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Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - Druckversion

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RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - S_J - 12.01.2025

Natürlich wäre es schön, wenn alle Trainer die Zeit und das Interesse hätten, mehrere Fortbildungen zum Thema Psychologie zu besuchen oder sich dies anderweitig selbstständig anzueignen, und dies dann auch in der Praxis umsetzen könnten.

Genau wie die Akquisition von Kenntnissen in der Verletzungsprophylaxe, Rehabilitation etc. wünschenswert wäre.

Und sicherlich kann man vieles davon auch erwarten, selbst wenn man nur das Minimum zur Lizenzverlängerung an Fortbildungen besucht, da sich ja auch hier im Laufe der Jahre einiges akkumulieren kann, wenn denn entsprechende Angebote gemacht werden. Manche Landessportbünde haben ja beispielsweise Zusatz-Zertifikate in Verletzungsprophylaxe, Sporternährung oder Sportpsychologie, die durch den Besuch mehrerer Fortbildungen erlangt werden können. Das ist ja in jedem Fall ein gutes Angebot, auch wenn das den Leichtathletikverbänden mangels Sportartspezifik nicht zur Lizenzverlängerung ausreicht.  (Hier wäre eventuell auch auf dieser Ebene ein Umdenken angesagt, um entsprechende Anreize zu setzen.)

95% oder mehr aller Trainer werden allerdings nicht die Zeit oder Neigung mitbringen, entweder ein sinnvolles Niveau an Expertise zu akquirieren und entsprechend verantwortungsvoll zu intervenieren, oder das im Alltag wegen der Belastungen im Familien- und Hauptberufsumfeld zeitlich nicht umsetzen können.

Daher wäre doch schon einmal viel geholfen, wenn man
a) Trainer in der Breite zu diesen Themen sensibilisiert
b) Hauptberufliche Experten auch in der Breite (!) möglichst niedrigschwellig zur Verfügung stellt
damit an diese dann verwiesen und auf diese vertraut werden kann.

Ich persönlich habe beispielsweise in vielen Bereichen ein ausreichendes Wissen, um festzustellen, wann ich lieber die Finger von etwas lasse, um keinen Schaden anzurichten und lieber auf Experten verweise. Auch wenn manch andere mit weniger Wissen dann lieber selbst herumdoktorn... egal ob Psychis oder Physis.


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - Gertrud - 12.01.2025

(11.01.2025, 23:08)CoachnEngineer schrieb: Abschliessend nach dieser ewig langen Meinungsäußerung noch ein Beispiel:
Ich schaue subjektiv aus meiner Sicht auf Louisa Grauvogel. Ich kenne sie persönlich nicht.
Ich bin überzeugt, dass sie von Gertrud auf der trainingsmethodischen und verletzungsprophylaktischen Seite so gut bedient worden ist, wie es niemand sonst in Deutschland aktuell hätte leisten können. Aber es hat letztlich nicht zum Erfolg geführt, auch weil mE der offenbar schwierige psychologische Aspekt in dieser Zusammenarbeit nicht optimal gestaltet war. Ich betreibe dazu keine Ursachenforschung oder Schuldzuweisung, da ich auch die Hintergründe über das was in de Presse zu lesen war hinaus nicht kenne. Aber möglicherweise hätte dieses Defizit durch Unterstützung und Vermittlung von entsprechend ausgebildeten Fachleuten (und ich meine hier keine Sportpsychologen) beseitigt werden können und Louisa hätte ihr volles Potential entfalten können.

Jetzt reicht es aber... noch einen guten Abend. Smile

Deine Spekulationen sind absolut falsch. Darauf muss ich einfach antworten. Ich habe das im Detail bisher nicht getan und ich räume hier doch einmal mit verdrehten Tatsachen auf. Als ich mich mit Louisa in Ratingen mal unterhalten habe und sie sehr traurig wegen ihres Fußproblems war, hat eine gewisse Person unser Gespräch argwöhnisch beobachtet. Dann nahm die Familie Grauvogel irgendwann Kontakt zu mir auf. Ich erhielt darauf einen Anruf von Louisa, worin sie mich fragte, ob ich sie trainieren wolle. Ich war zu dem Zeitpunkt kreislaufmäßig enorm angeschlagen und habe zunächst gezögert, weil Krebs auch durch Stress entsteht. 

