele apparative (Geräte-) Möglichkeiten und doch Unsicherheit bei der Trainingssteuerung. So viele Forschungen im Lauf und doch keine präzisen verlässlichen trainingsmethodischen Vorgaben. Und das in der "einfachsten" LA-Disziplin. UndecidedHuh

Weil wir Menschen eben nicht über einen Kamm geschoren werden können, und weil das, was für den einen optimal ist, für'n andren über- oder unterfordernd ist.
Deshalb meine ich: Zumindest die Fortgeschrittenen und Spitzenleute: In sich hineinhorchen, auf seine Erfahrungen bauen, zunehmend weg von apparativer Trainingssteuerung.
(Deshalb auch mein Zweifel [s. "IAT erhält mehr Geld"] an den Lauf-Forschungen; in Deutschland war man in den 50er ... 60er Jahren schon mal besser - o h n e   Forschung!)

H. Klimmer / sen.


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - beity - 29.11.2014

(29.11.2014, 10:57) Hellmuth K l i m m e r schrieb: Diese Ratlosigkeit, die aus beitys langem Beitrag spricht, erinnert mich an BRECHTs "Fragen eines lesenden Arbeiters". So viel Fragen und keine definitiven Antworten. So viele apparative (Geräte-) Möglichkeiten und doch Unsicherheit bei der Trainingssteuerung. So viele Forschungen im Lauf und doch keine präzisen verlässlichen trainingsmethodischen Vorgaben. Und das in der "einfachsten" LA-Disziplin. :-/:huh:


H. Klimmer / sen.

Das würde ich allerdings anders interpretieren. Ratlosigkeit würde ich mir zumindest im Bereich Mittel/Langstreckenlauf nicht attestieren. Eher eingestehen, das trotz aller Erkenntnisse, Fremd- und Eigenerfahrung immer wieder es zu Fehlern kommt, Entwicklungen doch etwas anders sind als gedacht, es bisweilen einen Schritt zurückgeht um zwei nach vorne zu kommen..... Das Trainingsmethodik wichtig ist, aber, aber das würde an anderer Stelle wirklich so treffend gesagt: das Training muss zum Athleten passen, nicht der Athlet zum Training (Canova).
Ich stelle nicht nur Fragen, sondern Suche und finde auch Lösungen und sei es heute nur im kleinen unbedeutenden privaten Bereich ( ein paar Minuten Reflexion und der Fehler in der Belastungssteuerung Training letzter Woche war erkennbar) ....aber diese Erfahrung ist duplizierbar und hilfreich für andere.
Aber deine Empfehlung, das höher ambitionierte weitestgehend auf Instrumente, Diagnostik etc. verzichten sollten......das widerlegen ja selbst die so hochgelobten und kaum zu schlagenden Ostaftrikaner. Aufgrund falscher Trainingsgestaltung kamen in den 80ziger Jahren bis auf wenige Ausnahmen die Afrikaner nicht so gut mit dem Marathon zurecht. Sie brachen zum Ende hin oft ein. Amerikaner und Europäer konnten auf internationaler Ebene mehr als nur mithalten. Es bedurfte ausländischer Trainer, die  für Afrikaner auch das ein oder andere neue vermitteln.
Die haben eben gelernt und mussten auch mal Läufe entgegen dem gewohnten absolvieren. Da kam dann doch auch Methodik mit rein (ohne die individuelle Stärke zu unterdrücken).


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Pollux - 29.11.2014

 @ Klimmer

Ohne Forschung ist völliger Unsinn. 

Sonst hätte es ja ein Intervalltraning ‚Freiburger Prägung’ nie gegeben. So wie es nie eine Zusammenarbeit von Trainer (Gerschler) und Kardiologen (Reindell) gegeben hätte. 

-Reindell, Musshopf, Klepzig: Die Herzgröße und –form als Folge langdauernder körperlicher Belastungen auf das Herz. In.... Heidelber 1960
-Reindell, König, Roskamm: Funktionsdiagnostik des gesunden und kranken Herzens. Stuttgart 1967

-Reindell, Roskamm, Gerschler: Das Intervalltraining. Physiologische Grundlagen, praktische Anwendung und Schädigungsmöglichkeiten. München 1962

Und schon gar nicht hätte es die Theorie gegeben, dass die Herzgröße der entscheidende Leistungsfaktor auf der Mittel- und Langstrecke sei. Man also im Wechsel von kurzer Hochbelastung und unvollständiger Pause (der Theorie gemäß sogar auf Pritschen liegend...) das Schlagvolumen des Herzens besonders effektiv steigern kann. 

