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Normale Version: Klosterhalfen in London - falsche Taktik oder fehlende Form?
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Nachdem ich mir für mehrere 1500m-Rennen noch mal die Verläufe und splits angesehen habe, meine ich, dass Klosterhalfen beim HF in London aus welchen Gründen auch immer nicht in Topform gewesen ist und der Vorstoß nicht tollkühn und nicht zu schnell war, sondern eben nur aufgrund mangelnder Tagesform zum Einbruch geführt hat, was man vorher nicht unbedingt wissen konnte. Dass es vielleicht dennoch nicht die beste Taktik in einem so starken Feld gewesen sein mag, ist eine andere Frage. Ebenso ist freilich offen, ob sie mit Verbleiben im Feld und einer schnellen letzten Runde den sicheren Finalplatz hätte erreichen können.
Die schnelle Zwischenrunde in London ist mit ca. 60 nicht schneller als in Lille und Bydgoszcz (eher eine halbe sec. langsamer). Klar, diese beiden Rennen gingen viel langsamer los: Erste 700 etwa 7 bzw. 8 sec. langsamer als in London), aber da läuft sie nach der schnellen Runde knapp unter 60 jeweils noch eine 62er Runde drauf. Bei der DM sind die ersten 700 jedoch fast 7 sec. schneller als in London (1:54 vs. ca. 2:00-01) und sie läuft zwei ca. 62,5-Runden hintendrauf.
Mag sein, dass der Vorlauf am Vortag schon ausgereicht hat, um die entscheidende Kraft zu nehmen oder irgendwas anderes, aber in der Form von Erfurt oder Bydgosczc wäre sie m.E. nicht so krass auf den letzten 200m eingebrochen.

Das Solo in Erfurt ist unglaublich, m.E. stärker als die Performance beim ISTAF. Wenn sie bei/in der Form der DM einen Pacemaker gehabt hätte, der 800 in 2:06 statt den tatsächlichen 2:10 angelaufen wäre, wäre sie 3:56-57 gelaufen.
Wir wissen halt auch nicht, ob sie vllt. doch etwas von dem Virus abbekommen hat oder anderes.

Als Grund für das ja in späteren WK nicht mehr vorhandene Formdefizit kann aber die nachlassende Wirkung des Höhentrainingslagers jedenfalls nicht gelten. Auch ein Formeinbruch durch falsche Planung fällt dann weg. Es wird wohl etwas unvorhergesehenes spontanes gewesen sein.
Es ist letztlich auch nicht so wichtig. Sowohl sie selbst wie auch der Trainer haben das ja sehr schnell als plausiblen, aber missglückte Taktik abgehakt und nicht versucht, tiefere Erklärungen zu liefern. Ich habe natürlich selbst keine Ahnung, wie eng und tagesformabhängig auf diesem Leistungsniveau solche Sachen sind (Chebet ist auch im Halbfinale raus und Dibaba um ein Haar). Natürlich kann es sein, dass der Vorlauf einen Tag vorher schon reicht, um nicht ganz top zu sein. (Daran muss man dann aber arbeiten.)
Was mich in einigen Medien gestört hat, war die Darstellung der Beschleunigung als offensichtlicher taktischer Fehler (irgendwo stand "beschleunigte ohne Grund mittem im Rennen", einige meinten wohl sogar, sie habe sich bei der Rundenzahl geirrt...). Das war von vornherein eben nicht klar und noch weniger, ob es eine klar bessere alternative Taktik gab.

Sehr gute Spurter sind bei mehreren Vor/Zwischenläufen klar im Vorteil, weil sie sich im Ggs. zum Tempoläufer meistens schonen können (weil, anders als im Finale, niemand richtig Tempo bolzen will, weil es zuviel Kraft für das Finale kosten würde). Ausreißen ist sicher eine grenzwertige Taktik über 1500m, aber es kann funktionieren und ist nicht ganz so kräftezehrend wie von Anfang an von vorne laufen. Und in diesem Feld musste sie eher früh ausreißen, wenn es überhaupt gelingen sollte. Bei einem Ausreißversuch 500m vor dem Ziel gehen fast alle mit. 600m vorher gehen evtl. auch ein paar mit, so dass keine richtige Lücke entsteht, die aber psychologisch wichtig ist (weil sich dann von den Verfolgern wieder einer exponieren muss, der die Lücke zuläuft).