Danach ergab sich die Zusammenarbeit mit Dirk Zorn. Louisa kam dann regelmäßig zur mir nach Marl. Ich war auch wenige Male in Köln, um mir z.B. die Geräte in dem Studio, in dem sie trainierte, anzuschauen und habe dann einen Herrn dort gebeten, die Aufsicht während Louisas Training zu übernehmen. Wir haben uns übungsmäßig abgestimmt. Er machte auf mich einen sehr versierten Eindruck. Sie hat auch einmal nahe der Sporthochschule im Wald Hürdentechnik an meinen eigenen zusammenklappbaren Hürden trainiert. Die Halle in Leverkusen durfte sie ja nicht mehr zum Training nutzen. So sieht die Anschlussförderung in Deutschland für Ex-Kaderathletinnen aus. Thumb_down Jörg Roos hat ihr auch sofort mitgeteilt, dass sie die dortige Physiotherapie nicht mehr nutzen könne. Sie hat einiges für den Bereich aus eigener Tasche bezahlt. Die Familie Grauvogel hat sehr viel Geld in Louisas Sport, ohne mit der Wimper zu zucken, gesteckt. Auch die Fahrten nach München zu Dr. Müller-Wohlfarth hat die Familie bezahlt.  

Mir wurde nach dem Wechsel von Leverkusen nach Dormagen aus der Leverkusener Ecke nachgesagt, dass ich sie zu diesem Vereinswechsel angestiftet habe, was eine glatte Lüge war. Ich hatte immer sehr gute Kontakte nach Leverkusen und auch sehr schöne Erinnerungen an meine Zeit dort im Verein. Die alten Strategen bilden noch heute eine schöne Gemeinschaft und haben insgesamt bedauert, was aus diesem tollen Verein geworden ist. Ich habe überhaupt keinen Druck zum Vereinswechsel gemacht. Da mit Dirk Zorn ein Trainer von Dormagen im Team war, hat er darauf bestanden, dass sie sich aus Versicherungsgründen für ihn dem Verein anschließen solle. Ich habe daraufhin den Verein angeschrieben, dass man mir einen kleinen Betrag aus Versicherungsgründen geben solle. Ich habe nicht eine einzige Trainerstunde dort bezahlt genommen. Das nur mal zum Vorspann. Dirk wollte keinen Trainingsplan schreiben; also habe ich die Sache übernommen, weil ich auch die meisten Erfahrungen in MK-Trainingssachen und im Verletzungsbereich hatte. 

Es lief zunächst wirklich gut nach Plan. Wir hatten ausgemacht, dass Louisa bis Leverkusen an der Hallensaison teilnimmt und sich dann sehr gezielt auf den MK in Ratingen vorbereiten sollte. Ich hatte 6400-6500 Punkte als Ziel formuliert. Als sie mit zweimal 8,20sec und neuer BL im Kugelstoßen recht gute Ergebnisse in Leverkusen erzielte, kam auf einmal von Dirks Seite, dass es doch verständlich sei, dass sie sich für die Hallen-WM qualifizieren wolle. Folglich nahm sie gegen meinen Willen in Karlsruhe und bei den DHM in Leipzig teil. Ich hatte mir das anders vorgestellt. Louisa sagte dann zu mir, dass Karlsruhe für mich gesundheitlich zu viel sei. Daraufhin soll Dirk mit der Bahn nachgereist sein. Louisas Freund sagte dann beschwichtigend, dass Dirk vornehmlich wegen Duplantis zum Zuschauen hingefahren sei. Es ging da schon bergab. Unser Verhältnis war ab da nicht mehr so, wie es vorher lief. Ich habe Louisa in den zwei Wochen vor den DHM in Leipzig nicht einmal im Hürdenlauf betreut. Sie ist zu Dirk Zorn nach Dormagen gefahren, weil sie gegen die Jungen angeblich laufen wollte. Beckers hatte ja auch lange wegen einer Hamstringverletzung ausgesetzt. Sein Kugelstoßer hatte wohl enorme Handverletzungen und jetzt einen Pectoralisriss, wie ich hörte. In Verletzungsprophylaxe macht mir so schnell keiner etwas aus dem Trainerbereich vor. Auch im technischen Bereich recherchiere ich viel.

