(30.09.2017, 22:08)Robb schrieb: [ -> ] (30.09.2017, 20:11)aj_runner schrieb: [ -> ]Trotzdem: Wenn meine Argumentation "nicht in Form sein" nicht richtig wäre, dann heißt das im Umkehrschluss, dass sie in Form war. Zu Ende gedacht bedeutet, dass KK Leistungsfähigkeit gerade einmal ausreicht, um mit Ach und Krach in ein Halbfinale einzuziehen. Kann man so sehen, muss man aber nicht.
Nicht in Form ist eine Möglichkeit, ich sage nicht, dass es nicht so gewesen sein kann, ich behaupte nur, dass es dafür auch andere Erklärungen und keinen Grund gibt, die Erklärung taktische Fehler anzuzweifeln. Bei schlechtem Rennverlauf kann Klosterhalfen von jeder mit halbwegs gutem Endspurt besiegt werden, das heißt nicht, dass sie in so einem Rennen nicht in Form wäre. Sie kann extrem schnell laufen, aber sie kann nicht spurten und sie hat taktische Defizite. Ist aber auch verständlich, sie hatte vor London genau EIN Rennen gegen Weltklasse-Konkurrenz, das war in Rom. Und Rom hat sie auch nicht auf London vorbereitet, weil DL-Rennen mit Hasen und genau festgelegten Zwischenzeiten nichts mit Rennen bei Weltmeisterschaften gemein haben.
Hallen-EM waren zwei Rennen mit Weltklasse-Konkurrenz, aber davon war der VL auch nicht ideal und im Finale hat ihr Muir quasi in die Karten gespielt. Von der Papierform wären Cichocka und Koster in Lille auch ziemlich starke Konkurrentinnen gewesen, aber die erste hat gepennt oder war mit Rang 2 zufrieden und Koster schlecht in Form und/oder taktisch ganz schlecht (hat es schneller gemacht, nachdem Klosterhalfen abgehauen war, und ist am Ende dann doch auf Rang 6 oder so durchgereicht worden).
Wenn man weiß, dass man auf der Zielgerade auch von sonst deutlich schwächeren überspurtet werden kann, ist offensichtlich der größte taktische Fehler, es darauf ankommen zu lassen. Es gibt im Grunde dann nur drei Optionen (jedenfalls für jemanden wie Klosterhalfen mit zumindest ordentlicher Unterdistanzleistung, für "langsame" wie Radcliffe oder Reh gibt es eigentlich nur front running).
- "front running" bzw. noch besser, wenn jemand anderes das Rennen schnell macht und man "nur" dranbleiben muss. Offensichtlich die favorisierte Variante Klosterhalfens, aber kaum möglich bei gleichstarken oder stärkeren Konkurrenten.
- "Ausreißen". Dafür sind 1500 m.E. eigentlich zu kurz, aber es hat immerhin zweimal geklappt (und beide Mal der spurtstarken Haupt-Konkurrentin keine Chance gelassen). Die Frage im Thread ist hauptsächlich, ob es im London HF hauptsächlich wegen suboptimaler Form nicht geklappt hat, oder ob es in dem Kontext eine falsche Taktik war.
- langer Spurt bis hin zu dem Extrem, das bei Männern schon lange immer mal, bei den Frauen etwa im Rio-Finale gepflegt wurde: 800m in Weltklassezeit mit 700m Jogging vorher.
Problem bei allen diesen Optionen ist, dass man sich nicht so schonen kann wie ein Spurter das oft tun kann. (Und 1500m ist für alle Optionen auch ein bißchen kurz, d.h. man wird vermutlich selten genügend Konkurrenten los in entsprechend hochklassigem Feld.) Das ist ein Nachteil bei Wettbewerben mit mehreren Runden. Andererseits kann ein Spurter rein gar nichts machen, wenn jemand das Rennen schnell macht und er das Tempo nicht mitgehen kann. Selber schnell machen kann man theoretisch aber immer, wenn man es kann. Und Klosterhalfen müsste im Prinzip eine Schlussrunde klar unter 60 laufen können, wenn es vorher nicht so schnell war, da sie 800m in 57 anlaufen kann.
M.E. ist Klosterhalfen keineswegs so ungeschickt, dass man eine generelle Taktikschwäche annehmen müsste; sie war ja in den letzten Jahren durchaus in Feldern unterwegs, denen sie nicht einfach weglaufen konnte. Bis vor anderthalb Jahren waren ihre typischen Rennen keineswegs gepacete Meetings, sondern nationale Meisterschaften und internationale U18/20-Meisterschaften. Unterschiedliche Taktiken sind aufgegangen: Bei der DM 2015 wäre sie wohl kaum 2. geworden, wenn sie das Rennen nicht schneller gemacht/gehalten hätte als ein typisches Meisterschaftsrennen (und sie hat die vermutlich nicht schlechtere Spurterin Klein auf den letzten 200m in Schach gehalten). U20-WM 2016 hatte ich schon erwähnt. Mit front running immerhin 4 von 6 Afrikanerinnen zersägt. Oder eher defensiv mitgegangen und am Ende stark gewesen: Cross-EM 2015, Birminingham 2017. (Wie gesagt, von den Rennen der letzten zwei Jahre, die ich auf youtube sehen konnte, gibt es eigentlich keins, bei dem sie sich so verschätzt? einbricht wie beim HF oder auch beim VL in London. Die Rio-Vorläufe habe ich aber auch nicht gefunden, ich bin anscheinend zu doof für die yt-Suchmaschine oder sie sind nicht drauf.)
Klar, London war vielleicht noch eine andere Klasse mit sehr hoher Leistungsdichte. Da muss eben alles stimmen. Die Mühe bzw. das Scheitern bei Zeiten deutlich über der Saisonbestleistung deuten für mich stark auf suboptimale Form. Dem widerspricht nicht, dass mit der vorhandenen Form vielleicht eine andere Taktik hätte aufgehen können. Aber ein 4:12-Rennen mitzuzockeln und zu hoffen, auf der letzten Runde oder den letzten 200 unter den 5 besten zu sein, wäre erst recht eine falsche Taktik gewesen und noch weniger aufgegangen.