Das Paradoxe bei Klosterhalfen ist, dass sie nach eigener Auskunft und oft auch nach dem optischen Eindruck super nervös vor/bei den großen internationalen Sachen ist, aber dann oft de facto mutig und souverän gelaufen ist (wie in Rom oder schon Ostrava 2016). Außer eben bei der WM.
Das Rennen in Birmingham war ja interessanterweise eines der wenigen, bei denen sie lange ziemlich defensiv im Feld geblieben ist. D.h. sie wird sich auch an solche Verläufe gewöhnen und taktisch verbessern. Die Fähigkeit zum Solo ist dennoch nicht zu unterschätzen, gerade auch für zukünftige 5000 und 10000m Rennen, aber ingesamt, weil das für außerordentliche (auch mentale) Stärke und sehr gutes Tempogefühl spricht (über ein Trainingslager im Frühjahr 2016 berichtet ein Trainingspartner, dass KK Tempodauerläufe immer ohne Uhr "nach Gefühl" laufen würde und meistens schneller als geplant).
(24.09.2017, 10:50)Jo498 schrieb: [ -> ]Es ist letztlich auch nicht so wichtig. Sowohl sie selbst wie auch der Trainer haben das ja sehr schnell als plausiblen, aber missglückte Taktik abgehakt und nicht versucht, tiefere Erklärungen zu liefern. Ich habe natürlich selbst keine Ahnung, wie eng und tagesformabhängig auf diesem Leistungsniveau solche Sachen sind (Chebet ist auch im Halbfinale raus und Dibaba um ein Haar). Natürlich kann es sein, dass der Vorlauf einen Tag vorher schon reicht, um nicht ganz top zu sein. (Daran muss man dann aber arbeiten.)
Was mich in einigen Medien gestört hat, war die Darstellung der Beschleunigung als offensichtlicher taktischer Fehler (irgendwo stand "beschleunigte ohne Grund mittem im Rennen", einige meinten wohl sogar, sie habe sich bei der Rundenzahl geirrt...). Das war von vornherein eben nicht klar und noch weniger, ob es eine klar bessere alternative Taktik gab.

Vielleicht gabs auch keine tiefergehenden Erklärungen?
Der Antritt war kein taktischer Fehler, der Speed aber schon.
Es war dasselbe Tempo wie in Lille und eher etwas langsamer als in Bydgoszcz. (Weil ich mir das nochmal genau angesehen und verglichen habe, wärmte ich den Thread ja wieder auf.)  Um den Effekt zu haben, nämlich sehr schnell eine Lücke zu reißen (s.o.), muss es wohl deutlich schneller sein als eine leichtere Verschärfung von 66 auf 63/Runde o.ä. Nun hatte sie offensichtlich nicht die Form dafür an diesem Tag. Das bestreitet niemand. Es war ja auch sehr knapp, 0,5 sec. weniger Einbruch auf den letzten 200 und es hätte gereicht.
Was war dasselbe Tempo? Die ersten 700m waren deutlich schneller als in Lille und Bydgoszcz. Sie kann eben nicht bei jedem Tempo eine 2:02 drauflegen.
Nichtmal Sifan konnte in dem Halbfinale eine 2:02 hinten drauf laufen und sie war sicher die stärkste in dem Lauf. Meine Meinung: Eine gleichmäßiger Steigerungslauf über die letzten 800m und sie wäre im Finale gewesen. Zweimal 62.0 oder 62.5 hätten gereicht.
(24.09.2017, 11:24)Robb schrieb: [ -> ]Vielleicht gabs auch keine tiefergehenden Erklärungen?
Der Antritt war kein taktischer Fehler, der Speed aber schon.

In der Tagesform von Erfurt oder Birmingham wäre sie mit dem Speed ins Finale eingezogen, sie wäre hintenraus nicht so eingegangen. Es war gemessen an Birmingham 3000m Pace für 700 ... das macht sie nicht so kaputt, dass sie danach nicht bessere 800 laufen kann.
Aber jedenfalls war der Antritt nicht der Tagesform angepasst, das kann man sagen. Wenn 2'50/k an dem Tag Richtung 2000m Pace geht, sieht das ganze eben anders aus.

Hinterher lässt sich das leicht als Fehler sehen bzw. bezeichnen. Meine These ist eher, dass sie es in dieser Form mit jeder Taktik sehr schwer gehabt hätte, ins Finale zu kommen.
(24.09.2017, 12:02)DerC schrieb: [ -> ]
(24.09.2017, 11:24)Robb schrieb: [ -> ]Vielleicht gabs auch keine tiefergehenden Erklärungen?
Der Antritt war kein taktischer Fehler, der Speed aber schon.

Meine These ist eher, dass sie es in dieser Form mit jeder Taktik sehr schwer gehabt hätte, ins Finale zu kommen.