Sie erklärte mir, dass sie vor den DHM die Technikarbeit nicht mehr brauche. Ich war kurz vor dem Platzen. Dann hat mich Louisa doch dazu bewegt, mit nach Leipzig zu fahren. Sie sagte, dass Dirk sie unten in dem engen Schlauch betreuen solle, weil ich ja krank sei. Als es dann von der Zeit her nicht wie gewünscht im Vorlauf lief, kam sie dann zu mir auf die Tribüne und fragte, was sie besser mache könne. Ich habe ihr gesagt, was sie zur ersten Hürde aggressiver im Finale machen müsse. Sie hat dann drei Hürden touchiert. Daraufhin kamen sie und Dirk nach dem Finale und Louisa sagte, dass sie zu nah an der ersten Hürde war; also mit anderen Worten, dass ich die Schuld habe. Es ließ mir nachts zu Hause keine Ruhe. Das Video war bereits im Internet und ich habe dann noch nachts an Dirk und Louisa gemailt, worin ich die Bestätigung durch das Video bekam. Sie war genauso weit von der ersten Hürde wie z.B. C. Roleder entfernt. Dirk sagte dann nur: "Ja, hast ja recht!" Die Technik war zu dem Zeitpunkt grottenschlecht, was mir eine Person aus dem Leipziger Schlauch schon dort nach der Aufwärmung bestätigt hatte. 

Dann habe ich Dirk bei einem Training in Dormagen vertreten, als er zu einem Lehrgang war. Das habe ich getan, weil ich vorweg einen Anruf aus Dormagen erhielt, wobei mir eine Person sagte, wie lange meine Athletin bei den Ausführungen im Krafttraining noch überleben wolle. Ich habe dort mit ihr Weitsprung, Speerwurf und Krafttraining trainiert. Beim Weitsprung ging sie aufgrund neuer Übungen von mir ab wie ein Zäpfchen. Daraufhin hat der anwesende Freund sich am Handy zu schaffen gemacht und die Übungen an Dirk geschickt. Beim Krafttraining bin ich fast aus allen Socken gefallen, als sie eine einbeinige Kniebeuge dermaßen verletzungsträchtig durchgeführt hat. Der Freund, ein Medizinstudent, sagte dann noch, dass es doch nicht so schlimm sei. Auch er hat sich zunehmend eingeklinkt. Danach bin ich nach Hause zu meiner Cousine gefahren und hatte 186mm Hg Blutdruck. Mein Arzt hat sofort gemerkt, was los war und hat dann gesagt: "Sie wollen doch wohl noch nicht sterben?" 

Was mir an Louisa auffiel, war, dass sie alles haben wollte. Leistungssport geht auch über ein gutes Zeitmanagement und teilweisen Verzicht. Sie fragte mich eines Tages, ob sie nicht am Sonntag um 8 Uhr morgens bei mir trainieren könne. Sie kam sonst nachmittags. Sie hatte mir vorher mal gesagt, dass sie meistens nur sechs Stunden Schlaf habe. Sie wollte am Sonntagnachmittag an einem Tanzkursus mit ihrem Freund teilnehmen. Ich sagte dann zu ihr, ob es nicht besser sei, das Wochenende mal zum Ausruhen zu verwenden. Das hat sie wahrscheinlich schon als Einmischung empfunden. 

Es kam noch hinzu, dass Dirk und ich im Weit- und Hochsprung sehr unterschiedlicher Meinung waren. Er hat an der Armarbeit und Lattenüberquerung im Hochsprung gearbeitet. Sie hat nach wie vor den Fuß fast parallel zur Latte aufgesetzt und das bei ihrem Fußproblem, so dass ich einfach nicht mehr konform mit Louisa und Dirk war. Ich habe meinen Rückzug aus der Gruppe als die beste Lösung empfunden. Ich wollte auch nicht für Verletzungen verantwortlich sein, die sich noch ergeben hätten. Louisa hätte doch das Training bei Dirk weiterführen können. Ich hatte den Weg freigemacht. 