Richtig ist, dass es dennoch Läufer gab, die dieser Theorie und ihrer Praxisanwendung (im großen Stil und mit internationaler Furore) nie gefolgt sind. Z.B. ein gewisser Norpoth*, der 1964 die Silbermedaille hinter einem gewissen Bob Schul gewann. Der seinerseits unter einem geradezu exzessiven Intervalldiktat (Igloi) zu seinen Leistungen kam. (Nebenbei sei bemerkt, dass im Endlauf auch ein gewisser Kenianer im Feld war- nicht mal würdig, beim Namen genannt zu werden.....)

*Dessen Trainer u.a. mit wissenschaftlichen Argumenten das Intervalltraining Freiburger Art kritisierte. Was aber nicht heißt, dass Norpoth nicht auch Intervall-Trainingseinheiten absolvierte


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Atanvarno - 29.11.2014

(29.11.2014, 13:57)Pollux schrieb: Richtig ist, dass es dennoch Läufer gab, die dieser Theorie und ihrer Praxisanwendung (im großen Stil und mit internationaler Furore) nie gefolgt sind. Z.B. ein gewisser Norpoth*, der 1964 die Silbermedaille hinter einem gewissen Bob Schul gewann. Der seinerseits unter einem geradezu exzessiven Intervalldiktat (Igloi) zu seinen Leistungen kam.

Threads auf letsrun zum Training von

van Aaken (Norpoth)
http://www.letsrun.com/forum/flat_read.php?thread=619851
http://www.letsrun.com/forum/flat_read.php?thread=3557026

Nette Kurzzusammenfassung: "Run slowly, run daily, drink moderately, and don't eat like a pig."

Igloi (Schul)
http://www.letsrun.com/forum/flat_read.php?thread=2447749 (mit Beiträgen von Bob Schul persönlich)
http://www.letsrun.com/forum/flat_read.php?thread=440141 (mit Beiträgen von Orville Atkins, ebenfalls ein ehemaliger Igloi-Athlet)

Wichtig beim Igloi Training ist, dass es sich nicht um stures Intervallgebolze handelt, sondern dass der Coach sehr feinfühlig auf den Athleten reagieren und Umfang und Intensität ggfls. noch während der Einheit anpassen muss.

Während meines Wissen die van Aaken-Methode heute kaum noch angewendet wird, gibt es in den USA noch Coaches, die nach Igloi trainieren lassen, u.a. Johnny Gray (US-Rekordhalter über 800m).

Interessant, dass beide Methoden, die sehr unterschiedlich sind, mit Schul und Norpoth exzellente Spurter hervorgebracht haben.


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Pollux - 29.11.2014

Servus Ata, 

zunächst danke für die Hinweise! Ich teile übrigens Deine Auffassung, dass Igloi sehr individuell zugeschnittene Pläne für seine Athleten kreiert hat. Wenn ich von einem Diktat gesprochen habe, dann im Blick auf folgendes Bespiel aus Schuls Training. (Das keine Ausnahme, sondern von der Struktur her die Regel war) 

Morgens: 1200m Einlaufen.  Dann 40 x 100m mit jeweils 100m Trab

Nachmittags: 4km Einlaufen, dann
15X 100m locker
12x 200m in ca. 28sek (200m Trab)
16 X 600 leichtes Tempo (200 m Trab) 
400m Trab
5 x 250m scharfes Tempo (200m Trab) 
10 x 100m zur Auflockerung

Mit options-beleuchteten Grüßen
P.


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Hellmuth K l i m m e r - 29.11.2014

(29.11.2014, 13:57)Pollux schrieb:  @ Klimmer

Ohne Forschung ist völliger Unsinn. 