 Dieser These schließe ich mich an, denn der Vorlauf war lange nicht so souverän wie erwartet.
 Auf  jeden Fall machte sie einen nervöseren  Eindruck als sonst, ob das die Ursache dafür war ist wiederum eine andere Frage.
Natürlich waren die ersten 700 schneller als in Lille (s.o. etwa 7 sec. schneller). Ich meinte nur, dass die schnelle Runde von 700-1100 eher einen Tick langsamer, jedenfalls nicht schneller war. Meine zweite Behauptung ist, dass sie in der Form von Erfurt, Lille, U23 EM eine solche schnelle Runde auch nach dem schnelleren Beginn hätte laufen können, ohne so einzubrechen. Meine dritte Behauptung ist, dass die Taktik nicht blöd war, weil bei einem Steigerungslauf tendenziell mehr Läuferinnen aus dem Feld (wenn es nicht gerade DM ist Teufel ) mitgehen (und auch mental ist evtl. besser allein ein ganzes Stück vor dem Feld zu laufen, als wenn man sofort wieder zwei im Nacken hat). Es ist schlicht unmöglich zu sagen, ob und wie eine andere Taktik aufgegangen wäre.
Es ist ja auch unbestritten, dass die tatsächliche Taktik nicht aufgegangen ist; der Punkt ist nur, dass das vorher wohl keiner wissen konnte. Wir diskutieren das ganze überhaupt nur, weil ansonsten fast alle waghalsigen Sachen (Solo bei Cross-EM, pacemaker überholen, usw...), die KK in Rennen der letzten 2 Jahre gemacht hat, überraschend gut aufgegangen sind, was auf eine ziemlich gute Selbsteinschätzung schließen lässt, was in einem bestimmten Rennen möglich ist.

So glaubt z.B. in Ostrava der englische eurosport? Kommentator noch eingangs der Zielgeraden, dass das Feld sie noch einsammeln würde.
Oder U20-WM 2016 (3000m): Ab der dritten Runde nach vorne und das Tempo schnell gemacht. Es gehen erstmal 6 Afrikanerinnen und noch ein oder zwei weitere mit, bis es noch schneller wird. Am Ende sind dann noch zwei übrig. Wenn sie nicht die ganze Zeit hätte führen müssen und jemand anderes Tempo gemacht hätte, wäre sie wohl 2. geworden. Aber wenn sie kein Tempo gemacht hätte, wäre sie vielleicht auch 6. statt 3. geworden (keine Ahnung, vielleicht wäre sie auch nur mit einem schnellen letzten km 2. oder 3. geworden; ich habe den Lauf erst dieser Tage gesehen und kenne die anderen Läuferinnen nicht). Um so etwas durchzuziehen, muss man schon zuversichtlich sein, im Bereich Bestzeit (oder dort dann durch einen sehr schnellen letzten km sogar 7 sec. schneller) laufen zu können und nicht am Ende total einzugehen. Oder sie hat sonst immer Riesenglück gehabt, dass sie sogar stärker war als erwartet und deshalb solche Nummern durchziehen konnte.

Sie ist anscheinend sowohl schüchtern und nervös als auch sehr ehrgeizig und risikobereit. Das deutet sich auch in einigen Interviews an (so war sie nach "nur Bronze" bei der U20 EM in Eskilstuna (1500) erstmal offensichtlich enttäuscht). Das ist alles auch völlig normal, gerade anhand des neuerlichen Leistungssprungs im letzten Jahr, meine ich, aber daher wirken manche Signale eben etwas widersprüchlich. Und es wäre auch verständlich, wenn der mentale/selbstgemachte Druck bei der WM aufgrund der vorher so außerordentlichen Leistungen noch höher gewesen wäre. Bei der DL in Rom und Birmingham hatte sie nichts zu verlieren. Bei der WM auf einmal mit der fünftschnellsten Saisonzeit? konnte sie beinahe nur verlieren.
Jetz akzeptier doch endlich, dass sie in London nicht die Form hatte, warum auch immer. Schau Dir doch mal den Vorlauf an. Sie geht bei 3:00 Min in die letzte Runde, bei 1300 fängt es an, dass sie durchgereicht wird. Ennoui, die sie das ganze Jahr über im Griff hatte, holt die letzte Runde rund 20 m auf und überholt sie noch. Um das zu beurteilen, brauche ich keine Detailabschnitte mit anderen Rennen zu vergleichen.
Im Gegensatz zu Benitz (ein sehr gutes, das berechtigt auf das Finale hoffen lies und ein schwaches), hatte sie zwei durchschnittliche Rennen. Und das reicht bei einer WM dann nicht ins Finale.
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