Lustig war noch, als mir ein Sportverantwortlicher sagte, dass er sich nicht wundern würde, wenn aus der Ecke der Familie Grauvogel ein Bericht im TV erscheinen würde. Ich musste doch schmunzeln, als das wahr wurde. Es war schade, dass Louisa an einer Stelle falsch abgebogen war. Sie hätte in Ratingen nach meinem Plan gut ausgesehen. Manchmal braucht man für den Erfolg Verzicht und Geduld. Wer bei mir trainiert, muss wissen, dass meine "Fassade" auch mit meinem Inneren übereinstimmt. Ich arbeite nicht mit gezinkten Karten. Ich mache aber auch keine faulen Kompromisse und lasse mich nicht in die Ecke drängen, trainingsmäßig und verletzungsprophylaktisch sehr gut zu sein, aber pädagogisch zu versagen!!! Auch da bin ich entsprechend  geschult. Man kann nicht jeden zu seinem Glück zwingen. Glück hat unterschiedliche Facetten. Ich definiere sportliches Talent immer als Summe im physischen und psychischen Bereich!!!  Wink Thumb_up

Ich wünsche Louisa für ihren Traumberuf wirklich alles Gute!!!

Gertrud


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - Rawal - 12.01.2025

Auch bei diesen Zeilen von Gertrud wird wieder sehr eindringlich deutlich, was für einen immensen Erfahrungs- und Wissensschatz Gertrud hat. Das sucht seines Gleichen. Jeder Trainerin und jede Trainerin müsste dankbar sein, so jemanden in seinem Umfeld zu wissen und nach Rat (und ggfs. Tat) fragen zu können.


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - MikeStar - 12.01.2025

(Theoretsiches) Wissen und Kenntnisse um Methodik, Psychologie etc. sind ja nur die eine Seite der Medaille.
Ein (guter) Trainer muss ja auch in der Lage sein, dieses Wissen situationsgerecht in die Praxis umsetzen zu können. 

Die Symbiose Trainer/Trainerstab - Sportler/Team muss aufeinander abgestimmt sein und es muss auf externe Einflüsse reagiert werden (können).

Methoden, die bei Sportlern A-D funktionieren, können für Sportler E falsch sein und genauso kann sich Sportler A ändern, so dass die Methoden plötzlich nicht mehr passen. 

Auch ändert sich der Zeitgeist und Methoden, die früher gesellschaftlich akzeptiert waren, werden heute verpönt oder bestenfalls stillschweigend geduldet, solange der Erfolg stimmt und niemand aufbegehrt. Teilweise reicht ja schon ein falsches Wort oder eine Beschwerde um einen bis eben angesehenen erfolgreichen Trainer ins Abseits zu stellen. 

Auf der einen Seite werden Erfolge gefordert, auf der anderen Seite besteht gefühlt der Anspruch auch jenen gerecht zu werden, die das Prinzip des leistungsorientierten Sport nicht nahestehen, ggf. auch weil es notwendig ist um den Ruf des Vereins nach außen nicht zu schaden. 
Steht man dann noch in Konkurrenz zu Teams, welche dem Erfolg alles unterordnen, wird es schwierig an der Spitze mitzuhalten. 

Beispiel aus dem Fußball Felix Magath: Er machte mit seinen Schleifer-Methoden einen Außenseiter zum Deutschen Fußball-Meister. Alles war gut. Als der Erfolg ausblieb, hieß es irgendwann seine Methoden seien antiquiert und nicht mehr zeitgemäß. 

Aus meiner Sicht ist auch die Frage entscheidend, wie weit Sportler bereit sind sich für den Erfolg aufzuopfern, bzw. unterzuordnen. Hier stellt sich dann auch die Frage, was als akzeptable Methoden und was als Misshandlung anzusehen ist. 
Wenn in einem Team von, sagen wir 10 Sportlern, 8 herausragende Ergebnisse erzielen, zwei davon das Training als menschenverachtend, 2 davon als grenzwertig und 4 als hart aber in Ordnung bewerten und im Vergleich dazu in einem anderen Team von 10 Sportlern nur 4 herausragende Ergebnisse erzielen, dafür aber alle sagen, das Training sei super, welcher Trainer ist besser? Kann man das überhaupt bewerten?