Sonst hätte es ja ein Intervalltraning‚ 'Freiburger Prägung’ nie gegeben. So wie es nie eine Zusammenarbeit von Trainer (Gerschler) und Kardiologen (Reindell) gegeben hätte. 
(Und Lydiard nicht zu vergessen! - Erg. v. hek)
@ Pollux
Als lange in der Forschung (Sprung; Nachwuchs- und HLS) Beschäftigter wirst du mir doch nicht unterstellen, dass ich gegen Forschung bin.Wink
Ich plädiere aber dafür, dass erfahrene Athleten "an der Hand" ihrer Trainer und im permanenten Gedankenaustausch und Rückkopplung mit ihm, zunehmend die Trainingssteuerung selbst übernehmen ("in sich hineinhorchen"). D a s   ist natürlich ein langer Entwicklungsprozess.

Das Schlimmste ist, wenn sich ein Athlet nur "trainieren lässt", "seinen Kopf beiseite legt" und einen Plan "abarbeitet". Ich kolportiere mal ein bekanntes Sprichwort: Vor Inbetriebnahme der Beine - Gehirn einschalten! Confused

H. Klimmer / sen.


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - -running- - 29.11.2014

(29.11.2014, 07:18)beity schrieb: Gefühl sagte.....lass laufenCool
Rechnung kam eben diese Woche. Jetzt habe ich endlich die Batterie des Brustgurtes erneuert und zwinge mich, wenn ruhig geplant ist, auch ruhig zu laufen. In dem Fall wird mich die HF Uhr einbremsen.
So oder ähnlich haben doch viele von uns, die auch ambitioniert längere Strecken laufen, es schon erlebt. 

Aber bist du dir sicher, dass dich diese eine intesive Woche mit einer Woche "Zwangsregeneration" nicht vielleicht sogar weiter gebracht hat als 2 "normale" Wochen.
IMHO ist der Ausbruch in die extreme hilfreich. Mal "härter" trainieren, aber es ist auch nicht "schlimm" mal 2 Tage nicht zu trainieren !


RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Atanvarno - 30.11.2014

(29.11.2014, 23:10)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Ich plädiere aber dafür, dass erfahrene Athleten "an der Hand" ihrer Trainer und im permanenten Gedankenaustausch und Rückkopplung mit ihm, zunehmend die Trainingssteuerung selbst übernehmen ("in sich hineinhorchen"). D a s   ist natürlich ein langer Entwicklungsprozess.

Kaum zu glauben, dass diese Worte, denen ich vollumfänglich zustimmen kann, von der gleichen Person stammen, die das hier geschrieben hat Huh

(26.11.2014, 17:16)Hellmuth K l i m m e r schrieb: [Heinig] will vorbehaltlose Unterordnung (unter seine Trainingskonzeption), bedingungslose Einhaltung des vorgegebenen Trainings, [...]. - Das ist, wie ich schon andeutete, das ("historische") Ergebnis seiner Entwicklung als Trainerpersönlichkeit - in der DDR. Die Erfolge dort und später(!) sprechen für ihn, für seine "Philosophie".



RE: Individuelles Mittel- und Langstreckentraining - alte und neue erfolgreiche Ansätze - Pollux - 30.11.2014

Bemerkungen zur Philosophie des Horchens

Bei Klimmer habe ich nur unterstellt, dass er eine bestimmte Forschung aus dieser Zeit zur Kenntnis nehmen sollte. Nicht zuletzt, um die Reaktionen darauf ermessen zu können. Denn die Läufer, die anders trainiert haben, taten dies nicht nur - aber auch - in Reaktion auf die genannte ‚Sensationsmethodik’. Und wenn von Lydiard & Co die Rede ist, so muss man wohl hinzufügen, dass sie sich auch einiges an produktiver Innovation herausgepickt haben. Aber das taten sie im Kontext von Erfahrung bzw. der Fähigkeit, den Athleten und sein Training nicht unter Retortenbedingungen zu betrachten. Lydiard hat also sehr reflektiert auch nach außen gehorcht. Und wenn sein Schüler Snell nach innen gehorcht hat, als er zu dem Schluss kam: 160km sind zu viel für mich, hat er diese Schlussfolgerung (und die Konsequenz daraus) zunächst für sich behalten. Aber auch das zeigt nur: Das Zustandekommen von Trainings-Wissen ist ein komplexer Vorgang. 

PS: Bei der Gelegenheit müsste man wohl auf das Verhältnis von Verfügungs- und Orientierungswissen zu sprechen kommen. Aber dazu hat Ata schon das Entscheidende (zu Klimmer) gesagt. 

Mit Hörgeräte-akustischer Optionsbeleuchtung
P.