Wir müssen meiner Meinung auch fair und offen sagen, dass es Menschen gibt, die - solange der Erfolg stimmt - bestimmte Methoden akzeptieren und erst wenn es für sie nachteilig wird, anfangen diese Methoden zu kritisieren und dann auch auf persönliche Ebene gehen, teils sicherlich um Missstände offen zu legen, aber auch um sich in gewisser Weise zu rechtfertigen.

Einzelne Trainer / Sportler zu betrachten und zu beurteilen ob sie gut / schlecht sind, ist daher imho oftmals einfach zu kurz gedacht, denn wir brauchen auch Kenntnisse des umgebenden Systems um den Kontext für eine umfassende Beurteilung zu verstehen.


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - Gertrud - 12.01.2025

Ich lese sehr viel auch im psychischen Bereich, was mit Macht zu tun und wer das Sagen hat.

Diese Passage wollte ich daher hier von einem Mann zur Verfügung stellen, der arm war, dann aber die Ursachen für Reichtum für sich gefunden hat:

"Er sah sich einer Maschinerie mit seinen Träumen von einer besseren Welt machtlos gegenüber... Am Ende zählt nur, wer die Ressourcen hat, sich zu verteidigen. Die Erfahrung der absoluten Machtlosigkeit veränderte etwas in seinem Innersten. Für ihn war Reichtum ab jetzt eine dringende Notwendigkeit. Es ging nicht um Haus..., sondern um echte, uneingeschränkte Freiheit..."

Ich wollte im Sport immer diese uneingeschränkte Freiheit. Diese hat man als freier Mensch in der deutschen Leichtathletik nur, wenn man z. B. eine Weltklasseathletin trainiert; ansonsten muss man sehr situationsgeschmeidig sein. Ist man es, erinnert mich das an einen Trainer, der stark vom DLV und seinem Heimtrainervorgänger profitiert hat, den ich aber beileibe auf strukturellem Gebiet nicht zu Weltklassetrainern rechne oder man verhält sich wie ich mit offenem Visier und wird einfach übersehen und man versucht gelegentlich, meine Ressourcen auf unterschiedlichen Wegen "anzuzapfen". Nur merkt das ein Mensch wie ich, der sehr akribisch arbeitet, sehr schnell.  Wink 

Oben am Ruder sind sicher nicht immer die besten Fachleute. Danach sucht man dann meistens, wenn es fast nicht mehr weiter nach unten geht. Das "Konstrukt der Gießkanne von oben" durch Professoren trifft meistens überhaupt nicht den Kern, wobei ich sie - wie in Kienbaum - sehr gerne höre. Die Professoren mögen noch so gut arbeiten. Das ersetzt den momentanen Engpass im BT-Sprungbereich zur Zeit sicherlich nicht. Man muss die Ursachen der Misere auflisten. Das Wissen muss an die Peripherie; sonst gibt´s bald nichts mehr "abzugrasen". Dann stehen Hallen wie in Leverkusen auf Dauer leer. Die TuT in der Peripherie müssen wieder Spaß haben, für die LA zu arbeiten. Das hat nicht immer mit hohen Summen zu tun. Die professionelle Schiene kommt viel später zum Einsatz.

Der DLV sollte seine Prinzipien ganz einfach mal überdenken und aus einer Stoffsammlung eine vernünftige Gliederung machen.

Gertrud


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - S_J - 12.01.2025

Gertrud im Mehrkampfthread schrieb:Das muss er auch, Assistenztrainer:innen aufbauen, weil man eine so große Gruppe nicht alleine auf Dauer ohne Defizite trainieren kann. 

Warum gibt es das in Deutschland eigentlich eher selten? Das wäre doch eigentlich eine gute Möglichkeit, nachhaltige Strukturen und Wissenstransfer zu sichern.

Gibt es zu wenige Trainer? Sind sich die Nachwuchstrainer dafür zu 'schade'? Wollen die Meistertrainer das nicht?

Oder denkt man, dass Hospitationen dazu ausreichend sind?


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - Reichtathletik - 12.01.2025

(12.01.2025, 10:45)MikeStar schrieb: Auch ändert sich der Zeitgeist und Methoden, die früher gesellschaftlich akzeptiert waren, werden heute verpönt oder bestenfalls stillschweigend geduldet, solange der Erfolg stimmt und niemand aufbegehrt. Teilweise reicht ja schon ein falsches Wort oder eine Beschwerde um einen bis eben angesehenen erfolgreichen Trainer ins Abseits zu stellen. 

Auf der einen Seite werden Erfolge gefordert, auf der anderen Seite besteht gefühlt der Anspruch auch jenen gerecht zu werden, die das Prinzip des leistungsorientierten Sport nicht nahestehen, ggf. auch weil es notwendig ist um den Ruf des Vereins nach außen nicht zu schaden. 
Steht man dann noch in Konkurrenz zu Teams, welche dem Erfolg alles unterordnen, wird es schwierig an der Spitze mitzuhalten. 

...

Aus meiner Sicht ist auch die Frage entscheidend, wie weit Sportler bereit sind sich für den Erfolg aufzuopfern, bzw. unterzuordnen. Hier stellt sich dann auch die Frage, was als akzeptable Methoden und was als Misshandlung anzusehen ist. 
Wenn in einem Team von, sagen wir 10 Sportlern, 8 herausragende Ergebnisse erzielen, zwei davon das Training als menschenverachtend, 2 davon als grenzwertig und 4 als hart aber in Ordnung bewerten und im Vergleich dazu in einem anderen Team von 10 Sportlern nur 4 herausragende Ergebnisse erzielen, dafür aber alle sagen, das Training sei super, welcher Trainer ist besser? Kann man das überhaupt bewerten?

Wir müssen meiner Meinung auch fair und offen sagen, dass es Menschen gibt, die - solange der Erfolg stimmt - bestimmte Methoden akzeptieren und erst wenn es für sie nachteilig wird, anfangen diese Methoden zu kritisieren und dann auch auf persönliche Ebene gehen, teils sicherlich um Missstände offen zu legen, aber auch um sich in gewisser Weise zu rechtfertigen.

Das finde ich offen gestanden naiv bis verharmlosend. Es hat doch nichts mit Zeitgeist zu tun, dass bestimmte Praktiken zurecht auch endlich, wenngleich zu wenig, angeprangert werden – auch auf "Kosten" von (wie ich denke ohnehin nur kurzfristigen) Erfolg.
Missbrauchsskandalen in der Kirche begegnet man doch auch nicht mit "da hat sich der Zeitgeist verändert".

Nur weil früher mehr darüber hinwegsehen wurde wenn Athletinnen dazu gedrängt werden zu wenig zu essen oder in Kauf zu nehmen, dass ihre Periode ausbleibt oder es "normal" war dass man als Gegenleistung im Abendkleid essen gehen muss, ist es doch auch damals nicht ok gewesen!
Und wenn Jugendlichen mit unangemessenen Trainingsmethoden kaputt gemacht werden sollte man sich nicht sagen "ja einige kommen ja durch, für die war es eben passender als für andere".


Aber wie sind wir auf diese Debatte überhaupt gekommenen? Weil Gertrud zurecht sagt, man sollte Trainer nicht nur nach Erfolg sondern auch nach Gesundheit bewerten. Und ich sage, man sollte sie mindestens genauso dringend auch nach Gesundheit in diesen Aspekten bewerten, einige ggf sogar aus den Verkehr ziehen und nicht erst warten bis wie im Turnen zig Athleten in die Öffentlichkeit gehen.


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - TranceNation 2k14 - 12.01.2025

Danke für die interessanten Einblicke!


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - MikeStar - 12.01.2025

Zur Kirche äußere ich mich nicht... da kann man gar nicht hart genug vorgehen. So etwas ist eine Schande für jeden gläubigen Menschen. 

Zum Sport:

Missbräuchliche oder menschenverachtende Methoden müssten auch meiner Sicht viel mehr angeprangert werden, viel mehr bekannt werden, aber ich bin halt auch der Meinung, dass wir es uns zu einfach machen, zu versuchen allgemeingültig zu definieren was "Mißbrauch" mit Hinblick auf Trainingsmethodik bedeutet.

Gesundheit ist natürlich das wichtigste und gerade bei Kinder und Jugendlichen muss jedem Trainer bewußt sein, dass er es mit Schutzbefohlenen zu tun hat für deren geistige und körperliche Gesundheit er (mit) verantwortlich ist. 

Was ich eigentlich sagen will, ist, dass man bei der Betrachtung und Bewertung von Traiinern und Sportlern auch die Umstände und Rahmenbedingungen vollständig betrachten muss, wenn man ein ehrliches Leistungsbild haben will. 

Z.B. zyklusbasiertes Training bedeutet, dass man mit den Athletinnen (und solange sie minderjährig sind auch den Eltern) darüber offen sprechen kann. 
Was bedeutet es dann, wenn ein Trainer dies mit seinen Athletinnen erfolgreich praktiziert und dann kommt eine Sportlerin dazu, die das nicht will? 
Im Best Case kann man die Sportlerin (und ggf. Eltern) überzeugen, darüber offen zu sprechen und warum dies wichtig ist.
Eine andere Lösung wäre, dass sich die Sportlerin einen anderen Verein/Trainer sucht.
Im Worst Case zeigt die Mutter den Trainer wegen sexueller Belästigung an, weil er die Tochter nach "intimen Details" gefragt hat. 

In dem mir bekannten Fall, wollte die Mutter den Trainer anzeigen und an die Öffentlichkeit gehen, konnte aber von einer Trainerin überzeugt werden. Der Trainer hatte keine böse Absicht, sondern schlicht es als selbstverständlich angenommen, dass man auch mit "der Neuen" darüber sprechen kann. 

Beispiel aus meiner Schulzeit. Lehrer gab Hilfestellung bei uns beim Turnen. Dabei gehörte auch dazu, dass er ggf. unseren Po berührte. Das war solange in Ordnung bis herauskam, dass der Lehrer homosexuell war. Glücklicherweise war die Schulleitung damals vernünftig und hat verstanden, dass die Hilfestellung nur so ging. 

Heute ist es viel leichter in großem Stil Empörung zu verbreiten und bewährte Methoden als verwerflich zu diffamieren ohne sich wirklich überhaupt mit der Gesamtheit der Umstände zu befassen. Wenn man Trainer nur nach dem Erfolg oder nur nach der Methodik bewertet, kommt man evtl. zu einem anderen Ergebnis ob ein Trainer "gut" ist, als wenn man das Gesamtbild betrachtet inkl. Vergangenheit und Änderung, die sich im Laufe der Zeit ergeben haben.


RE: Talentfindung und -bindung, Trainerqualität - Delta - 13.01.2025

(12.01.2025, 13:33)S_J schrieb:
Gertrud im Mehrkampfthread schrieb:Das muss er auch, Assistenztrainer:innen aufbauen, weil man eine so große Gruppe nicht alleine auf Dauer ohne Defizite trainieren kann. 

Warum gibt es das in Deutschland eigentlich eher selten? Das wäre doch eigentlich eine gute Möglichkeit, nachhaltige Strukturen und Wissenstransfer zu sichern.

Gibt es zu wenige Trainer? Sind sich die Nachwuchstrainer dafür zu 'schade'? Wollen die Meistertrainer das nicht?

Oder denkt man, dass Hospitationen dazu ausreichend sind?

Wen Du nicht bezahlt wirst oder ziemlich schlecht, dann wird niemand Trainer. Du kannst nicht 8 Std auf der Tartanbahn stehen ohne Bezahlung. Darum sind die Toptrainer in den USA einer Universität angegliedert. Die sind dann Sporttrainer mit einem Fokus, Speed, Kraft, Basketball was weiss ich. Aber eines ist sicher - Sie werden bezahlt.